HERSBRUCK – Weil er sich partout keinen Fahrfehler eingestehen wollte, stand ein 50-jähriger Neuhauser vor dem Hersbrucker Amtsgericht. Da er einen Strafbefehl der Staatsanwaltschaft nicht akzeptieren wollte und es zur Gerichtsverhandlung kam, wird es für ihn nun richtig teuer.
Für die Staatsanwältin ist der Fall klar: Als der Angeklagte an einem Aprilabend im vergangenen Jahr mit seinem Dacia von Neuhaus Richtung Krottensee fuhr, war er seinem Hintermann nicht schnell genug. Als der in seinem Audi Gas gab, um den Angeklagten zu überholen, zog der Dacia-Fahrer nach links, touchierte den Audi, der daraufhin ins Bankett ausweichen musste. Der Zusammenstoß verkratzte und verbeulte die komplette rechte Seite des Audi, richtete knapp 6000 Euro Schaden an. So steht es in der Anklageschrift.
Der Angeklagte sieht das freilich anders: „Schaut euch doch mal mein Auto gescheit an!“, brüllt er regelrecht in den Sitzungssaal. Er behauptet, einen Aufprall an seinem Fahrzeugheck gespürt zu haben, anschließend habe ihm sein Unfallgegner die komplette linke Seite aufgerissen. Schuld am Unfall sei er nicht gewesen.
„Mit dir rede ich nicht!“
Der 89-jährige Fahrer des Audi schildert die Situation wie die Anklageschrift. Nach dem Zusammenstoß habe er an einer Einmündung zu einem Feldweg angehalten, um mit dem Angeklagten Personalien und Versicherungsdaten auszutauschen. Der habe ihm jedoch nur „Mit dir rede ich nicht!“ entgegengeblafft. Auf Nachfrage des Sachverständigen gibt der Geschädigte an, dass er etwa 10-15 Meter hinter dem Dacia zum Start des Überholvorgangs ausgeschert und nicht auf das Auto des Angeklagten aufgefahren sei.
Eine Zeugin fügt an, dass der Audi-Fahrer sogar vorschriftsgemäß geblinkt hat. Sie habe das Geschehen gut beobachten können, da sie sich zum Unfallzeitpunkt an der Meilkapelle den Sonnenuntergang habe ansehen wollen und unerwartet Zeugin wurde. Auch sie bestätigt, dass der Angeklagte sehr unfreundlich geworden sei und gar ein gewisses Platzhirschverhalten an den Tag gelegt habe: „Mich überholt hier keiner“, soll er im Beisein der Frau und ihres Ehemannes gesagt haben.
Der Gutachter kann die Version des Angeklagten aus seinen Erkenntnissen nicht ableiten. Vielmehr sprächen Kontakt- und Reifenspuren an der linken Seite des Dacia für das Abdriften des Neuhausers.
In einer Computeranimation rekonstruiert der Experte den Fahrweg der beiden Autos und legt damit dar, dass der 50-Jährige ohnehin zu weit links unterwegs war – auf der Straße ist keine Mittellinie eingezeichnet, weshalb es durchaus vorkommen könne, dass Autofahrer unbewusst weiter links fahren, als sie es bei vorhandener Mittellinie täten.
Zu hohes Tempo
Der Verteidiger hakt beim Gutachter nach, ob der Audi-Fahrer den Unfall durch eine Vollbremsung hätte vermeiden können. Das wäre bei den Geschwindigkeiten der beiden Autos keine Option gewesen: Der Angeklagte war laut Anklageschrift mit etwa 55 km/h und der Audi-Fahrer mit einem Tempo zwischen 70 und 80 km/h unterwegs. Laut Gutachter wäre es bei einer sofort eingeleiteten Vollbremsung höchstwahrscheinlich zum Zusammenstoß gekommen.
Die Staatsanwältin sieht die Anklage bestätigt. Aufgrund des Gutachtens sieht sie keinen Anlass, warum der 89-Jährige seinen Überholvorgang hätte abbrechen sollen – die Straße sei breit genug für das Manöver. Da sie auch die Zeugin für glaubwürdig hält, plädiert sie dafür, den nicht vorbestraften Angeklagten wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und versuchter Nötigung schuldig zu sprechen. Sie glaubt, dass der 50-Jährige mit voller Absicht versucht hat, den Audi von der Straße zu drängen, weil er nicht überholt werden wollte. Sie fordert eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 30 Euro und einen dreimonatigen Führerscheinentzug.
Anwalt: „Bremsen!“
Der Verteidiger beantragt dagegen, seinen Mandanten freizusprechen. Seiner Ansicht nach hätte der Audi-Fahrer erkennen müssen, dass die Straße für ein Überholmanöver nicht breit genug sei. Da auf dem Straßenabschnitt keine Mittellinie verzeichnet ist, sei nur logisch, dass man dort unbewusst etwas mittiger fahre. Von einem vorsätzlichen Abdrängen könne keine Rede sein.
Richter Klaus Schuberth folgt der Staatsanwältin und verurteilt den Neuhauser zu 100 Tagessätzen à 30 Euro und entzieht ihm für drei Monate den Führerschein. Der 50-Jährige habe nicht nur einen Schaden verursacht, der bei Akzeptanz des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft als Unfall nach einem Fahrfehler gewertet worden wäre. Er sei „auch noch so dumm“ gewesen, in eine „aussichtslose Gerichtsverhandlung zu ziehen, die sein vorsätzliches Handeln bewiesen hat“.