ENGELTHAL – Mit Tabletten die Stimmung heben? Kann das ein Weg aus der Krise sein oder führt es jene Menschen, denen es ohnehin nicht gut geht, gleich ins nächste Problem, nämlich in die Abhängigkeit? Professor Thomas Kraus, Chefarzt der Frankenalb-Klinik, referierte bei den Engelthaler Gesprächen über Sinn und Zweck von Psychopharmaka.
Bevor es tiefer in die Materie ging, stand ein kleiner Ausflug in die Biologie an. Chefarzt Thomas Kraus erklärte, wie Nervenzellen aufgebaut sind und untereinander in Verbindung treten. Zwischen zwei Nervenzellen, im sogenannten synaptischen Spalt, sind Botenstoffe (Neurotransmitter) aktiv, etwa das Glückshormon Serotonin, Dopamin oder Noradrenalin. Diese Stoffe übertragen die Informationen von einer Nervenzelle zur anderen.
Leidet ein Mensch nun beispielsweise an einer Depression, so ist die Übertragung zwischen den Nervenzellen gestört. Bestimmte Hirnareale lägen dann regelrecht in einem Winterschlaf, so Kraus. Eine derartige neurobiologische Störung könnte zum einen durch psychische Faktoren ausgelöst werden — Stress, Scheidung, Ärger im Beruf. Oder aber durch somatische Faktoren wie Folgen von Operationen und Medikamenten.
Gehirn stimulieren
Die Nervenzellen ließen sich aber wieder aus ihrem Winterschlaf holen, zum Beispiel durch geeignete Psychopharmaka, erklärte Kraus. Die Medikamente könnten die Nervenzellen aktivieren und stimulieren, sie gleichsam aufwecken. Das aber brauche Zeit. Mindestens 14 Tage, bis eine erste Wirkung spürbar sei, betonte der Chefarzt.
Dank moderner Medikamente sei es heutzutage auch möglich, das Gehirn punktgenau zu stimulieren. Dabei war die Entdeckung der Psychopharmaka reiner Zufall. 1952 zeigte sich, dass Chlorpromazin, das als Antihistaminikum gedacht war, also gegen Allergien wirken sollte, die Patienten auch beruhigte. Der Grundstein für Psychopharmaka war damit gelegt.
Dennoch: Die Substanzen sind nicht ohne Nebenwirkungen, betonte Professor Kraus. Manche könnten abhängig machen, andere den Appetit anregen. Wäre es dann aber nicht sinnvoller, rein auf Psychotherapie zu setzen und die Tabletten wegzulassen? Studien zeigten, so der Chefarzt der Frankenalb-Klinik, dass am erfolgversprechendsten eine Kombination von beidem sei.
Oftmals müsse der Patient erst mit Medikamenten so weit stabilisiert werden, dass eine Psychotherapie mit ihm möglich ist. Nicht außer Acht lassen sollte der behandelnde Arzt oder Therapeut bei all dem den Willen des Kranken. „Das, was der Patient will, wird letztendlich auch besser wirken“, sagte Kraus.
Gesunden Menschen aber, die sich die Wirkung von Antidepressiva zunutze machen wollen, um sich aufzupuschen und ihre Leistungsfähigkeit zu steigern, nahm der Chefarzt allerdings den Wind aus den Segeln: „Das bringt gar nichts. Bei Gesunden schlagen nur die Nebenwirkungen durch, zu einer Leistungssteigerung führt es nicht.“