NÜRNBERGER LAND – Das Nürnberger Land schiebt ordentlich Überstunden: Rund zwei Millionen Stunden haben Beschäftigte im vergangenen Jahr im Nürnberger Land zusätzlich gearbeitet. Davon rund 1,1 Millionen Überstunden zum Nulltarif – ohne Bezahlung. Das geht aus dem Arbeitszeit-Monitor hervor, den das Pestel-Institut im Auftrag der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) gemacht hat.
Allein in Hotels und Gaststätten im Landkreis leisteten Köche, Kellnerinnen, Barkeeper & Co. im vergangenen Jahr demnach rund 32.000 Überstunden. Das hat das Pestel-Institut auf Basis einer Auswertung der Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Die Wissenschaftler haben dabei für das Nürnberger Land bundesweite Durchschnittswerte von Arbeitszeiten in der Gastronomie herangezogen. Demnach waren 53 Prozent aller im Landkreis geleisteten Überstunden in Hotels, Restaurants, Gaststätten und Biergärten unbezahlt.
Die Gewerkschaft warnt: Der Überstundenberg im Nürnberger Land dürfte demnächst noch größer werden. Grund seien Pläne der Bundesregierung, die Arbeitszeit neu zu regeln: „Schwarz-Rot will eine wöchentliche Höchstarbeitszeit und den Acht-Stunden-Tag abschaffen. Betriebe könnten von ihren Beschäftigten dann verlangen, auch zehn, elf oder in der Spitze sogar zwölf Stunden und 15 Minuten pro Tag zu arbeiten“, sagt Regina Schleser von der NGG Nürnberg-Fürth.
Die NGG Nürnberg-Fürth schlägt Alarm: Schon jetzt betrage die maximale Arbeitszeit 48 Stunden pro Woche. In der Spitze seien sogar 60-Stunden-Wochen möglich. „Das sind Extrem-Arbeitswochen. Selbst wenn so Hammer-Wochen innerhalb eines Vierteljahres ausgeglichen werden müssen. Doch noch schlimmer wird es, wenn die Bundesregierung jetzt tatsächlich ans Arbeitszeitgesetz Hand anlegt und den Acht-Stunden-Tag kippt. Dann würde nämlich nur noch das europäische Recht ein Wochen-Limit für die Arbeitszeit setzen. Und das wäre brutal: Arbeitgeber könnten ihre Beschäftigten dann sogar zu 73,5-Stunden-Wochen verdonnern – nämlich zu sechs Tagen à zwölf Stunden und 15 Minuten im Job. Das wäre fast das doppelte Wochen-Pensum von heute – und damit Arbeitszeit-Stretching pur“, so Schleser.
„Macht Menschen fix und fertig“
Die Geschäftsführerin der NGG Nürnberg-Fürth macht ihrem Ärger Luft: „Viele Arbeitgeber im Nürnberger Land würden das hemmungslos ausnutzen. Es drohen dann völlig überladene Arbeitswochen, bei denen man die Stunden, in denen man nicht schläft, fast komplett im Job oder auf dem Weg zur Arbeit verbringt. Das macht Menschen dann aber fix und fertig. Außerdem würde dabei ein Riesenberg an Überstunden auflaufen. Und ans Abfeiern der Überstunden ist sowieso nicht zu denken – bei dem Fachkräftemangel, der eigentlich überall herrscht.“
Die Geschäftsführerin der NGG verweist zudem auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wer die Familie, den Beruf und die Pflege von Angehörigen unter einen Hut bringen müsse, brauche vor allem eines – planbare und verlässliche Arbeitszeiten. Und die müssten auch zu den Betreuungszeiten von der Kita und vom Hort passen. Längere Arbeitstage verschärfen ihrer Meinung nach die Probleme und verhindern eine gerechte Verteilung von Erwerbsarbeit, Kinderbetreuung und Pflege. Durch längere Arbeitszeiten werde nur „das Alleinverdienermodell gestärkt“.
Vor allem Frauen in Teilzeit
Die NGG nennt dazu auch Zahlen: So werden aktuell 66 Prozent aller Teilzeit-Jobs im Nürnberger Land von Frauen gemacht. Die Gewerkschaft beruft sich dabei auf Angaben der Arbeitsagentur. Schleser appelliert daher an die Bundestagsabgeordneten aus dem Nürnberger Land und der Region, dem „Herumschrauben am Arbeitszeitgesetz in Berlin einen Riegel vorzuschieben“. Schon jetzt seien flexible Arbeitszeiten im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes und durch Tarifverträge, die die NGG abgeschlossen habe, für viele Beschäftigte Alltag. „Noch mehr Flexibilität ist gar nicht nötig“, so Schleser.