Erwachsen werden als Schulfach

Von Fertigmachern und Aufbauern

Fachwissen lernen die Jungen und Mädchen an der Schule. Achtsamkeit, den respektvollen Umgang miteinander, kurzum: soziale Kompetenzen vermittelt das Programm Lions Quest. Foto: Fotolia2019/01/Burgthann-LIons-Quest.jpg

ALTDORF/BURGTHANN – Eine eigentümliche Szene: Im Saal des Roten Rosses in Altdorf sitzen 20 Männer und Frauen in kleinen Gruppen zusammen, Geschäftsleute, Banker, Ärzte. Eine Person in der Gruppe erzählt jeweils Urlaubserlebnisse. Die anderen hören zu. Oder besser: Geben nur vor zuzuhören. Sie sind ganz offensichtlich unaufmerksam, schauen nach links und rechts und auf ihr Handy. Ganz schön unhöflich, stellt der oberflächliche Betrachter fest. Im richtigen Leben freilich würden sich die Leute, alle Mitglieder des Altdorfer Lions Clubs, so nie benehmen. Was hier gerade passiert, ist Teil eines Rollenspiels.

Wibke Kleinheyer und Claudia Hofmann sind Gäste bei den Lions. Sie haben die Regeln für das Rollenspiel vorgegeben, für den Teil eines Programms namens Lions Quest, in das sie sich über eine Fortbildung eingearbeitet haben. Diese Fortbildung wiederum hat der Lions Club finanziert und lässt sich nun von Sozialpädagogin Kleinheyer und von Lehrerin Hofmann über deren Unterricht an der Burgthanner Mittelschule informieren.

Rücksichtnahme und Empathie

Das Programm mit dem englischen Titel hat auch einen deutschen Namen: Erwachsen werden. Klingt zwar altbackener als Lions Quest, erklärt aber kurz und knapp, um was es bei dem Unterricht von Hofmann und Kleinheyer eigentlich geht. Die Kinder und Jugendlichen lernen Rücksichtnahme und Empathie, sie lernen, sich selbst realistisch einzuschätzen und Gesprächspartner fair zu behandeln. Sie lernen außerdem den kontrollierten Umgang mit legalen Suchtmitteln und erfahren, welchen Wert Gemeinschaft hat. Kurzum: Der Unterricht von Hofmann und Kleinheyer geht weit über das hinaus, was in der Schule eigentlich Unterricht ist, nämlich das reine Vermitteln von Fachwissen. Lions Quest ist ein Programm zur Vermittlung sozialer Kompetenzen.

Jugendliche machen gern mit

Wie machen die Jugendlichen an der Mittelschule mit? Macht sich bei den pubertierenden Jungen und Mädchen bei solchen Unterrichtsinhalten nicht das große Gähnen breit? Macht es nicht, sagt Hofmann. Die Lehrerin war anfangs selbst erstaunt, wie offen sich ihre Schüler auf das Programm eingelassen haben, seien es die Rollenspiele, oder seien es die Teile des Unterrichts, in denen es darum geht, respektvollen Umgang miteinander zu lernen.

Dr. Thomas Hildebrandt und Judith Bethke (r.) bedankten sich bei Wibke Kleinheyer und Claudia Hofmann für deren Erläuterungen und lobten das Engagement der Sozialpädagogin und der Lehrerin, die in ihrer Freizeit an der Fortbildung für das Programm Lions Quest teilnahmen. Foto: Alex Blinten2019/01/Altdorf-Lions-Quest.jpg

Die Jungen und Mädchen realisieren dabei, dass Gefühle immer Verhalten beeinflussen können. Im Guten wie im Schlechten. Und sie lernen den Wert von Freundschaft kennen und erfahren, dass Freundschaften nichts Selbstverständliches sind, sondern gepflegt werden müssen. Feindschaften dagegen kann man abbauen, wenn man deren Gründe hinterfragt.

In einer Unterrichtseinheit stellen Kleinheyer und Hofmann zusammen mit den Schülern sogenannte Fertigmacher und Aufbauer gegeneinander. Mit welchen Hass-Wörtern attackiert man seine Gegner in der Schule und mit welchen Mutmachern schafft man Gemeinsamkeit? Am Ende sehen die Jugendlichen, was eine gute Gemeinschaft ausmacht – die beste Prävention also gegen Mobbing. „Schickt eine positive Nachricht an jeweils drei eurer Klassenkameraden“, hat Claudia Hofmann die Jungen und Mädchen aufgefordert. Mit dem Ziel, dass am Ende jeder Schüler und jede Schülerin in der Klasse mindestens eine gute Whatsapp-Nachricht auf dem Handy hatte.

Gesundes Selbstvertrauen

Das ist die Basis für ein gesundes Selbstvertrauen. Wer von anderen geschätzt wird und positive Nachrichten erhält, der schätzt sich auch selbst positiv ein. Jugendliche mit einem gesunden Selbstvertrauen wiederum zeigen größeres Interesse am Unterricht, an Schule und Ausbildung.

Wer im Gespräch mit anderen bemerkt, dass die ihm nicht zuhören, zweifelt schnell an sich. Eine Situation, die den Mitgliedern des Lions Clubs während ihres Rollenspiels bewusst wird. „Warum interessiert sich mein Gegenüber nicht für das, was ich da gerade erzähle?“, fragt man sich unwillkürlich, wenn der Gesprächspartner gelangweilt nach seinem Handy greift. Die Jungen und Mädchen lernen bei Claudia Hofmann und Wibke Kleinheyer, dass man genau das nicht tut im Gespräch, dass man zuhört und ein Mindestmaß an Aufmerksamkeit aufbringt.

Das von den Lions bei verschiedenen Veranstaltung erlöste und für die Lions Quest Fortbildung von Hofmann und Kleinheyer zur Verfügung gestellte Geld ist jedenfalls gut angelegt, darin waren sich die Club-Mitglieder am Ende einig. Ein Sonderlob gab es für die Lehrerin und die Sozialpädagogin dafür, dass sie die Fortbildung während ihrer Freizeit am Wochenende machten, engagierte Lehrkräfte also, die die Jungen und Mädchen der Burgthanner Mittelschule beim Erwachsenwerden bestens unterstützen.

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