NÜRNBERGER LAND – „So schnell und so unkompliziert wie nie in bisher 49 Jahren“ hat der Kreistag den 210,7 Millionen Euro schweren Haushalt verabschiedet, sagt Landrat Armin Kroder – und das einstimmig.
Erfreulich für die 27 Landkreisgemeinden ist die erneute Senkung der Kreisumlage um einen halben Punkt auf jetzt 44,0 Prozent. Unter anderem wegen hoher Investitionen und erstmals seit Jahren gesunkener Schlüsselzuweisungen kommt der scheidende Kreiskämmerer Werner Rapp aber nicht um einen Griff in die Rücklagen und neue Kredite von netto 6,7 Millionen herum.
Die Sitzung habe wegen der coronabedingten Begleitumstände beinahe „etwas Historisches“, sagte Landrat Armin Kroder: Die Fraktions- und Gruppensprecher verzichteten auf ihre üblicherweise „live“ vorgetragenen Statements zu dem Zahlenwerk, gaben diese lediglich schriftlich zu Protokoll. Einzig Werner Rapp durfte zu seiner „Abschlussarbeit“ – der Kämmerer geht im November in Ruhestand – ein paar Worte verlieren.
Dabei spielte Corona erwartungsgemäß die Hauptrolle: Auch wenn es schwierig sei, den weiteren Gang der Pandemie vorauszusehen, habe er „denkbare Entwicklungen eingepreist“, etwa höhere Ansätze für Katastrophenschutz, die IT und zusätzliches Personal am Gesundheitsamt. Als Mahnung schrieb Rapp den Kreisräten ins Stammbuch, sich mittelfristig bei den „konsumtiven“ Ausgaben im Verwaltungsetat – Stichwort: neue kommunalpolitisch gewollte Aufgaben – zu beschränken oder aber die Einnahmen zu erhöhen, sprich die Kreisumlage wieder zu erhöhen. Sonst drohten angesichts des nach wie vor laufenden Sanierungsprogramms an den kreiseigenen Schulen bald zweistellige Kredite.
Signal der Verlässlichkeit
Landrat Kroder nutzt in seiner Rede die Begriffe „Nachhaltigkeit, Stabilität und Zuverlässigkeit“ als rote Fäden – dies sei „in Zeiten, die uns allen eine Menge Frustrationstoleranz abfordern“, zentrale Aufgabe der öffentlichen Hand – und so sende der Haushalt ein „klares Signal für ein großes Stück Normalität und Verlässlichkeit“. Dessen Schwerpunkte sind seit Jahren „zementiert“ und bleiben es auch, ob nun mit den mehr als 33 Millionen für die verschiedenen Bildungsaufgaben (von umfangreichen Schulsanierungen bis hin zu modernen Glasfasernetzen), knapp 49 Millionen Euro für die soziale Sicherung oder die erneut aufgestockten Ausgaben für die Jugendhilfe (rund 15 Millionen).
Daneben lasse der Kreis auch das Thema Nachhaltigkeit nicht aus den Augen – mit seinem Radverkehrskonzept, dem 365-Euro-Ticket für Schüler und Azubis oder als Fairtrade-Landkreis. Unter dem Schlagwort „Stabilität in schwierigen Zeiten“ richtet Kroder den Blick auf zwei Branchen, die der „ewig lange Winter-Shutdown“ an den Rand der Existenz drängt – den Einzelhandel und die Kultur. Trotz „lobenswerter Aktionen wie Click & Collect“ oder des neu entwickelten Heimatgutscheins seien die Läden in den Innenstädten „finanziell ausgehungert“, die Existenz vieler Gastronomen, Soloselbstständiger und Kulturschaffenden hänge am seidenen Faden. Trotz ihres sehr eng begrenzten Spielraums wolle die Kreispolitik hier „tun, was wir können“, verspricht der Landrat.
