Altdorfer AfD-Mann Ralph Müller

Die Provokation wird zum Alltag

Er hält Angela Merkel für eine "Stasi- und Schnüffelkanzlerin": Ralph Müller, AfD-Abgeordneter aus Altdorf.
Er hält Angela Merkel für eine "Stasi- und Schnüffelkanzlerin": Ralph Müller, AfD-Abgeordneter aus Altdorf. | Foto: Blinten/Bote-Archiv2019/05/ralf-muller-afd.jpg

ALTDORF/MÜNCHEN. Als „Stasi- und Schnüffelkanzlerin“ hat der Altdorfer AfD-Abgeordnete Ralph Müller Angela Merkel bezeichnet – und dafür eine Rüge des Landtagspräsidiums kassiert. Doch an seiner Rhetorik hält der meist streng gescheitelte Zahnarzt, der durch seine extravaganten Anzüge auffällt, fest. Die Entgleisungen aus der AfD-Fraktion bringen die Gremien des Landtags und die anderen Parteien an ihre Grenzen.

Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) und ihre Kollegen machten sich „zum willfährigen Handlanger des Merkel-Systems“, sie betrieben „politische Zensur“: So tönt Müller in einem schriftlichen Einspruch (PDF), den er Anfang März gegen die Rüge eingelegt hat. Darin heißt es, die „Regierung Merkel und die ihre Macht erhaltenden Stellen der Exekutive“ würden „bei der rechtswidrigen Bekämpfung der AfD durchaus die Methoden eines Stasi- und Schnüffelstaates für sich nutzen“.

Der Ältestenrat des Landtags, dem Aigner vorsitzt, hat den Einspruch nun abgewiesen. „Die von Herrn Müller gebrauchten Begriffe liegen nach Ansicht des Ältestenrates jenseits zulässiger zugespitzter oder auch polemischer Kritik und entsprächen nicht der bislang gelebten Debattenkultur im Hohen Haus“, so Zoran Gojic, Pressesprecher des Landtags, zur Pegnitz-Zeitung.

Keine große Rolle scheint dabei gespielt zu haben, dass der Altdorfer AfD-Abgeordnete sogar noch nachgelegt hat. Gojic schreibt dazu: „Behandelt wird der Gegenstand des Einspruchs, nicht die politische Position eines Abgeordneten oder einer Fraktion.“

„Kriminelle Masseninvasion“

Dabei war der Fall nur die Spitze des Eisbergs. In den Plenarprotokollen des Landtags finden sich weitere fragwürdige Äußerungen Müllers. Die Einwanderung nach Deutschland bezeichnete er als „kriminelle Masseninvasion“. In der Debatte um die Enteigung von Wohnraum sprach der 56-Jährige von einer „neu zusammengescharte(n) Nomenklatura von sozialistischen Gesinnungstätern“, die sich anschicke, „Privat- in Volkseigentum zu überführen“.

Die von Müller verwendeten Begriffe – wie „Regime“ oder „System“ für die Bundesregierung – hält Thomas Witzgall, der für das SPD-Projekt Endstation Rechts die rechte Szene im Freistaat beobachtet, für normalen Sprachgebrauch in der AfD: „So reden die. Das ist die übliche Sichtweise auf andere Parteien, die jahrelang aufgebaut wurde.“ Ihre Einordnung teile die AfD mit Gruppierungen, die noch weiter rechts stünden.

Norbert Dünkel (CSU), direkt gewählter Abgeordneter und damit neben dem über die AfD-Liste erfolgreichen Müller einer von zwei Volksvertretern aus dem Nürnberger Land im Landtag, hat beobachtet, dass eine ganze Reihe von AfD-Abgeordneten „nicht einmal, sondern mehrmals während der Plenarsitzung“ stören. Redebeiträge würden „ständig und wiederkehrend in nicht hinnehmbarer Weise unterbrochen durch laute pöbelnde Zwischenrufe, Geschrei und Anfeindungen“.

Dünkel (CSU) begrüßt Rüge

Dünkel glaubt, dass Anfeindungen gegen die Kanzlerin oder Provokationen gegen Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, dem Ansehen des Parlaments und des Freistaats schadeten. Er begrüße das Einschreiten des Landtagspräsidiums, sagt er.

Müller war unter jenen Abgeordneten, die das Plenum verließen, als Knobloch im Januar während einer Holocaust-Gedenkstunde die AfD kritisierte. Für einen rechten Hardliner hält ihn Witzgall von Endstation Rechts allerdings trotz solcher Indizien nicht: „Sein Themenbereich ist die Wirtschaftspolitik, da gibt er den knallharten Neoliberalen.“ Das passe schlecht zu jenem Teil der AfD, der völkische Positionen vertrete.

Die anderen Parteien im Landtag, sagt der Experte für die rechten Szene, müssten erst Routine im Umgang mit der AfD entwickeln. Doch das sei auch eine Gratwanderung: Nutzt man die knappe Redezeit, um die eigenen Positionen darzustellen, oder geht man auf die Pöbeleien ein? Manchmal schafften es Abgeordnete, mit Zwischenfragen „etwas herauszukitzeln“, sagt Witzgall.

Auf diese Weise offenbarte Müller Anfang April, dass er seine Partei in der Nachfolge „großer konservativer, bürgerlicher, rechtsstaatlicher Demokraten“ wie Franz Josef Strauß sehe. Sich selbst attestierte der 56-Jährige, Debatten „ein bisschen im angelsächsischen Demokratiestil“ zu führen, „leidenschaftlich und pointiert“.

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