24 Stunden

Kommunikation im Blindeninstitut in Rückersdorf

Drohnenaufnahme vom Gelände des Instituts.
Drohnenaufnahme vom Gelände des Instituts. | Foto: Erich Malter2024/09/24-Stunden-Blindis-Beitragsbild.jpg

„Wenn ich mit den Kindern in Kommunikation trete, geht mir das Herz auf.“

Brigitte Maurer, Sozialpädagogin

Selbstbestimmung und Teilhabe sind Kernkompetenzen

„Ich will schaukeln!“ das können viele der Kinder, die im Blindeninstitut in Rückersdorf sind, nicht einfach mit Worten ausdrücken. Ihre Blindheit oder Sehbehinderung führt zusätzlich dazu, dass sie Gesten und Mimik nicht oder nur sehr vage wahrnehmen können. „Wir können durch andere Möglichkeiten miteinander kommunizieren,“ erklärt Brigitte Maurer, die bereits seit 23 Jahren in Rückersdorf ist und als Sonderpädagogin unter anderem die Aufgabe der Koordinatorin für Unterstützte Kommunikation übernimmt.

Ihre Kollegin Leonie Korte, die seit einem Jahr als Sonderpädagogin im Schulteam ist, zeigt Materialien, mit denen selbst Kinder mit Taubblindheit beispielsweise den Wunsch zu schaukeln ausdrücken können. So symbolisiert eine Kette, die ertastet werden kann, die Schaukel. Eine Schwimmnudel verdeutlicht, dass die Kinder nun im hauseigenen Hallenbad schwimmen gehen, ein Ball, dass nun Sport gemacht wird, ein Plastiklöffel und Teller, dass es nun Mittagessen gibt. „Wir können durch diese tastbaren Symbole etwas ankündigen, die Kinder können aber auch selbstbestimmt eigene Wünsche äußern,“ so B. Maurer. Selbstbestimmung und Teilhabe gehören zu den Kernkompetenzen des Blindeninstituts. Auf der Homepage wird erklärt: “Wenn die Kinder ihre Wünsche nicht äußern können, fühlen sie sich fremdbestimmt und ihre Bedürfnisse bleiben verborgen. Wenn sie uns nicht verstehen, können sie weniger am sozialen Leben teilhaben und fühlen sich ausgeschlossen. Daher entwickeln wir mit ihnen diese alternativen Formen der Kommunikation. Das erfordert viel Vertrauen, Geduld und Aufmerksamkeit.“ L. Korte gefällt es, dass sie sich in ihrer Tätigkeit sehr individuell und kreativ einbringen kann. „Ich überlege, wofür das Kind sich interessieren könnte und wie ich ihm Stück für Stück etwas von der Welt zeigen kann.“

Für jedes Kind das geeignete Kommunikationsmitte

Mit Hilfe einer Sprachausgabetaste berichtet ein Schüler seiner Lehrerin Brigitte Maurer von den Erlebnissen des gestrigen Nachmittags. So entsteht ein Dialog. | Foto: Blindeninstitut2024/09/24-Stunden-Blindis-Sprachausgabegeraet.jpg

