Reformation in der Hersbrucker Schweiz

„Relativ ruhig“

Die Besinnung auf das Evangelium rückte Dekan Werner Thiessen im Reformationsgottesdienst in den Mittelpunkt. | Foto: A. Pitsch2016/12/7578686.jpeg

HERSBRUCKER SCHWEIZ – Das große Feierjahr anlässlich 500 Jahren Reformation 2017 hat begonnen. Doch was ist Reformation überhaupt? Wirklich eine Kirchenspaltung? Und welche Bedeutung haben das Ereignis, ihr Auslöser Martin Luther und seine 95 Thesen heute noch? Für Dekan Werner Thiessen ist diese Erneuerung der Kirche nicht nur aufgrund des Jubiläums von Bedeutung.

„Die Reformation erinnert uns daran, auf die Ursprünge der Kirche zu blicken“, sagt der Hersbrucker Geistliche, und dafür ist das Evangelium die Grundlage. „Es ist dazu da, uns eine Richtung im Leben zu geben.“ Menschenbild und -würde, Trost und Hoffnung lassen sich darin finden. Doch kann es nur zur vollen Geltung beim Einzelnen kommen, wenn dieser allein darauf vertraut und den Glauben nicht nur als „ein Angebot von vielen auf dem religiösen Markt“ sieht, so Thiessen. Daher ist Martin Luther für ihn der Mahner, nie das Wort Gottes aus den Augen zu verlieren. Es ist „der wahre Schatz der Kirche“, wie in These Nummer 62 steht.

So sind das Evangelium wie auch die Reformation heute noch aktuell. Letztere hat zwar die Missstände wie Ablasshandel beseitigt, aber die Frage nach Gott sei immer noch die gleiche wie damals, meint Thiessen. Das gelte ebenso für die stetige Überprüfung, ob man selbst oder die Gesellschaft auf dem richtigen Weg sei, erklärt der Dekan. Es geht also bei der Reformation nicht darum, gegen jemand, sprich die Katholiken, zu sein – auch wenn das die vergangenen Jahrhunderte so gewesen sei.

Schließlich verfügen beide Kirchen über die gleichen Ursprünge. Von Kirchenspaltung, wie die Reformation auch häufig bezeichnet wird, spricht der Dekan nicht gerne. „Das fragt ja nach einem Schuldigen“, erläutert er, „doch geschuldet war das Ereignis den kirchlichen Umständen“ – und nicht den Glaubensinhalten. Denn in geistlicher Hinsicht sieht Thiessen „sehr geringe“ Unterschiede zwischen evangelischer und katholischer Lehre. Es sind die Strukturen zwischen hierarchisch (kath.) und synodal (von Versammlungen geprägt, ev.), die noch zu verschieden sind.

Gutes Miteinander
In Sachen Ökumene ist nämlich gerade in den vergangenen rund 50 Jahren viel passiert: „Wir haben uns viel aufeinander zubewegt.“ In Hersbruck lobt er das „gute Miteinander“ der Kirchen, das über die Jahre gewachsen ist, was den Dekan sehr freut. Dass das Reformationsjubiläum zum ersten Mal als ein Miteinander gefeiert wird, sieht er als „großen Fortschritt“ an. „Ein Zusammenwachsen der Kirchen wäre meine Vision“, sagt Thiessen, dem bewusst ist, dass das vor allem im Hinblick auf das Abendmahl ein langer Weg ist.

Zumal in der breiten Öffentlichkeit kaum unterschieden wird. Als der katholische Limburger Bischof Tebartz-van Elst mit seinem Protzbau in den Medien landete, traten auch viele aus der evangelischen Kirche in Bayern aus, erzählt Thiessen.

Damals, 1517, gab es weder Zeitung noch Radio. Der Buchdruck war erst erfunden worden. Dennoch verbreitete sich die Reformation wie ein Lauffeuer. Nicht überall lief der Wechsel des Glaubens friedlich ab. In der Hersbrucker Schweiz ging das hingegen „relativ ruhig“ vonstatten. Rasch war der Landstrich, wie generell Franken, evangelisch geworden. Der Grund: Die Gebiete gehörten zur Reichsstadt Nürnberg. Deren Rat beschloss im März 1525 beim „Nürnberger Religionsgespräch“, dass Stadt und Land evangelisch werden sollten. Es erging also die Weisung an die Pfarrer „von der alten Meinung abzustehen und sich an Herrn Dr. Martin Luthers Lehre zu halten“. Daher wurden die hiesigen Gemeinden zwischen 1525 und 1528 überwiegend evangelisch.

Sonderfälle waren Förrenbach, wo die Reformation bereits 1524 eingeführt wurde (als einzige Gemeinde), Vorra, wo sich die Nürnberger Patrizierfamilie Stieber bis 1597 gegen den Wechsel wehrte und diese erst durch die Tetzels erfolgte, und Alfeld: Während der nürnbergische Teil sofort evangelisch war, schloss sich die junge Pfalz 1542 dem neuen Glauben an, wurde aber 1628 durch Kurfürst Maximilian zwangsrekatholisiert. Erst im Zuge der Gleichstellung der beiden Konfessionen durch den Westfälischen Frieden (1648) wurde Alfeld mehrheitlich evangelisch. So verlief die Religionsgrenze nur knapp über 20 Jahre mitten durch den Ort.

Interessant ist, dass die Reformation hier ohne Bilderstürmereien, Plünderungen und Umbenennungen von Gotteshäusern auskam. Daher gibt es heute noch evangelische Marienkirchen in Hersbruck, Happurg, Velden und Vorra. „Die Vergangenheit wurde nicht ausradiert“, bringt es Thiessen auf den Punkt. Das mag damit zusammenhängen, dass sich Luthers Lehre nicht über Gebäude, Denkmäler, Heilige oder Bilder definierte. „Der neue Glauben spiegelt sich im Gottesdienst wider“ – damals wie heute.

Luther war es wichtig, dass die Leute wussten, was sie glaubten. Sie sollten das Evangelium verstehen und kennen, um mit anderen diskutieren zu können. Dieses Streben nach einem Dialog findet der Dekan gerade in der Begegnung mit dem Islam wichtig. Aber es war für Luther „eine große Aufgabe, die Leute zu erreichen“ – und das ist im Jubiläumsjahr nicht anders.

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