ALTDORF – Das Glück ist ein aus vielen Bestandteilen bestehendes Haus, das sich jeder selbst bauen muss. Den Bauplan dazu erläuterte in Altdorf Professor Karlheinz Ruckriegel, Deutschlands renommiertester Glücksforscher, auf Einladung von Stefan Hümmer. Der Lehrer am Leibniz-Gymnasium geht mit seinen Schülern der Frage nach: „Ist Glück machbar?“
Selbstverständlich, lautet Ruckriegels Antwort in der Kurzversion. Dazu muss man aber wissen, was Glück überhaupt ist. Eines von Ruckriegels Lieblingszitaten stammt von John Lennon: „Als ich zur Schule ging, fragten sie mich, was ich werden möchte, wenn ich groß bin. Ich antwortete: glücklich. Sie sagten mir, dass ich die Frage nicht verstanden hätte, und ich sagte ihnen, dass sie das Leben nicht verstanden hätten.“
Für den Glücksforscher aus Nürnberg steht im Lennon-Zitat alles, was man wissen muss, wenn man sich mit seinem Thema auseinandersetzt. Nicht von ungefähr stellt er es seinen Vorträgen immer wieder voran.
Negative und positive Gefühle
Glücklichsein hat mit Wohlbefinden zu tun. Das wiederum erreicht man auf der emotionalen Ebene, wenn die positiven Gefühle die negativen überwiegen, auf der kognitiven, wenn man sich Ziele setzt, diese verfolgt und erreicht. Klingt einfach, ist es aber in der Praxis nicht. Daran muss jeder für sich arbeiten.
Wenn es dann aber gelingt, macht es Freude – und diese Freude hat erstaunliche Wirkungen auf das Leben des dann glücklicheren Menschen. Er hat mehr Energie, ist kreativer und verfügt über ein gestärktes Immunsystem. Seine Beziehungen zu anderen Menschen werden tiefer, er arbeitet produktiver und hat eine höhere Lebenserwartung.
Der Glücksforscher Tobias Esch konnte nachweisen, dass glückliche Menschen seltener an Diabetes und Bluthochdruck leiden und seltener Herzinfarkte erleiden. Kein Wunder also, dass die AOK in Bayern auf die Glücksforschung aufmerksam wurde und ihren Kunden im Rahmen ihres Gesundheitsprogramms Seminare zum Thema Glück anbietet. Professor Ruckriegel zitiert hierzu eine weitere Glücksforscherin: Sonja Lyubormirsky sagt, dass es die lohnendste Anstrengung des Lebens ist, etwas dafür zu tun, glücklich zu sein.
Soziale Beziehungen
Wohlbefinden also als Quelle des Glücks – doch was macht dieses Wohlbefinden aus? Ruckriegel bringt es auf den einfachen Nenner: Liebevolle soziale Beziehungen, Gemeinschaft als emotionales Grundbedürfnis.
Weil er seinen Vortrag am Gymnasium hielt, brachte er ein Beispiel aus der Schule: Eine Pisa-Studie aus dem Jahr 2015 mit der Teilnahme von 540.000 Schülern aus 72 Ländern ergab, dass Teenager, die sich als Teil einer Schulgemeinschaft fühlen und gute Beziehungen zu ihren Eltern und Lehrern pflegen, mit größerer Wahrscheinlichkeit bessere schulische Leistungen erbringen und insgesamt glücklicher sind als Altersgenossen, die weniger gut eingebunden sind.

Was kann der einzelne für sein eigenes Glück tun? Ziele verfolgen, sagt Ruckriegel. Die müssen mit der eigenen Persönlichkeit zu tun haben, mit zwischenmenschlichen Beziehungen und mit der Gesellschaft. Mit den eigenen Gefühlen richtig umgehen, Emotionsmanagement nennt das der Glücksforscher, ist wichtig.
Immer die richtige Balance finden zwischen positiven und negativen Gefühlen. Ärger, Zorn, Wut, Angst, Trauer, Schuld, Scham – alle diese negativen Gefühle gehören zum Leben, sie bringen den einzelnen zum Nachdenken und dazu, Fragen zu stellen und Dinge zu verändern, dürfen aber nicht die Oberhand gewinnen. Menschen können beeinflussen, wie sie sich fühlen, indem sie verändern, was sie denken, sagt Ruckriegel und nennt positive Gefühle: Freude, Dankbarkeit, Hoffnung, Stolz. Die erweitern den Horizont der Menschen und machen es überhaupt möglich, negative Gefühle zu verarbeiten.
Glücksquotient
Aus dem Nebeneinander negativer und positiver Gefühle ergibt sich ein Glücksquotient. Auf jedes schlechte Gefühl sollten mindestens drei gute pro Tag kommen. In einer Beziehung müssen es schon fünf gute Gefühle täglich sein, die einem schlechten entgegengesetzt werden – sonst sieht es für die Beziehung düster aus, sagt der Nürnberger Glücksforscher.
Für sein Glück suchendes Publikum hatte Ruckriegel am Ende ein Starterpaket parat: Er empfiehlt das Schreiben eines Dankbarkeitstagebuchs, in dem man täglich festhält, was einen Dank wert ist, wem man wofür danken möchte. Das hat einen ganz erheblichen Einfluss auf die Gefühlsbilanz.
Schwieriger, aber genauso wichtig, ist für Ruckriegel eine Emotionskontrolle, die jeder unbedingt beachten muss. Immer wieder nachfragen: Warum ärgere ich mich jetzt? Warum ist mir mein Gegenüber so unsympathisch? usw. Wer beides dann verbindet mit konkreten Zielen, die er sich für sein Leben setzt, kann glücklich sein. „Willst Du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah, lerne nur das Glück ergreifen, denn das Glück ist immer da“, zitierte der Nürnberger Glücksforscher am Ende Johann Wolfgang von Goethe.