LAUF/ NÜRNBERG – Der Staatsanwalt fordert lebenslange Haft wegen Mordes, die Verteidiger plädieren auf Freispruch: Seit drei Monaten wird am Landgericht Nürnberg-Fürth gegen ein Paar verhandelt, es geht um Liebe, Eifersucht, Mord und eine mögliche Anstiftung zum Mord. Das Paar habe aus niederen Beweggründen gehandelt, so der Staatsanwalt.
Staatsanwalt Simon Kroier ist überzeugt davon, dass Sarah D. Michael M. zum Mord anstiftete und versuchte ihn zu einem weiteren Mord an ihrem Ehemann anzustiften. Er fordert deshalb für beide Angeklagte eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die beiden Nebenkläger schlossen sich der Forderung an.
In seinem zweieinhalbstündigen Plädoyer las Kroier alle relevanten Chats zwischen den Angeklagten noch einmal vor. Der Chat zwischen Sarah D. und Michael M. zeige, dass sie ihn zu dem Mord an Christian B. angestiftet habe und M. die Tat ausgeführt habe. Weil sie Jahre vorher schon einmal zusammen waren und M. sie damals betrog, forderte Sarah D. diesmal einen echten Liebesbeweis, dass er es ernst meint mit ihr – einen Mord.
Ein neues Leben mit Michael M.
Die Beziehung zum Mordopfer Christian B. sei abgekühlt, schon weil der Geliebte von Sarah D. verlangt habe, dass sie sich neben ihrem Teilzeit-Job als Fahrerin eine weitere Beschäftigung suche.
Mit Michael M. wollte Sarah D. in das Haus ihres Mannes Horst D. ziehen, der ebenfalls auf der Mordliste stand. Die Kripo-Beamten hatten das Haus als völlig verwahrlost und verdreckt beschrieben.
Zum Motiv sagte der Staatsanwalt, Sarah D. sei intrigant und manipulativ, Michael M. sei ihr hörig gewesen. Ex-Freunde der Angeklagten waren auch im Zeugenstand und schilderten, dass sie immer alles bezahlt haben wollte und nie bereit war, selbst in Vollzeit zu arbeiten. Auch darum gingen frühere Beziehungen in die Brüche.
Vor dem Mord hatten sich Sarah D. und Michael M. täglich zwei bis drei Dutzend Nachrichten geschrieben, nach der Tat nahm der Schriftverkehr rapide ab. Sarah D. löschte alle Chats mit Michael M., schon das Löschen wertet der Staatsanwalt eine Verdunklungshandlung.
Sarah D. hat das Schreiben verboten
Nach der Tat säuberte Michael M. mit seiner Ehefrau, nicht mit Sarah D., gründlich sein Auto an einer Tankstelle in Diepersdorf. Er behauptete – angeblich auch vor seiner Frau –, ein Auflauf sei ausgelaufen. Die Spurensicherung entdeckte trotz der Reinigung Blut des Opfers im Wagen. Fotos von der Putzaktion gingen an Sarah D. per Whatsapp. Daraufhin schrieb sie, er solle darüber nicht im Chat schreiben.
Der Staatsanwalt und die Nebenkläger erinnerten auch an den gemeinsamen Besuch des Paares bei der Mutter des Christian B., nachdem der Mord stattgefunden hatte. Dass Christian B. verschwunden war, wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand. Ein Besuch aufgrund von Täterwissen?
Verteidiger: Indizien reichen nicht aus
Im Vergleich zum Staatsanwalt hielt der Verteidiger von Michael M., Jürgen Pernet, ein kurzes Plädoyer. In seinem halbstündigen Vortrag sagte er, dass die Blutspuren im Auto von Michael M. kein Beweis dafür seien, dass dieser tatsächlich am Tatort oder gar der Täter war. Jemand anderes hätte das Auto ebenfalls nehmen können. Pernet forderte den Freispruch seines Mandanten.
Der Verteidiger der Angeklagten Sarah D., Malte Magold, kündigte sein Plädoyer als „Zumutung“ an. Aber eine größere Zumutung sei es, wenn eine Unschuldige hinter Gitter käme. Der Staatsanwalt habe seinen Schlussvortrag knackig präsentiert, und gebe vor, ganz genau zu wissen, was passiert sei. Er, der Verteidiger, wisse es nicht. Aber er wisse, dass seine Mandantin Sarah D. nicht zu einem Mord angestiftet habe.
Magold verwies auf die Sprachbilder aus dem Chat: „Christian muss weg“ – dies sei aus seiner Sicht keine Aufforderung zum Mord. „Weg“ meine aus Sarah D.s Sicht vielleicht nur, dass er „weg“ aus der Dreiecksbeziehung müsse. Vielleicht habe sie sich die Männer nur warmhalten wollen.
In Sarah D.s Leben herrsche nur Chaos, nur ein einziges Durcheinander. Ihre Persönlichkeit sei nicht klar und geradlinig, ihre berufliche Entwicklung sei chaotisch, ihre finanzielle Situation ebenso, das Haus war völlig verwahrlost und verdreckt. Dass ausgerechnet sie einen perfiden Mordplan schmieden könnte, sei nicht vorstellbar.
„Ich bin froh, wenn alles vorbei ist“
Auch die Formulierung „Horst schnell ums Eck“ sei nicht als Aufforderung zum Mord zu verstehen, nicht als „um die Ecke bringen“ wie der Staatsanwalt meint. Den Satz könne man auch als „weg aus der Beziehung“ deuten.
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Bereits im Mai 2019 habe Sarah D. an Michael M. geschrieben, dass sie ihre Ruhe brauche. Und wörtlich: „Ich bin froh, wenn alles vorbei ist.“ Nach der Deutung der Staatsanwaltschaft könnte man auch diesen Satz als Anstiftung zum Mord missverstehen. Aus Sicht des Verteidigers hat Sarah D. nie zu einem Tötungsdelikt angestiftet, nur von „umhauen“ sei einmal die Rede gewesen.
Immer wieder betont er, dass seiner Mandantin ein schwerer Vorwurf gemacht werde, daher seien die vorgelegten Indizien sorgfältig zu prüfen. Bislang sei dies passiert, so Magold. 22 Tage lang hätten die Prozessbeteiligten in der Beweisaufnahme darum gerungen, zu rekonstruieren, was geschehen ist. „Eine ausgesprochen konstruktive Atmosphäre“ so der Anwalt.
Er ist überzeugt: Sarah D. habe mit Christian B. nach Kroatien auswandern wollen. Dieser Plan sei nicht innerhalb weniger Wochen in ein Mordkomplott umgeschlagen.
Getötet mit 27 Messerstichen
Am 14. Juli 2019, gegen 7.20 Uhr, entdeckte ein Pilzsammler in einem Waldstück bei Lauf den Leichnam des Christian B. (27). Michael M. hatte ihn erst niedergeschlagen, dann erstochen, so lautet die Anklage. Der Körper wies 27 Stichwunden auf, der Täter hatte ihm mit einem bislang nicht identifiziertem Gegenstand den Schädel eingeschlagen.
Das Verbrechen steht am Ende einer aus dem Ruder gelaufenen Vierecksbeziehung: Sarah D. (33) stiftete ihren Geliebten Michael M., laut dem Staatsanwalt, zu dem Verbrechen an, später sollte Michael M. auch noch ihren Ehemann Horst D. (48) töten.
Ein Urteil wird voraussichtlich am Montag, 14. Dezember, gesprochen.