Gedenkstein in Frankenalb Klinik

Unvergessen

Bildhauer Joseph Stephan Wurmer (links) erklärt den Anwesenden, darunter Bezirkstagspräsident Richard Bartsch, Dr. Mathias Hartmann von Neuendettelsau, Helmut Nawratil von den Bezirkskliniken, Matthias Honold (Neuendettelsau) und Monika Pöhlmann (von links), welche Gedanken hinter seiner Skultpur stecken. Foto: K. Bub2015/10/Der_Gedenkstein_in_Engelthal.jpg

ENGELTHAL – In der Frankenalb Klinik in Engelthal steht nun ein Gedenkstein, der an eine wenig rühmliche Vergangenheit erinnert: In der NS-Zeit sind rund 100 der insgesamt 431 Pfleglinge des damals noch zur „Diakonissenanstalt Neuendettelsau“ gehörenden Hauses in Vernichtungsanstalten gebracht und dort getötet worden oder schlichtweg verhungert.

„Müssen wir wirklich an diese Grausamkeiten erinnern?“, fragte Helmut Nawratil, Vorsitzender der Bezirkskliniken Mittelfranken, bei der Einweihung des Gedenksteins und lieferte die Antwort gleich mit: „Ja, müssen wir, denn die Geschichte kennt keinen Schlussstrich.“ Psychisch kranke Menschen seien Teil der Gesellschaft und dürften nicht einfach weggesperrt werden, fand Nawratil deutliche Worte.

Der Gedenkstein solle dabei nicht nur an die „grausigen Erlebnisse der Nazi-Zeit“ erinnern, sondern auch Mahnung für die Gegenwart sein, „immer wieder von neuem dafür zu sorgen, dass psychisch kranke Menschen nicht ins Abseits geraten“, so Nawratil weiter. Auch Dr. Mathias Hartmann, Vorsitzender des Direktoriums Neuendettelsau, spann in seiner Rede den Faden von der Vergangenheit zur Gegenwart.

Lange hätten die Verantwortlichen geschwiegen, seit 1980 aber stelle sich die Diakonie Neuendettelsau ihrer Geschichte unter dem NS-Regime. Das sei wichtig, denn „aktuelle Entwicklungen, bedingt durch medizinische Fortschritte im Bereich der Gentechnologie, oder die Diskussion um Sterbehilfe zeigen, dass es manchmal nur ein kleiner Schritt ist, um in diese Richtung zu gehen“, sagte Hartmann. Er zitierte aus einem Artikel der „Welt“ aus diesem Jahr, nach dem neun von zehn Paaren bei Trisomie abtreiben lassen. Es gelte, sich diesen aktuellen Themen zu stellen, auch durch den Umgang mit der eigenen Geschichte. „Erinnerung ist wichtig, sie kann die Zukunft prägen“, betonte Hartmann.

Dass diese Erinnerung überhaupt möglich ist, ist zum großen Teil Monika Pöhlmann zu verdanken. Die ehemalige Leiterin des Ausbildungszentrums in der Frankenalb Klinik hatte vor Jahren zusammen mit Schülern den ersten Anstoß für das Gedenk-Projekt gegeben und dann in mühevoller Kleinarbeit Archive durchkämmt, um zu erforschen, was aus den über 400 Pfleglingen wurde, die einst hier untergebracht waren. Bei ihren Recherchen gewährte ihr auch Matthias Honold, Archivar der Diakonie Neuendettelsau, Einblick in alte Dokumente.

Wie Honold bei der Einweihung erklärte, wurde 1940 neben anderen Heil- und Pflegeanstalten auch die Diakonie Neuendettelsau im Rahmen von Hitlers Euthanasieprogramm und der Aktion „Gnadentod“ angeschrieben, um die dort untergebrachten Personen systematisch zu erfassen. Die Verantwortlichen hätten sich zunächst geweigert, die Meldebögen auszufüllen, woraufhin eine staatliche Kommission in Neuendettelsau anrückte und für das Ausfüllen der Bögen sorgte, nach denen schließlich die Transporte der Pfleglinge in andere Anstalten zusammengestellt wurden.

Wie Pöhlmanns Recherchen ergaben, wurden von den Engelthaler Pfleglingen 194 abtransportiert. 61 davon landeten in den Vernichtungsanstalten Schloss Hartheim und Pirna/Sonnenstein. 40 Pfleglinge verhungerten vermutlich in den anderen Anstalten, in die sie gebracht wurden. 59 starben wahrscheinlich eines natürlichen Todes. Das Schicksal der restlichen 34 ist unklar.

Bezirkstagspräsident Richard Bartsch dankte allen Beteiligten für die Aufarbeitung der Vergangenheit und wies auf die Broschüre hin, die die Bezirkskliniken Mittelfranken dazu herausgegeben haben. Bevor Pfarrer Matthias Binder aus Engelthal und Pfarrer Hermann Plank aus Leinburg ein Gebet sprachen, erläuterte Bildhauer Joseph Stephan Wurmer aus Nürnberg sein Werk.

Für den Stein habe er die Form eines Hauses gewählt, als Symbol für Schutz und Geborgenheit. Mit Eisenkeilen habe er dieses Haus dann in der Mitte gesprengt, um damit den Einschnitt durch die Ermordung der Engelthaler Pfleglinge zu zeigen. Unter dem Stein hindurch fließt auf zwei Seiten ein kleines Rinnsal. Das Wasser umschließe den Riss, die Wunde, und gelte zudem als Quelle des Lebens, so der Künstler.

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