Festakt mit Ehrengästen

Lebensgemeinschaft Münzinghof feierte ihren 40. Geburtstag

Feierten zusammen 40 Jahre Münzinghof (von links): Hartensteins Bürgermeister Werner Wolter, Geschäftsführer Michael Taubmann, die bayerische Behindertenbeauftragte Irmgard Badura, Regierungspräsident Thomas Bauer, MdB Marlene Mortler, Holger Wilms vom Bundesverband „Anthropoi“, Geschäftsführerin/Personal Julia Schlegel, Landrat Armin Kroder, Veldens Bürgermeister Herbert Seitz, Hausvater Sebastian Loreth und (vorne) Angelika Feisthammel, die Behindertenbeauftragte des Landkreises. | Foto: S. Fuchs2018/07/40.jpg

VELDEN – Aufrichtige Bewunderung und Anerkennung für eine wohl einmalige Erfolgsgeschichte, aber auch Dank für die Leistung der Mitarbeiter der Lebensgemeinschaft Münzinghof. Beim offiziellen Festakt zum 40. Geburtstag der Dorfgemeinschaft gab es reichlich anerkennende Worte bei den über einem Dutzend Grußrednern, die alle mit stürmischem Applaus der Bewohner und ihrer zahlreichen Gäste bedacht wurden.

Sebastian Loreth, Hausvater vom Rosenhaus, begrüßte Ehrengäste aus Politik, von Behörden, Wirtschaft und befreundeten Institutionen. Dabei erinnerte er kurz an die schlechte Ausgangslage vor vier Jahrzehnten mit vielen Herausforderungen und noch mehr Problemen. Mittlerweile sei jedoch, wie er sich wörtlich ausdrückte, aus „der kleinen Kulturinsel ein Leuchtturm“ geworden.

Mitbewohner Ralf Hamerla beschrieb seine „Heimat Münzinghof“ als Gefühl, als Begegnung, in der Menschen mit und ohne Hilfebedarf sich treffen und leben. Und Gerhard Herz, Vorstandsmitglied des Vereins, wies darauf hin, dass die Lebensgemeinschaft aus den Ideen aller hier beheimateten Menschen lebe. Auch wenn die Beschlussfassungen in den regelmäßigen Konferenzen etwas länger dauerten, so seien sie dafür umso tragfähiger, beschrieb er die allseits praktizierte Selbstverwaltung: „Wir vom Vorstand sehen uns als begleitend im besten Sinne.“

„Wunderbarer Ort“
Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler schilderte zunächst, wie aus einem verlassenen Bauernhof ein „wunderbarer Ort mit mustergültigen Betrieben und idealen Wohn- und Hausgemeinschaften“ geworden sei. In Münzinghof werde Inklusion vorbildlich gelebt – und das seit einem Zeitpunkt, an dem der Begriff noch gar nicht in Gebrauch war.

Die bayerische Behindertenbeauftragte Irmgard Badura und ihre Kollegin Angelika Feisthammel im Nürnberger Land zeigten sich mit Blick auf die Werk- und Arbeitsstätten beeindruckt von der Vielfalt und den Möglichkeiten der „sehr umtriebigen Lebensgemeinschaft“. Regierungspräsident Thomas Bauer dankte allen, die an diesem Ort Menschen mit Hilfebedarf seit 40 Jahren eine Heimat in Wahlfamilien, mit Arbeit entsprechend ihren individuellen Bedürfnissen und mit kulturellen Angeboten geschaffen hätten. „Aus einer Idee wurde eine atemberaubende Erfolgsgeschichte“, so Landrat Armin Kroder. Hier werde der erste Satz im Grundgesetz „Die Würde des Menschen …“ mit Leben erfüllt, worauf man stolz sein könne. Er erinnerte an „wunderbare persönliche Begegnungen“, von der Einweihung eines Schweinestalls bis zur Ehrung von Special Olympics-Siegern.

Was wäre aus den alten Gebäuden geworden, wenn nicht Volker Heitmann und viele Idealisten und Weggefährten vom ersten Tag an entschlossen angepackt hätten, fragte Bürgermeister Herbert Seitz. Münzinghof sei heute mit aktuell 148 Einwohnern nicht nur der größte Ortsteil, sondern mit über 180 Beschäftigten auch größter Arbeitgeber der Stadt. Mit dem Landrat sei er sich einig, dass Münzinghof „der schönste Ort im Landkreis“ sei. Loreth dankte an dieser Stelle für die enge Verbindung mit der Stadt.

Eberhardt Ziegener, Vorsitzender des Fördervereins, wies darauf hin, dass er und seine Vorstandskollegen manche Projekte mit besonderem Herzblut und Engagement angegangen seien, etwa das Golfturnier, Konzerte, Werbung für Produkte und Akquirieren von Spenden. Ihm schlossen sich benachbarte Einrichtungen und Institutionen an, die Goldbach Werkstatt, Dorfgemeinschaft Hausenhof, Karl-König-Schule und Rudolf-Steiner-Schule Nürnberg sowie die Lebensgemeinschaft Höhenberg.

In einem sehr persönlich gehaltenen Rückblick erinnerte Volker Heitmann an sein nun schon 40 Jahre währendes Leben auf dem Münzinghof – „ein langer, aber toller Zeitraum“. Nachdem der Bauernhof 1977 vom Förderverein erworben worden war, zog er am 7. März 1978 mit seiner schwangeren Frau, die wenigen Umzugskisten auf einem alten 7,5-Tonner verstaut, dort ein. „Es war eine Fahrt ins Ungewisse, es lagen Berge von Schnee und mancher wäre auf dem schmalen und nicht geräumten Schotterweg einfach umgekehrt.“

Vier Menschen schafften zunächst bewohnbare Räumlichkeiten in dem völlig heruntergewirtschafteten Anwesen. Als erstes gab es neben der Hauswirtschaft eine kleine Gärtnerei und eine Landwirtschaft. Die erste Kuh bekamen sie geschenkt und bald erfuhren sie Hilfe von den Landwirten der Umgebung. Finanzielle Unterstützung gab es von der Aktion Sorgenkind. Ein Meilenstein war der strittige Wasseranschluss an die Riegelsteingruppe, mussten die Bewohner doch bis dahin wegen des niedrigen Drucks zum Duschen „ins untere Haus wandern.“ Mit solch humorvollen, manchmal auch leidvollen Anekdoten bereicherte Heitmann seinen Vortrag.

Vorbildliche Solidarität
Schier unglaubliche Solidarität aus den benachbarten Orten habe man bei der Brandkatastrophe Anfang der 90er Jahre erfahren, sei es durch Gewährung von Unterkunft, Betreuung der Kinder oder Spende von Kleidung. Es folgte die Weiterentwicklung in der Verwaltung, die Erweiterung von Werkstätten und Wohneinheiten. Heitmanns Fazit: „Wir hätten damals keine bessere Entscheidung treffen können. Heute sind wir aus der Region nicht mehr wegzudenken, sei es durch unsere Arbeitsplätze, unsere Produkte oder unsere Verflechtung bei der Direktvermarktung.

Nach einem Impuls-Vortrag von Holger Wilms vom Bundesverband Anthropoi zum Thema „Zukunft Dorfgemeinschaft“ und der musikalischen Unterhaltung mit der Münzinghof-Band gab es in zwangloser Runde einen Austausch zwischen Gästen und der Dorfgemeinschaft – natürlich auch mit leckeren Münzinghof-Produkten.

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