Alter Impfschein in Hersbruck

Das Impfen bewegte die Menschen schon immer

Dieser Impfschein befindet sich im Archiv der Altstadtfreunde Hersbruck.
Dieser Impfschein befindet sich im Archiv der Altstadtfreunde Hersbruck. | Foto: privat2021/12/Bild-12-.jpg

HERSBRUCK – Der Wunsch, sich durch Mittelchen oder Ähnliches vor Krankheiten zu schützen, ist alt. Ein Blick in die Impfgeschichte, auch in Hersbruck:

1747 berichtete der französische Philosoph Voltaire, dass die Weiber der kaukasischen Steppenvölker ihren sechs Monate alten Kindern die Blattern einritzen, die sie von dem Körper eines anderen Kindes genommen haben. So schützten sie ihre Kinder vor den Pocken.

Die Pocken sind eine gefährliche Infektionskrankheit, die nach starkem Fieber zu einem Hautausschlag des ganzen Körpers führen. Die schwarzen Pocken enden besonders bei Komplikationen tödlich.

Erst Kuh, dann Menschen

Nun sammelte der englische Arzt Edward Jenner seit 1780 Fälle von Patienten, die an Kuhpocken erkrankt waren und konnte feststellen, dass diese später nie an den Menschenpocken (Blattern) erkrankten.

Daraufhin impfte er 1796 einen achtjährigen Jungen mit dem Inhalt einer Kuhpockenpustel. Als der Junge nach dem leichten Fieber wieder gesund war, riskierte er den entscheidenden Versuch: Er infizierte ihn mit Menschenpocken und der Junge erkrankte nicht. Diese Entdeckung veröffentlichte er 1798 und nannte den Eingriff nach „vacca“ (lat. Kuh) Vakzination.

Premiere in Bayern

Der Arzt J. D. Küttlinger aus Neustadt an der Aisch probierte diese Pockenimpfung bereits 1801 erfolgreich beim Sohn des dortigen Schulleiters Degen aus. Die Impfung verlief erfolgreich.

Bayern führte als erstes Land der Welt bereits am 26. August 1807 die Impfpflicht gegen Pocken ein. Ab 1809 wurden Ärzte bei den Landgerichten angestellt, die diese Aufgabe übernahmen. In Hersbruck war es der Physicus Dr. Panzer, der die ersten Impfungen durchführte (1809 – 1828).

Den hier vorgestellten Schutzpocken-Impfschein stellte Dr. Ritzenthaler aus. Die Familie Ritzenthaler stammte aus dem Großherzogtum Baden. Der Vater war Gutsbesitzer in Hartheim, die Mutter war Anna Apollonia (geb. Thum), die aus Ederheim bei Nördlingen stammte. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie zu ihrem Sohn nach Hersbruck, wo sie 1849 verstarb. Dr. Georg Ritzenthaler war 30 Jahre lang von 1837 bis 1867 königlicher Gerichtsarzt in Hersbruck.

Erst drei Wochen alt

Der Impfling war der drei Wochen alte Säugling Johann Konrad Michael Seitz aus Hersbruck. Die Impfung erfolgte am 6. März 1864 und wurde am 13. Mai 1864 kontrolliert. Diese erfolgreiche Impfung bestätigte der Hersbrucker Bezirksarzt und stellte vor über 150 Jahren den Impfschein aus.

Der Vater war der Knecht Konrad Seitz aus Henneberg, der sich nach Ableistung seines Militärdienstes beim 3. Artillerie Regiment (1855 – 1861) in Hersbruck im Eisenhüttlein 10 niederließ. Dort heiratete er am 1. März 1862 als Bürger und Hausbesitzer bezeichnet Magdalena Merz, eine Bauerstochter aus Herzogwind. Sein Vater, der auch Trauzeuge war, war Michael Seitz, Hirte in Henneberg.

Gesegnetes Alter

Johann Konrad Michael war das erste Kind, das am 17. Februar 1864 (laut Eintrag im Kirchenbuch) geboren wurde. Er wurde am 28. Februar 1864 von Pfarrer Jorns getauft. Sein Taufpate war Johann Seitz, Soldat in Landau. Der Junge besuchte die Volksschule Hersbruck, aus der er an Ostern 1877 entlassen wurde. Er lernte das Flaschnerhandwerk und besuchte in dieser Zeit auch die Sonntagsschule, wie Pfarrer Knoell und Lehrer Lettenmayer mit einem Zeugnis bestätigten. Dann zog er nach Nürnberg und wurde dort Aichmeister. Im hohen Alter von über 80 Jahren verstarb er dort. Die Impfung scheint ihm also nicht geschadet zu haben.

Anders dagegen ging es vielen Menschen in Preußen, die nicht geimpft waren. Als die Soldaten aus dem Feldzug 1870/71 aus Frankreich zurückkehrten, brachten die siegreichen Truppen allerhand Krankheitskeime aus dem Feindesland mit. In Bayern sollen damals nur sieben Personen an den Blattern, dieser gefährlichen Infektionskrankheit, die heute als Pocken bekannt ist, gestorben sein.

In Preußen dagegen, wo man jahrelang um die Nebenwirkungen und Impfschäden diskutiert hatte, sollen über 130 000 Menschen gestorben sein. Nach Gründung des Deutschen Reiches konnte Bismarck unter diesem Eindruck endlich 1874 die Pockenschutzimpfpflicht einführen, und zwar im ganzen deutschen Reich. So konnte diese gefährliche Krankheit immer mehr eingedämmt werden. Aber erst 1972 wurde der letzte Pockenfall in Deutschland registriert. Ein jugoslawischer Gastarbeiter war daran in Hannover erkrankt.

Helmut Süß

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