LAUF – Zu viel Bürokratie, zu wenig Personal und zu wenig Geld. Die Krankenhäuser hierzulande sind mittlerweile selbst ernsthaft krank. Und da scheinen auch keine kurzfristigen Finanzspritzen aus Berlin mehr zu helfen. Das zeigte sich jedenfalls bei der Diskussionsveranstaltung „Fünf nach zwölf – Wie sieht es in den Krankenhäusern wirklich aus?“.
Ärzte, Pflegekräfte, Verwaltungsangestellte und auch ein paar Patienten verfolgten aufmerksam die Diskussionsrunde in der Eingangshalle des Laufer Krankenhauses. Dr. Michael Hitzschke von den Krankenhäusern Nürnberger Land schilderte zu Beginn kurz die Misere der Krankenhäuser: Die durchschnittlichen Personalkosten seien von 1994 bis 2012 um rund 64 Prozent gestiegen, die Krankenhausentgelte aber nur um 24 Prozent. Eine jahrelange Unterfinanzierung, die die einzelnen Häuser in die roten Zahlen treibt.
Die Kreisklinik Roth, so erzählte deren Vorstand Werner Rupp, hat wegen dieser Kosten-Erlös-Schere in den vergangenen fünf Jahren 40 Stellen eingebüßt. Die Patientenzahlen aber nehmen zu. „Das geht nicht mehr lange gut“, warnte Helmut Nawratil von den Bezirkskliniken Mittelfranken. Und auch aus dem Publikum meldeten sich etliche zu Wort, um ihrem Ärger Luft zu machen.
„Einen Wust an Zetteln“, den er ausfüllen müsse, beklagte beispielsweise ein Assistenzarzt aus dem Altdorfer Krankenhaus. „Diese Zeit geht zu Lasten der direkten Patientenversorgung“, pflichtete ihm eine Mitarbeiterin der Hersbrucker PsoriSol-Klinik bei. „Es fehlt an Personal“, schimpfte jemand von der Kreisklinik Roth.
Die Einführung eines neuen Abrechnungssystems in der Psychiatrie prangerte ein anderer an. „Unsere Mitarbeiter sind an ihren Grenzen angekommen“, brachte es schließlich jemand von der Engelthaler Frankenalbklinik auf den Punkt.
Kassen mit an den Tisch
33 Krankenhäuser aus Mittelfranken können dem Ganzen nicht mehr standhalten und haben sich deshalb zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen. Unter dem Motto „Es ist fünf nach zwölf“ rufen sie seit Wochen um Hilfe – erst mit einer gemeinsamen Pressekonferenz, dann mit einer groß angelegten T-Shirt-Aktion (wir berichteten).
Die Politik hat zwar diesen Notruf vernommen und pumpt nun für 2013 und 2014 rund 880 Millionen Euro zusätzlich in das System. Bis 2016 sollen insgesamt mehr als eine Milliarde Euro fließen. Ist damit nun alles wieder gut?
„Das ist nicht mal ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Dr. Hartwig Kohl, niedergelassener Facharzt und Bundestagskandidat der Freien Wähler, bei der Diskussionsrunde, die der ehemalige HZ-Redaktionsleiter Walter Grzesiek moderierte. Denn umgerechnet auf das einzelne Krankenhaus bedeutet die Finanzspritze lediglich einen Betrag von geschätzt 180 000 bis 250 000 Euro pro Jahr. „Nicht an den Symptomen herumdoktern, sondern die Krankheit heilen“, empfahl Kohl deshalb.
„Wir brauchen eine Veränderung des gesamten Systems“, sagte auch Michael Groß, Geschäftsführer der Caritas und zugleich SPD-Bezirkstagskandidat. Die übrigen Politiker sahen das ähnlich. Bundestagsabgeordnete Marina Schuster (FDP) möchte das Gesundheitswesen wieder auf eine „verlässliche, zukunftsfähige Basis“ stellen. „Wir sollten gemeinsam überlegen, wie man die Rahmenbedingungen ändern kann“, schlug Birgit Raab von den Grünen vor.
„Die Kassen gehören hier mit an den Tisch“, forderte Norbert Dünkel (CSU). Und Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler (CSU) kam ebenfalls zu dem Schluss, dass eine Systemänderung her muss.
