HENFENFELD – Struktur – das ist der Aspekt, der alle Arbeiten von Werner Baur durchzieht, sei es eine Fotografie, eine Zeichnung, Frottage, Skulptur oder Materialbild. Würde man sonst die Werkschau auf Schloss Henfenfeld in all ihrer Vielfalt kaum einem einzelnen Künstler zuordnen, fällt beim näheren Hinsehen doch auf, wie sehr rhythmisch durchsetzte Oberflächen den Eckentaler interessieren.
Da gibt es ein Materialbild aus weiß gekalkter Gaze, auf der verrostete Sägeblattstücke sich wie die Notenlinien einer fremden Musik auf dem Untergrund anordnen. Da gibt es einen roten Schuh, aus dem glatt und weiß eine Flüssigkeit zu quellen scheint: „Auslaufmodell“, wie es Werner Baur selbst betitelt oder die farbliche Umkehr des Märchens vom Aschenbrödel – „Blut ist im Schuh!“.
Da gibt es im Roten Saal Fotografien, auf denen jegliche Struktur wie weggewischt erscheint – die bewusste Unschärfe schafft eine traumähnliche Stimmung und lässt viel Raum für eigene Gedanken. Oder – nahezu tagesaktuell – das Materialbild „Die Gaffer“, auf dem eine schmerzlich verbogene Gabel von stummen und untätigen Gebilden umringt ist. Auch Lehmbilder, Kohlezeichnungen, Druckgraphiken und surreal wirkende Fotomontagen finden sich, Kritik, Ästhetik und Humor in feiner Ausgewogenheit.
Ungebrochene Neugier
Peter Hauenstein, der dem Künstlerkollegen die Laudatio zur Eröffnung hält, deutet die Vielfalt als Anzeichen der ungebrochenen Neugier und Experimentierfreude von Werner Baur. Er hebt die Arbeit „Aus dem Rahmen“ hervor, wo eine gezeichnete Strickleiter aus gekrümmten Nägeln über dem Goldrahmen an der Wand in eine reale Leiter aus verknüpften Nägeln übergeht.
Baur meint zu dieser Arbeit, dass die die zweite Dimension zugunsten der Dritten, die Illusion zugunsten der Realität verlässt: „Ein Rahmen gibt Schutz und Sicherheit, engt aber auch ein und hält fest. Die Darstellung der Leiter gibt mir die Möglichkeit, den Rahmen zu verlassen, die Rahmenbedingungen zu sprengen – aber auch wieder zurückzukommen.“
In vielen Kreisen
Die Entdeckungsreise des Multi-Taskers Werner Baur, der sich im BBK Nürnberg/Mittelfranken, im Kunstverein Erlangen und im Laufer Künstlerkreis engagiert, dürfte weitergehen, auch wenn der Ausstellungstitel „Rücksicht“ eine Art Retrospektive anzudeuten scheint.
Genauso, so überlegt es sich Peter Hauenstein in seiner Rede, könne „Rücksicht“ ja eine Aufforderung sein, sich im Sinne der Achtsamkeit aufmerksam und in Ruhe von den Stimmungen der einzelnen Kunstwerke berühren zu lassen.
Dazu bietet sich dem Besucher bis Ende August jeweils vor den Konzerten der Opernakademie Gelegenheit. Auch eine Besichtigung nach telefonischer Vereinbarung unter 09151/90 87 838 ist möglich.