HERSBRUCKER SCHWEIZ – Erst vor wenigen Tagen hat Ministerpräsident Markus Söder weitere Lockerungsschritte verkündet: Verschiedene Vergnügungen sind damit wieder erlaubt, aber ein für Betroffene oft lebenswichtiger Austausch untereinander bleibt eingeschränkt. Die Gründe sind unklar.
„Es blickt einfach keiner mehr durch und die Regelungen sind für uns nicht mehr nachvollziehbar“, sagt Brigitte Bakalov, Leiterin der Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe im Nürnberger Land. Sie ist ebenso wie der Dachverband „Selbsthilfekoordination Bayern“ (Seko) enttäuscht, „weil das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege zur momentan festgelegten Personenzahl von fünf ausschließlich geimpfte und genesene Gruppenmitglieder zusätzlich erlaubt – und das auch nur, wenn die Selbsthilfegruppen medizinisch notwendig sind“, wie die Seko-Pressemeldung erklärt.
Aber was genau ist „medizinisch notwendig“? Für Bakalov und ihre Kollegen zählen dazu auch Sucht- und Schmerzgruppen sowie psychische Belange. „Wenn man mit anderen zusammen ist, erleichtert einen das und lenkt einen ab. Die Treffen geben den Menschen Halt.“
Das betont auch die Seko: „Selbsthilfegruppen sind eine wichtige Ergänzung des professionellen Gesundheitssystems, das schon in ganz normalen Zeiten oft nicht in der Lage ist, die nötigen Behandlungen und Therapien anzubieten.“ Daher sei das Angebot gerade jetzt in der Krisenzeit noch wichtiger, weil der Druck umso mehr wachse und Unterstützung sowie Entlastung noch notwendiger wären.
Sensibel im Denken
Das alles könnte doch in Form von vorgeschriebenen Negativ-Tests möglich sein, oder? „Das wird vom Ministerium komplett ausgeschlossen“, weiß Bakalov – „unverständlicherweise“. Sie würde für ihre Gruppen die Hand ins Feuer legen, dass sich die Mitglieder an AHA-Regel, Kontaktdatenerfassung etc. halten: „Die sind so sensibilisiert in ihrem Denken, weil sie wissen: Ich muss mich um mich kümmern, sonst macht es keiner.“
Aber scheinbar traut das Gesundheitsministerium genau diese Selbstverantwortlichkeit den Betroffenen nicht zu. Denn in einem Schreiben an die Kontaktstellen steht unter anderem, dass sich sich zehn Personen treffen können, wenn eine medizinische oder therapeutische Fachkraft die Gruppe begleitet, sprich darauf achtet, dass die Vorgaben befolgt werden. „Das widerspricht aber dem Gedanken der Selbsthilfe“, betont Bakalov. Sie findet es einfach nur „schade“, dass „fachkundigen Personen“ – also den Mitgliedern selbst – dieses Vertrauen nicht entgegengebracht wird.
Als weitere Erklärung führt das Ministerium den Vergleich mit der Gastronomie an: Hier besteht eine Testpflicht, wenn an einem Tisch Personen aus mehreren Hausständen sitzen. Erlaubt sind Treffen zwischen zwei Hausständen mit maximal fünf Personen. „Die Testpflicht entbindet nicht von diesen Kontaktbeschränkungen“, fasst Bakalov die politischen Ausführungen zusammen, weshalb sich in der Selbsthilfe nur fünf Menschen plus Geimpfte und Genese treffen dürfen. Wirklich verstehen kann sie sie aber nicht.