Wie die aussehen könnte, wusste allerdings noch keiner der Diskussionsgäste genau zu sagen. Mortler will für sich zunächst noch mehr Eindrücke an der Basis sammeln und bot an, demnächst in einem Krankenhaus als Praktikantin anzuheuern. Personalbedarf wäre ja genug.
Die Krankenhausproblematik ist bestimmt eine spezielle. Mir fällt auf, dass das Personal regelmäßig mehr Geld fordert, sich dann aber darüber aufregt, dass zuwenig Personal da wäre, um die Arbeit zu erledigen.
Frau MdB Mortler habe ich noch in Erinnerung von ihren antidemokratischen Äußerungen zur Wasserversorgung. Hier setzt sie noch einen drauf: Sie will sich als Praktikantin im Krankenhaus bewerben! Es geht eben immer NOCH dämlicher! Woher will sie als Vollzeitbundestagsabgeordnete denn da noch die Zeit nehmen? Und welche neuen Erkenntnisse würde das bringen? Mortler – am besten mal nichts mehr sagen.
Die Problematik ist nicht speziell. Die Dokumentationspflichten im Gesundheitswesen werden immer mehr ausgeweitet. Auch in Apotheken müssen ellenlange Plausibilitätsprotokolle ausgefüllt werden für angerührte Salben ( Rezepturen ) . Qualitätsmanagement und Zertifizierungen halten die Bürokraten am Leben.
Das Problem mit den Polit-Praktikanten ist leider, dass die Systeme mittlerweile unfassbar komplex geworden sind. Ein Tag kann gar nicht ausreichen, den fachfremden Politikern die Perversion, die sie durch einfältiges fraktionserzwungenes Heben der Hand mitverursacht haben, zu erklären. Good-will finde ich angesichts der Terminkalender unserer MdB anerkennenswert – aber es ist doch nur ein politisches Schaulaufen, mehr leider nicht.
Und um das ganz klar zu machen: Schlechte Vergütung vieler Leistungen im Gesundheitssystem ist ein Problem, das noch zu verschmerzen wäre. Viel bedrückender ist die Tatsache, dass so unendlich viel sinnlose Bürokratie abzuarbeiten ist – in Verbindung mit einer Allmacht der Krankenkassen, die auf Basis vermeintlicher Formfehler dann auch noch organisierte Zechprellerei betreiben, indem sie den Leistungserbringern nicht nur wenig, sondern gar nix zahlen. DAS ist existenzbedrohend, DAS versetzt unserem System den Todesstoß.
„Einen Wust an Zetteln“, den er ausfüllen müsse, beklagte beispielsweise ein Assistenzarzt aus dem Altdorfer Krankenhaus.
Solange man für Privatpatienten jeden noch so kleinen Handschlag – Blutdruckmessen, Injektion geben zu 7 Komma irgendwas Euro, jede einzelne durchgeführte Blutanalyse – natürlich ohne Übergabe und Dokumentation des Ergebnisses gegenüber dem Patienten – und dergleichen mehr – über 5 (!!!) Seiten detailliert auflisten kann, solange scheint es kein wirkliches Problem zu sein, denn da macht man das in einer Detailtiefe, die unglaublich ist, statt einfach auf Pauschalabrechnung auch im Privatbereich zu dringen, um mehr Zeit für die Patienten zu haben.
Doch im Privatpatientenbereich ist es kein Wust, sondern wird gerne erledigt, auch von Assistenzärzten, oder früher durch AiP’ler. Aber wenn ich an Medizinstudenten und AiP’ler zurückdenke aus meiner Zeit des Physikstudiums, dann wundert mich die Einstellung nur sehr wenig.
Ich hätte die gleiche Rechnung auch gezahlt, wenn sie pauschal abgerechnet worden wäre und die Ärzte im Krankenhaus vielleicht 10 Minuten länger pro Tag geredet hätten.
Doch das wäre vermutlich ohnehin nicht der Fall gewesen.
Aber das wäre doch mal ein Ansatz, oder nicht?
„Einen Wust an Zetteln“, den er ausfüllen müsse, beklagte beispielsweise ein Assistenzarzt aus dem Altdorfer Krankenhaus.
Der Mann sollte man Röntgenanlagen entwickeln, dann wüsste er, was Bürokratie und Vorschriften bedeuten 😉