Tod eines KZ-Überlebenden

Ljubiša Letic ist tot

Ljubiša Letic 2012 vor den Happurger Doggerstollen. Foto: U. Meckler2014/06/5_2_1_2_20140601_LETIC.jpg

HERSBRUCK/NOVI SAD — Ljubiša Letic, einer der letzten Überlebenden des KZ Hersbruck, ist tot. Er starb vergangenen Freitag mit 88 Jahren in Novi Sad. In Erinnerung ist vielen sicherlich sein Besuch 2012 in Hersbruck, wo er nicht nur seinen Zeitzeugenbericht „…nur wir Betroffenen wissen, durch welche Hölle wir gegangen sind“ vorstellte, sondern auch den Happurger Doggerstollen aufsuchte, wo er einst unter der NS-Schreckensherrschaft schuften musste.

Mit gerade einmal 19 Jahren kommt Ljubiša Letic ins KZ Flossenbürg. Aufgewachsen ist er auf einem Bauernhof in Lok. Als 1942 ungarische Truppen das Gebiet besetzen und Ljubišas Vater töten, schließt sich der junge Mann dem örtlichen Widerstand an, wird aber 1944 festgenommen und nach Flossenbürg überstellt. Noch im selben Jahr kommt er ins Außenlager nach Hersbruck, wo er unter anderem im Stollenbau eingesetzt ist.

Was er hier im KZ alles erleben muss, schildert er in seinem Zeitzeugenbericht: „Im Lager wurde es allgemein katastrophaler. Es gab kaum noch etwas zu essen. Es war schrecklich zu beobachten, wie wir uns wie die wilden Tiere auf jedes Stück Brot stürzten und rauften, die Stärkeren verprügelten die Schwächeren, um etwas Essbares zu ergattern. In solchen Situationen hört der Mensch auf, Mensch zu sein, um eventuell nur einen Tag länger am Leben zu bleiben. Einfach grausam.“

Als die SS das Lager 1945 räumt und die Insassen nach Dachau bringen lässt, ist Letic bei diesem so genannten „Todesmarsch“ dabei. „Unterwegs gab es nichts zu essen. Wir aßen Gras und als Fleisch gab es Schnecken, die wir mit dem Löffel aus dem Schneckenhaus zogen und lebendig und glitschig verschlangen. Sie schmeckten ekelhaft, aber wir mussten es tun, um einigermaßen bei Kräften zu bleiben“, schreibt er in seinem Bericht.

Doch die Kolonne erreicht Dachau nicht mehr. In Schmidmühlen lässt die SS die Gruppe zurück. US-Soldaten befreien die rund 200 völlig entkräfteten Häftlinge, darunter Ljubiša Letic. Keine 40 Kilo wiegt der damals 19-Jährige. Ein Amerikaner steckt ihm ein Stück Brot in den Mund. Letic schießen die Tränen in die Augen.

Mehrmals besucht Ljubiša Letic, der nach diesen schrecklichen Erlebnissen wieder nach Jugoslawien zurückkehrt, dort Lkw-Fahrer wird und heiratet, in den vergangenen Jahren Deutschland. Er erzählt seine Geschichte, spricht mit Schülern und sucht die Orte auf, wo er seine schlimmsten Stunden erlebte.

„Erinnern wir uns an ihn als den Mann, der er war: ein großzügiger, freundlicher Mensch, liebender Vater und Großvater, ein Mann, der in seinen einfachen Möglichkeiten, die Botschaft von Frieden und bedingungsloser Liebe unter den Menschen verbreitete“, schreibt zum Beispiel Miroslav Schlossberger, der Letic bei seinen Besuchen in Flossenbürg und Hersbruck immer betreute. Und die Dokumentationsstätte KZ Hersbruck schreibt in ihrer Traueranzeige: „Mit ihm verlieren wir einen lieben Menschen, der trotz seines schweren Schicksals immer für Versöhnung eingetreten ist.“

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