Digitale Offensive
Die durch die Pandemie deutlich beschleunigte Digitalisierung der Schulen bleibe ein Thema, daneben sollte auch der Einsatz moderner Datentechnik in der Bauverwaltung sowie schnellere Baugenehmigungsverfahren „eruiert und angegangen werden“, fordert Thomas Ritter, Fraktionsvorsitzender der CSU. Der weiter mit 200 000 Euro ausgestattete Bildungsfonds und die deutlich erhöhte Vereinsförderung seien ein wichtiges Signal Richtung Ehrenamt.
Dank guter Steuer- und Umlagekraft müsse der Haushalt nicht mit „Kraftakt in Pandemiezeiten“ überschrieben werden, sagt Robert Ilg, Fraktionssprecher der Freien Wähler. Das werde mit Blick auf die verspäteten finanziellen Folgen wohl erst in den nächsten Jahren der Fall sein, warnt er gleichwohl – ein deutlicher Unterschied zu all jenen, die die Auswirkungen der Corona-Krise schon jetzt deutlich im Geldbeutel spüren. Ebenfalls als Warnung ist wohl die Hoffnung von Hersbrucks Bürgermeister zu verstehen, dass „wir die Mehraufwendungen für das 365-Euro-Ticket dauerhaft stemmen können“.
Warum Kreis statt Klinik
Als starkes Signal zum Gesundheitsstandort Nürnberger Land bezeichnet Ilg den (in der Höhe noch nicht genau feststehenden) Zuschuss für die Geburtshilfestation Lauf, auch wenn es schwer zu erklären sei, warum hier der Landkreis ranmüsse und nicht das Klinikum Nürnberg als Betreiber. Gespannt sei er, ob die Bürger tatsächlich vom digitalen Bauamt profitieren werden.
Gabriele Drechsler, Fraktionssprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, nennt die Senkung der Kreisumlage auf 44,0 Prozent erfreulich, eine noch weitere Senkung wäre aus Sicht ihrer Fraktion aber „verantwortbar“ gewesen. Im aktuellen Haushalt fänden sich viele Anliegen und Ziele der Grünen, etwa die „absolut notwendigen“ Verbesserungen im ÖPNV und der Einsatz zusätzlicher Schulbusse, um das Infektionsrisiko möglichst niedrig zu halten. Auch das Radverkehrskonzept mit seinem „Zehn-Punkte-Plan“ sei nach ihrem Geschmack. Unverständlich sei, dass der Kreisjugendring den von ihm beantragten Zuschuss nicht in voller Höhe bekommen habe, sondern mit 10 000 Euro nur zur Hälfte.
Kein Beschleuniger
Ein Blick in den „Haushalt mit Augenmaß“ zeige, dass sich die durch die Corona-Krise ausgelösten Steuereinbußen erst 2022 bis 2024 massiv im Haushalt niederschlagen werden, sagt SPD-Fraktionssprecherin Andrea Lipka. Schon heuer seien die Schlüsselzuweisungen um 1,3 Millionen Euro gesunken. Als ein Thema, das der SPD besonders am Herz liegt und im Haushalt umgesetzt wird, nennt Lipka das 365-Euro-Ticket. Die Änderung der Bauordnung mit „der 3-Monate-Genehmigungsfiktion“ hält sie für Augenwischerei, sie werde „eher nicht als Beschleuniger wirken“.
Kristine Lütke (FDP) appelliert zum Ende der „fetten Jahre“ an Rapps designierten Nachfolger Michael Oberleiter wie an Landrat Kroder, die Einnahmenseite zu überwachen und darauf zu achten, dass der Freistaat gemäß des Konnexitätsprinzips die durch die Pandemie verursachten Mehrausgaben übernimmt. Um auch künftig finanziell handlungsfähig zu bleiben, empfiehlt sie, die Personalkosten und die Ausgaben im Sozialhaushalt im Blick zu behalten. Angelika Pflaum von der Bunten Liste regt den raschen Ausbau des Radwegenetzes auch an den Rändern des Landkreises sowie des ÖPNV an. Allerdings sei im Haushalt kein Geld für das 2020 im Strukturgutachten geforderte „innovative Konzept zur Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung“ enthalten.
AfD, Linke und ÖDP gaben keine Haushaltsreden zu Protokoll.