SPEIKERN/EBERMANNSTADT — Kirche und Landwirtschaft — zwei Institutionen mit Tradition. Dass sich Landwirte bei der Kirche auch Beratung holen können, ist im Erzbistum Bamberg seit 25 Jahren möglich. Der Speikerner Fritz Kroder ist der Mann, der hilft, wenn es im bäuerlichen Betrieb nicht mehr rund läuft.
Zusammen mit 15 ehrenamtlichen Mitarbeitern ist Fritz Kroder für die Erzdiözese Bamberg in der Landwirtschaftlichen Familienberatung tätig. Von seinem Büro in Ebermannstadt im Landkreis Forchheim aus berät der 61-Jährige bäuerliche Familien in Oberfranken und in Teilen Mittelfrankens. Finanzielle Schwierigkeiten, Probleme bei der Hofübergabe oder Nachfolge, Streit zwischen den Generationen über den richtigen Weg für den Betrieb – der Landwirtschaftmeister aus Speikern, der eine Ausbildung zum systemischen Familienberater absolviert hat, ist Betriebswirt, Mediator, Psychologe und Vertrauensmann in einem.
Rund 100 Fälle betreuen Kroder und seine Mitarbeiter aktuell. Die Nachfrage steigt seit Jahren. Die Erzdiözese hat deshalb die Beratung, die für die Hilfesuchenden kostenlos ist, stetig ausgebaut. Was 1993 als befristetes Projekt begann, ist heute eine Institution. Mittlweile haben auch die anderen Diözesen in Bayern nachgezogen.
Dass sich bäuerliche Familien eher bei der Kirche Hilfe holen, als woanders, sei nachvollziehbar, meint Kroder: „Es dauert meist lange, bis die Betroffenen überhaupt tätig werden. Da erdrücken die Probleme oft schon. Den Weg zu einem Verband oder in die Schuldnerberatung schaffen viele nicht. Der Weg zu uns ist da gefühlt einfacher.“
Selten ist es ein Thema allein, das es für Fritz Kroder und sein Team zu lösen gilt. Betrieb und Familie sind in der Landwirtschaft traditionell eines. „Wenn es wirtschaftliche Probleme gibt, belasten sie immer auch die Familie und die Partnerschaft“, weiß Kroder. Oft seien es auch Konflikte innerhalb der Familien, die seit Jahrzehnten gefestigt sind. „Wenn wir kommen, bricht das alles heraus. Dann erzählen die manchmal das ganze Leben“.
Dabei spielen Generationenkonflikte eine große Rolle. „Das Hauptthema ist Alt und Jung und die verschiedenen Vorstellungen.“ Manche Hofbesitzer, sagt Kroder, könnten nicht los lassen, obwohl der Betrieb längst an die nachfolgende Generation übergeben sei. „Für die bleibt es ihr Hof. Ihr Lebenswerk. Sie hatten nie etwas anderes“. So gebe es etwa Konflikte, weil plötzlich Arbeiten abgegeben werden, oder die Jungen auf Bioproduktion umstellen wollen. „Die Alten haben dann das Gefühl, dass ihre Lebensleistung nicht gewürdigt wird. Die Jungen wollen aber auch ein bisschen leben oder denken, dass sie so wirtschaftlich besser fahren. Ich arbeite dann daran, die verschiedenen Sichtweisen zu vermitteln.“ Sein Job sei es „nach hinten wertzuschätzen und nach vorne eine Vision zu entwickeln, die alle mitnimmt.“
Für die junge Generation sei es oft ein großer Druck, mit den zahlreichen Vorschriften und der Globalisierung der Landwirtschaft standhalten zu müssen, weiß Kroder. „Die fragen sich, wie schaffe ich das, immer größer, immer mehr“. Gleichzeitig seien die Prinzipien des Familienbetriebes fest verankert, „das geht dann oft nicht zusammen“.
Oft werde in den bäuerlichen Familien auch nicht oder zu wenig miteinander geredet. „Das ist das Hauptproblem. Die Kommunikation“. Kritisch wird das dann, wenn der Betrieb wirtschaftlich nicht mehr so rund läuft. Dass Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, werde dann aus Angst oft nicht erzählt. Zwar habe die Zahl der bäuerlichen Schuldner, die in die Landwirtschaftliche Familienberatung kommen, in den letzten Jahren abgenommen. „Aber wir haben schon immer wieder auch harte Fälle.“
„Briefe einfach nicht mehr geöffnet“
Zweimal habe er es erlebt, dass bei Familien auf dem Girokonto 500000 Euro Schulden aufgelaufen waren, „die haben die Briefe einfach nicht mehr geöffnet“. Kroder machte sich gemeinsam mit den Betroffenen auf den Weg zu Ämtern und Banken, entwickelte mit den Klienten einen Betriebsplan, wie es weiter gehen kann. „Man muss dann auch das Thema Verkauf von Hofteilen oder Land ansprechen, auch wenn das für viele ein Tabu ist. Gelegentlich muss der 61-Jährige auch zur Hofaufgabe raten. „Das ist ein harter Weg. Da ist dann das Lebenswerk von Generationen weg. Wir machen dann oft danach noch lange Trauerbewältigung mit den Familien.“
Dass er sich in die Denke seines Klientels einfinden kann, dabei hilft dem 61-Jährigen, dass er selbst aus einem Hof stammt, wie auch die meisten seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter etwas mit Landwirtschaft zu tun haben. „Wir verstehen, wenn ein Bauer sagt, ein Gespräch geht gerade nicht, weil er silieren muss. Das ist nämlich Stress.“
Bis ins 18. Jahrhundert zurück reicht der Stammbaum der Kroders in Speikern. Er selbst bewirtschaftete über viele Jahre den elterlichen Hof mit Milchvieh, reduzierte aber vor Jahren stark und verkaufte auch Teile der Liegenschaften, weil er seiner Tochter nicht die Hypothek eines bäuerlichen Betriebes hinterlassen wollte. „Sie soll den Weg gehen können, den sie selbst einmal möchte“. In der Landwirtschaft ein nicht unbedingt üblicher weg. „Das ist das Thema abgelehnte Hofnachfolge eines, das oft lebenslang mit Schuldgefühlen behaftet ist.“