HERSBRUCK – Zwei Ikonen der Gitarrenszene, ein Konzert und zwei ganz eigene Stile, die einen spannenden Kontrast zueinander boten: Mit einer Hommage an Django Reinhardt und Jimi Hendrix endete das 21. Internationale Gitarrenfestival Hersbruck so gegensätzlich und doch verbindend wie es begonnen hatte.
Diese zwei großen Namen erweisen sich als Zugpferde, denn „wir hätten noch mehr Karten verkaufen können“, erklärt Bürgermeister Robert Ilg eingangs. Auch wenn die Geru-Halle zum dritten Mal in Folge „halb leer“ aussieht, so ist sie ausverkauft. Und das soll auch kommendes Jahr der Fall sein, wenn ab 13. August wieder ein gewohntes Festival geplant ist: „Wir haben beschlossen, dass dann die Pandemie vorbei ist.“ Mit dem „Wir“ meint Ilg unter anderem den künstlerischen Leiter Johannes Tonio Kreusch.
„Hendrix wird heute von einem Gitarren-Innovator bespielt“, kündigt Kreusch den Musiker Claus Boesser-Ferrari an. So wirkt er auf den ersten Blick nicht, als er lässig mit einer Tasche auf der Schulter auf die Bühne stapft. Doch als Boesser-Ferrari ein kleines, blau leuchtendes Gerät zückt und über die Saiten hält, lässt der Klang nicht mehr auf eine Gitarre schließen: Ungewohnte, fast mystische Klänge wie von einem anderen Stern wabern durch die Halle.
Mehr als bloßes Zupfen
Gitarre kann aber nicht nur Synthesizer sein, sondern auch Percussioninstrument. Boesser-Ferrari wechselt munter zwischen wildem Geschrammel und klaren Melodien hin und her – stets mit einem rockigen Unterton dabei. Egal ob aggressiv, rhythmisch, kraftvoll – wenn er alle Saiten in Bearbeitung hat – oder dramatisch, Boesser-Ferrari zeigt die ganze Bandbreite der Musik. Auch melancholische Töne schlägt er an: Ruhig, sanft, fast nachdenklich ist sein Spiel, bei dem er immer wieder Akzente setzt – durch Tempoverschärfungen, Kaskaden von Tönen, Griff in die vollen Saiten oder Verfremdungen.
So greift Boesser-Ferrari plötzlich zu einem kleinen Metallteller packt ihn auf die Seiten und hämmert mit einem kleinen Schlegel drauf oder zieht ihn direkt über den ganzen Hals. Dann bearbeitet er das Instrument wieder mit den Händen und der Ring auf dem Korpus klingt wie eine tickende Uhr. Besonders viel Dynamik kommt auf, wenn er von der Percussion in ein flamenco-artiges Spiel rauscht wie ein Hochgeschwindigkeitszug durch die Weiten der US-Prärie, die ein leichter Country-Einschlag vor dem inneren Auge entstehen lässt.
Unermüdlich fließt eine Sequenz in die nächste – ohne Pause. Das Publikum schaut und lauscht gebannt. Es herrscht Stille bis zum letzten ungewöhnlichen Nachhall der Gitarre. Ebenso ungewohnt präsentiert Boesser-Ferrari auch die „Rolling Stones“, nämlich romantisch-verklärt – was für ein Gegensatz zu dem, was beim Joscho Stephan Trio folgt: Lebensfreude pur. Bei „Hallo kleines Fräulein“ aus den 30er-/40er-Jahren tanzen die Leute beschwingt Charleston. Der Kontrabass von Volker Kamp als sicherer Taktgeber treibt an, während die Finger von Joscho Stephan über die Saiten sausen.
Wie süße Schokolade
Mit seinen relaxed-humorvollen Moderationen nimmt Stephan die Zuhörer mit und in dem Stil geht es mit Stücken von Django Reinhardt weiter. Dabei können sich die Gitarren für ein Bass-Solo auch mal zurücknehmen. Geschickt und geschwind versteckt das Trio Musikzitate aus vielen Klassikern in ihrem Spiel – nicht nur einmal an diesem Abend. Faszinierend sind Tempo und Präzision von Stephan: Jeder Ton kommt fluffig-leicht daher, wie wenn die Zigeuner wie im Film „Chocolat“ in der französischen Provinz in einer Sommernacht am Lagerfeuer feiern.
Bei der Eigenkomposition „Papillon“ legt Stephan über das leicht tangomäßige Grundrauschen von Vater Günter Stephan („Er hält an der Rhythmusgitarre den Laden zusammen.“) federleichte Töne: Sie flattern einzeln und klar durch die Luft, stoppen mal auf einer Blume oder wirbeln in Loopings umher, die in ein sanftes Dahingleiten münden. Während sich die Stuhlreihen im Walzertakt wiegen, fliegen Stephans Finger am Hals auf und ab. Spannung bringen Stakkato oder Geschwindigkeitsänderungen.
Da kann man sich beim ruhigen „Please be kind“ zurücklehnen und träumen, sich vom Beat völlig entspannen lassen. Mit „Hey Joe“ gelingt dem Trio ein rockig-fetziger Bogen zu Jimi Hendrix. Nochmals zeigt Stephan mit verschiedenen Techniken und irrwitzigem Tempo seine hohe Kunst am Instrument. Zuletzt zaubert die Truppe französisches Savoir-vivre in die Halle. Auch hier perlen die Töne rein und klar vor sich hin: Ein Abend wie im Fluss.