MIMBERG – Brandbriefe, Anschuldigungen und Gerüchte sorgen im Rudolf-Scharrer-Heim für Unruhe. Vom Bereichsleiter Pflege hat sich der AWO Kreisverband getrennt. Die Betriebsratsvorsitzende zieht gegen den Arbeitgeber vor Gericht.
Was ist los bei der AWO Nürnberger Land? In einem bereits Ende März verfassten Brandbrief an die Mitglieder des Präsidiums prangern elf Leitungskräfte „unzumutbare Zustände“ an. Es geht um Zuständigkeiten in den Bereichen Personal, EDV und technische Infrastruktur. Um Abhilfe zu schaffen, fordern die Unterzeichner eine Neugestaltung des Vorstands. Zwischenzeitlich hat sich der AWO Kreisverband von seinem Bereichsleiter Pflege, Usamet Abaz, getrennt. Einvernehmlich, wie der Vorstandsvorsitzende Christian Fügl betont. In Abaz sehen die Verantwortlichen bei der AWO den eigentlichen Urheber der Querelen.
Unzufriedener Quertreiber?
Spricht man mit den Funktionsträgern des Kreisverbands, mit Fügl und mit dem AWO-Präsidenten Manfred Neugebauer, dann ergibt sich ein Bild, das Abaz als unzufriedenen Quertreiber zeigt. Mit den übrigen Mitarbeitern sei man auf einer Linie, betonen beide. Was der ehemalige Bereichsleiter Pflege jetzt mit seiner Kritik bezwecken wolle, sei ihnen ein Rätsel. „Wir haben uns von ihm mit einem Aufhebungsvertrag getrennt und wollen jetzt keine schmutzige Wäsche waschen“, sagt Fügl.
Warum getrennt? „Weil der uns den Laden kaputtgemacht hat.“ Kurz und bündig stellt der Vorstandsvorsitzende das in den Raum. Für Unfrieden im Rudolf-Scharrer-Seniorenheim habe der ehemalige Mitarbeiter gesorgt, fügt Neugebauer hinzu, das sei so weit gegangen, dass Mitarbeiterinnen gekündigt hätten. Die Heimleiterin Sandra Hollweck sei von ihm regelrecht gemobbt worden und über Wochen im Krankenstand gewesen. Zurückgekommen sei sie erst, nachdem Abaz die Einrichtung verlassen habe.
Gab es Mobbing? Das weist der ehemalige Bereichsleiter Pflege mit Nachdruck zurück. Er habe lediglich auf Versäumnisse und Defizite hingewiesen, wie es seine Pflicht in seiner Position gewesen sei, erläutert er. Neugebauer hält dagegen: „Abaz hat eigentlich das kritisiert, was zu seinen Aufgaben gehört.“ Vordergründig sieht es so aus, als gäbe es einen Konflikt zwischen Vorstand und Präsidium der AWO Nürnberger Land auf der einen und einem unzufriedenen Ex-Mitarbeiter in ehemals leitender Position auf der anderen Seite. Unzufriedenheit und Frust gibt es aber auch unter Mitarbeitenden.
Die Betriebsratsvorsitzende Nadine Schmidt hat sich schriftlich beim Vorstand des AWO Kreisverbands beschwert, weil eine Kollegin sie um Beistand gebeten hat. Es geht um Gerüchte, die über diese Mitarbeiterin und ihren ehemaligen Vorgesetzten Abaz gestreut worden seien. Schmidt forderte, dass die Situation aufgearbeitet wird, „am besten unter Zuhilfenahme externer, kompetenter Unterstützung.“ Drei Wochen später habe sie Antwort von Fügl bekommen mit dem Hinweis, dass ein Rechtsanwalt eingeschaltet worden sei.
„Wir sind entsetzt“
Innerhalb der Belegschaft brodelte es. 33 Mitarbeitende haben parallel zum Schreiben von Schmidt an den AWO-Vorstand einen in scharfem Ton verfassten Brief an Fügl unterzeichnet, in dem beklagt wird, dass der Vorstandsvorsitzende nicht gegen die oben genannten Gerüchte vorgeht. „Wir sind entsetzt und sagen: Es reicht an unprofessioneller und stümperhafter Führung, an Demütigungen, an Beleidigungen, an Bezichtigungen, an tatenlosem Zusehen, an psychischer Gewalt, an sinnlosem Geplapper, und fordern Sie auf, umgehend zu handeln“, heißt es in dem Brief an Fügl.
Rechtsanwalt eingeschaltet
Die 33 Unterzeichner verweigern in dem Schreiben die Arbeit unter einigen Führungskräften und fordern von Fügl die „Installierung einer Einrichtungsleitung, die den heutigen Herausforderungen gewachsen ist“. Starker Tobak, den der Vorstandsvorsitzende mit einem Juristen besprochen hat. Man habe die Unterzeichner inzwischen angeschrieben und um Konkretisierung der Vorwürfe gebeten, sagt der Vorstandsvorsitzende. „Wir haben aber keine Antworten bekommen.“
Ein großer Teil der Unterzeichner habe sich allerdings zwischenzeitlich von dem Schreiben distanziert. Das steht möglicherweise in unmittelbarem Zusammenhang mit der Einstellung von Gehaltszahlungen, die viele nicht riskieren wollten. Eine Reihe von Krankenpflegerinnen, die Betriebsratsvorsitzende und deren Stellvertreter hatten sich krank gemeldet, woraufhin sie von ihrem Arbeitgeber die Nachricht erhielten, dass es für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit keine Gehaltsfortzahlung mehr geben würde. Wegen der angedrohten Arbeitsverweigerung geht Christian Fügl davon aus, „dass tatsächlich keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt“.
Weitere Artikel zum Thema
Auf eine Nachfrage, wie viele der Krankgemeldeten denn bei der AWO in Mimberg weiter arbeiten würden, reagiert Fügl ungehalten. Hier würden Täter zu Opfern gemacht, sagt er. Die fünf ausgefallenen Kräfte in der Senioreneinrichtung zu ersetzen, sei nicht leicht gewesen, man habe Pflegerinnen aus anderen Heimen mit einsetzen müssen und auch Mitarbeiterinnen vom AWO-Mobil hätten mitgeholfen, die schwierige Situation zu meistern. Das sei hervorragend gelungen, inzwischen sei die Atmosphäre unter den Mitarbeitern wieder sehr gut.
Die Betriebsratsvorsitzende Nadine Schmidt und ihr Stellvertreter Thomas Weißhaupt dagegen beschreiben das Betriebsklima als schwierig.
Der Krankenstand sei zeitweise immens hoch gewesen, Schmidt spricht von über 40 Prozent. Seit 2005 ist sie Mitarbeiterin bei der AWO in Mimberg, seit vier Jahren Betriebsratsvorsitzende. Weißhaupt ist seit zehn Jahren in der Einrichtung tätig. Wie es jetzt weitergeht?
Betriebsräte geben Schlüssel ab
Die beiden wollen nach der Beendigung des Krankenstands wieder in Mimberg weiter arbeiten. Nach so vielen Jahren in der Einrichtung gebe man den Job nicht so einfach auf, sagt Schmidt. Wie das funktionieren kann, ist aber noch völlig offen. Ihre Schlüssel müssen Schmidt und Weißhaupt jedenfalls schon abgeben, nachdem sie nun gegen die AWO vor Gericht ziehen und die Lohnfortzahlung einfordern