Sterbende auf ihrem Weg begleiten

Ilona Lüttich aus Unterhaidelbach ist seit 8 Jahren ehrenamtliche Hospizhelferin.
Ilona Lüttich aus Unterhaidelbach ist seit 8 Jahren ehrenamtliche Hospizhelferin.2010/03/allebismärz_134.jpg

UNTERHAIDELBACH – Sterben und Tod, das sind nicht gerade attraktive Themen fürs Abendprogramm oder für die Morgenlektüre. Trotzdem gibt es Menschen, die sich dem schwierigsten Lebensabschnitt bewusst zuwenden und anderen helfen. Eine davon ist Ilona Lüttich aus Unterhaidelbach. „Der Tod wird in unserer Gesellschaft einfach weggeschoben, das ist schrecklich“, bedauert Lüttich.
Die Hospizinitiative der Caritas, für die die 63-jährige ehrenamtlich unterwegs ist, ist für den gesamten Landkreis zuständig. Nächstes Jahr feiert die Initiative ihr zehn Jähriges Bestehen. Konfessionell ist die Hilfe nicht gebunden. Erste Ansprechpartnerin der Hospizhilfe ist Monika Seckmeyer, sie koordiniert Hospizhilfe. Die Einsätze plant Lüttich.
Seit acht Jahren begleitet sie Menschen in den Tod. Vor ihrer Rente war sie Polizeiangestellte in Nürnberg. Lüttich holt eine lange Liste hervor. Dort sind alle ihre 20 bis 30 Helfer aufgelistet. Wann wer kann, und wie erreichbar ist. Manchmal werden sie nur für ein paar Stunden benötigt, damit die Angehörigen zum Arzt können oder einfach mal raus kommen. „Nicht jeder Helfer passt zu jedem, der die Hospizhilfe sucht. Der eine will beten, der andere Gedichte hören oder will aus seinem Leben erzählen“, meint Lüttich.
„Meine erste Sterbebegleitung werde ich nie vergessen. Sie ging über acht Monate und der Mann war erst um die 40. Uns verband eine gemeinsame Leidenschaft: Das Motorradfahren“, sagt Lüttich und ihre blauen Augen strahlen. Tatsächlich erfüllte sie sich mit 50 Jahren den Traum aller Biker: Die Route 66 auf der Harley entlangzufahren. Ihren Mann Olaf überzeugte sie von ihrer Passion und mittlerweile unternahmen die beiden schon mehrere Touren durch die USA. Lüttich: „Mein Motto: Genieße das Leben, so lange es geht“. Vor zwölf Jahren starb ihr damals 25-jähriger Sohn Sven bei einem Autounfall. „Das Leben nach Svens Tod ist ein anderes“, stellt die engagierte Frau fest.
Sie hatte damals nicht die Zeit, sich von ihrem Sohn so zu verabschieden, wie sie es sich gewünscht hätte. Um zu lernen, wie sie mit Ihrer Trauer umgehen kann, schloss sie sich dem Verein „Leben ohne Dich“ an. Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder, alles Eltern die ihr Kind verloren haben, in Altdorf.
Auf die Idee, nun andere in den Tod zu begleiten kam die gebürtige Karlsruherin durch einen Artikel im Boten: „Tod, Trauer, Loslassen“, so die Schlagzeile damals. Daraufhin entschied sich Lüttich als Hospizhelferin ausbilden zu lassen: „Ich musste über das Thema Tod nachdenken und ihn begreifen.“ Die Ausbildung wird jedes Jahr ausgeschrieben und umfasst rund 130 Unterrichtsstunden. Vorträge von Ärzten, Wissenswertes über die Hospizbewegung, Trauer, Sterbephasen oder Umgang mit Demenz stehen auf dem Plan.
Auch der eigene Tod wird thematisiert. „Wenn ich mal sterbe, will ich, dass meine Grabrede einer Geburtstagsrede gleicht. Die Leute sollen rausgehen und sagen: Genauso war die Ilona.“ So verliere der Tod ein wenig seinen Schrecken. Er werde aber nicht „normaler“, je häufiger sie mit ihm zu tun hat, wie Lüttich versichert.
Nicht jeder sei als Hospizhelfer geeignet: „Die Ausbildung steht keiner durch, der nur mal denkt, er müsse etwas Gemeinnütziges tun.“ Hospizhilfe verlaufe in der Regel so: Die Patienten werden vom Arzt/Krankenhaus entlassen, weil sie keine Heilungschancen mehr erkennen. Dann wenden sich meist die Angehörigen an die Hospizstellen. Auch der Verein Rummelsberger Hospizarbeit bietet Sterbebegleitung an. Die Hospizhilfe besucht die Sterbenden in ihrer häuslichen Umgebung.
Wenn Lüttich zum ersten Einsatz kommt, sagt sie einfach:  „Ich komme von der Caritas – Das ist erst einmal unverfänglich.“ Denn oft falle es den Angehörigen und den Betroffenen schwer, die Gesundheitslage auf den Punkt zubringen. Da hilft Lüttich zu vermitteln. Dennoch untersteht sie der Schweigepflicht. Lüttich: „Die Menschen, die wir begleiten sind die Hauptpersonen, ihre Wünsche versuche ich zu erfüllen und die Familien zu unterstützen.“ Einige Menschen können sich nicht mehr mitteilen, da reiche es, nur da zu sein und die Hand zu halten. Nähe sei für fast alle wichtig – zu wissen, dass sie nicht allein gelassen zu werden.
Eine Psychologin hilft den ehrenamtlichen Hospizhelfern in Gruppengesprächen ihre Erfahrungen zu verarbeiten. Denn die Arbeit geht an den Helfern nicht spurlos vorbei. Zwischen den Begleitungen braucht Lüttich Pausen zum Kräftesammeln: In der Natur beim Radfahren oder Spazierengehen. Auch ihr Mann unterstützt sie bei ihrem Ehrenamt. Denn: „Wenn wir total ausgelaugt sind, können wir auch nichts weitergeben“.

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