SCHWARZENBRUCK – Das Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach wurde am Sonntag in Schwarzenbruck komplett aufgeführt. Die Leitung des begeisternden Konzertes hatte Kantorin Martina Schleicher.
Neben dem kraftvollen, aber sensiblen Chor der Kantorei begeisterten beim traditionellen Neujahrskonzert das hervorragende Berliner Mendelssohn-Orchester, der international gefeierte, lyrische Startenor Tilman Lichdi, der kongeniale Bachsänger Markus Simon und – zum ersten Mal in Schwarzenbruck – Margarita Vilsone (Sopran) von der Nürnberger Oper sowie Annika Schlicht (Mezzosopran) von der „Oper unter den Linden“ in Berlin, die die Altpartie übernommen hatte.
Nur bei den Arien war deutlich gekürzt worden, ansonsten waren alle sechs Kantaten zu hören, die Johann Sebastian Bach als Oratorium für Solostimmen, Chor und Orchester im Jahr 1733 in Leipzig geschrieben hat. Dieses wurde zum ersten Mal vom Thomanerchor in Leipzig in den sechs Gottesdiensten zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag 1734 und dem Epiphaniasfest 1735 in der Nikolaikirche und der Thomaskirche aufgeführt. Die Praxis, ein derart groß angelegtes Werk auf mehrere Festtage zu verteilen, geht aber nicht auf Bach zurück, sondern knüpft an bestehende Traditionen an.
Die Gesamtaufführung ist eher selten, macht aber den – nach heutiger Auffassung – von Bach beabsichtigten, zyklischen Charakter des Werkes deutlicher.
Feierliche Eröffnungs- und Schlusschöre, Weihnachtschoräle und Arien prägen die Vertonung der Weihnachtsgeschichte. Die Andächtigkeit der Choräle und die Schlichtheit der Evangelien-Erzählung vermitteln die Freude über die Geburt Christi.
Diese kontrastreichen Komponenten sind es, die die große Popularität des geistlichen Vokalwerkes bewirkten. Und genau dies konnte Martina Schleicher mit dem großen Chor der Kantorei (über 50 Sängerinnen und Sänger), dem Ensemble des Mendelssohn-Jugendsinfonieorchesters und den vier Solisten eindrucksvoll zeigen, ganz besonders in der stets harmonischen Abstimmung zwischen Chor und Orchester. Besonders eindringlich etwa beim Choral „Wir singen dir in deinem Heer“.
Gerade im Weihnachts-Oratorium ist der Orchesterpart äußerst farbig und kann als fast bildhaft gelten: Trompeten (in Schwarzenbruck allen voran Thomas Schleicher) und Pauken symbolisieren die göttliche Sphäre, Streicher (als Solo-Violinistin glänzte Julia Schleicher) und Flöten die himmlische und die Oboen die Hirten – und damit wohl die Menschheit.
Arien und Choräle
Die Musik komponierte Bach nur zu einem Teil neu. Viele Chöre und Arien entnahm er bereits existierenden, weltlichen Werken. Eine durchaus gebräuchliche Vorgehensweise in der Barockmusik. Dabei legte er den Schwerpunkt der Kantaten auf das Lyrisch-Kontemplative (besonders deutlich erkennbar bei „Brich an, o schönes Morgenlicht“ in der zweiten Kantate) und verwendete Bibeltexte, Kirchenliedtexte und freie Dichtungen. Neben kunstvollen Kantaten hat er im Oratorium auch allgemeines Liedgut verarbeitet, so etwa das bekannte Weihnachtslied „Ich steh an deiner Krippen hier“.
Den roten Faden im Weihnachts-Oratorium bilden die Rezitative, in denen der Evangelist – nach alter kirchlicher Tradition von einem Tenor gesungen – den biblischen Text „erzählt“. Wer das Neujahrskonzert gehört hat, wusste: Tilman Lichdi zählt mit Recht zu den großen zeitgenössischen Bach-Sängern.
Musikalisch und theologisch bilden die Arien in den sechs Teilen des Weihnachts-Oratoriums die Herzstücke. Auch hier wurden freie Dichtungen vertont. Insbesondere die Arien und Choräle dienen der Kontemplation und machen die Bedeutung des Weihnachtsgeschehens deutlich.
Einzelnen Solostimmen kommt dabei eine bestimmte Rolle zu: Während der Sopran – immer bestechend klar in der Intonation Sopranistin Margarita Vilsone – die Stimmungen der Seele zum Ausdruck bringt, steht der Alt für die Stimme des Glaubens und der Kirche, von Annika Schlicht sehr ausdrucksstark mit warmer Stimme vermittelt.
Stets ausgewogen auch die Stimme des souveränen Bassisten Markus Simon. Wohltuend ausgeglichen interpretierten die Solisten auch die Duett- und Terzettpartien, die sehr schlicht und passend von zwei bzw. drei Instrumenten begleitet wurden: Berührend das jeweilige Zusammenspiel von Geige und Cello, Oboe und Kontrabass, Cello und Oboe.
Euphorisch-feierlich hatte das Oratorium mit Pauken und Trompeten begonnen, und ebenso festlich und mächtig war der Schlusschor am Ende. Stehender, lang anhaltender Applaus waren berechtigtes Lob und Dank an die Künstler für ein begeisterndes Konzert.Erich W. Spieß