Einige Kinder haben auch ein eigenes Regal, aus dem sie beispielsweise einen Ball herausnehmen und so selbst zeigen, was sie nun machen oder worüber sie kommunizieren möchten. Neben den tastbaren Symbolen kommunizieren die Kinder und Jugendlichen über Symbolkarten des Kommunikationssystems „Metacom©“. Hier gibt es für mehrere tausend Wörter feststehende Bildsymbole. Darüber hinaus existiert eine Vielzahl anderer Kommunikationsmöglichkeiten, um wirklich für jedes Kind das geeignete Medium zu finden. Dies können Gesten mit den eigenen Händen sein, Gebärden, aber auch elektronische Hilfsmittel. „Wir verwenden Funktionen auf iPads, die durch Töne und Graphiken Kommunikation ermöglichen,“ zeigt B. Maurer und spricht im Anschluss auf ein weiteres interaktives Hilfsmittel: ein kleines elektrisches Gerät mit einer sprechenden Taste. „Damit können wir auch die Eltern miteinbinden. Sie erfahren, was ihr Kind in der Schule macht, und wir erfahren, was das Kind daheim macht.“ Denn wie jedes Schulkind möchten die Kinder im Blinden­institut morgens erzählen, was sie am Vortag zu Hause erlebten und die Eltern freuen sich am Abend darüber, von den Erfahrungen der Kinder in der Schule zu hören. „Wir erkennen an der Mimik und Gestik der Kinder, wie sehr sie sich freuen, wenn wir diese Talker abspielen,“ sagt B. Maurer. „Wir können dabei auch Pausen machen und uns über das Gehörte austauschen.“ Eine weitere Möglichkeit, mit den Eltern über das Erlebte des Kindes zu kommunizieren sind Elternhefte, in denen aufgeschrieben wird, was sich im Kindergarten- oder am Schultag ereignete. Diese Hefte verfügen außerdem über Symbole, beispielsweise für Essen und Trinken, Ballspielen, Schwimmen. Dadurch können auch Eltern, die nicht gut Deutsch sprechen, erfahren, wie ihr Kind den Tag verbracht hat.

Den Eltern und Bezugspersonen werden zahlreiche weitere Informationen und Unterstützung für einen gelingenden Alltag angeboten. „Beispielsweise können über die sogenannten „Kontaktil-Videos“, die im Blindeninstitut Würzburg entwickelt wurden, Grundlagen der Gebärdensprache erlernt werden. Wichtig für die Kommunikation mit den Kindern sind immer Vertrauen und gut funktionierende Beziehungen. „Dies ist daheim und hier bei uns von großer Bedeutung,“ erklärt Brigitte Maurer. „Entscheidend sind Zeit, Geduld und viele Wiederholungen von gleichen Abläufen. Das schafft Struktur und Sicherheit

Das Erlernen der Punktschrift | Foto: Blindeninstitut2024/09/24-Stunden-Blindis-Dachsberg_Images_182.jpg

Alles geschieht im Tempo des Kindes

Im Blindeninstitut in Rückersdorf gibt es die schulvorbereitende Einrichtung, die Schule am Dachsberg und die Berufsschule, in der auch Praktika in Werkstätten gemacht werden. Wie für jedes Kind in Bayern gilt eine Schulpflicht mit 12 Schuljahren, abgestimmt auf die besonderen Bedürfnisse und Lebenssituation der Kinder. Es gibt einen Lehrplan mit Förderzielen für die geistige Entwicklung. Dazu gehört es beispielsweise Elemente wie Wasser oder Erde kennenzulernen, Lebensmittel zu erkunden, lebenspraktische Erfahrungen zu machen. Einige Kinder erlernen auch die Brailleschrift (Blinden-Tastschrift). „Alles geschieht in dem Tempo, das für das Kind passt. Niemand wird zu etwas gezwungen, und es werden neben der Mittagspause auch individuelle Pausen gemacht,“ erklärt Brigitte Maurer. Besonders beliebt dafür ist der sogenannte „Snoezelenraum“. Snoezelen ist eine Mischung aus den niederländischen Worten „schnüffeln“ und „dösen‘‘. In diesem Raum sorgt das spezielle Ambiente aus sanftem Licht, angenehmen Düften und beruhigenden Tönen für Entspannung und Ruhe.
Was gefällt Brigitte Maurer und Leonie Korte besonders an ihrer Aufgabe? „Wenn ich mit den Kindern in Kommunikation trete, egal auf welche Art und Weise. Mir geht das Herz auf, wenn die Kinder mit mir Spaß haben,“ sagt Brigitte Maurer und ihre Kollegin ergänzt: „Ein Tag an dem ein Kind, das normalerweise sehr in sich gekehrt ist, lächelt – das ist so wunderbar!

Iris Lederer

INFO

Blindeninstitut Rückersdorf
Schule am Dachsberg

Begleitung von blinden und sehbehinderten Menschen mit weiteren zum Teil komplexen Behinderungen durch ihr Leben. Unterstützungsangebote: von kurz nach der Geburt bis ins junge Erwachsenenalter.

Dachsbergweg 1
90607 Rückersdorf
Tel.: 0911 9577-0
www.blindeninstitut.de

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