Mit Willensstärke durch den Fastenmonat Ramadan

Vor dem Essen wird zunächst gemeinsam gebetet. Gastgeberin Servet Mimaroglu (vorne links) hat für ihre Familie und die Gäste an diesem Abend das Mahl zubereitet
Vor dem Essen wird zunächst gemeinsam gebetet. Gastgeberin Servet Mimaroglu (vorne links) hat für ihre Familie und die Gäste an diesem Abend das Mahl zubereitet2011/08/27683_New_1313163664.jpg

LAUF/RÖTHENBACH — „Es ist wie ein Puzzle, man will es unbedingt schaffen“- so beschreibt Cetin Yenilmez, ein muslimischer Friseur aus Lauf, den islamischen Fastenmonat Ramadan. Dieser fällt heuer in die Sommerzeit. Immerhin die Hälfte haben er und die knapp 3000 gläubigen Muslime im Nürnberger Land schon geschafft. Wie sie die Fastenzeit begehen, erzählen Laufer und Röthenbacher Moslems in der PZ.

Alle sitzen auf dem großen Sofa im Wohnzimmer und blicken gespannt auf die Uhr. Die Zeiger stehen auf 20:35. Noch genau 17 Minuten, dann beginnt das festliche Mahl. Über 15 Stunden haben sie nichts gegessen und getrunken. Die Vorfreude ist riesig, die Spannung steigt mit jeder Minute. Dann, endlich ist es 20:52 und die Sonne geht unter. Für heute hat das Fasten bei Familie Mimaroglu ein Ende.

Seit 1. August ist Ramadan, der muslimische Fastenmonat. Tagsüber dürfen die Gläubigen nicht einmal Wasser trinken oder Kaugummi kauen. Rauchen und Geschlechtsverkehr sind in dieser Zeit ebenso untersagt. Der islamische Fastenmonat dauert 29 oder 30 Tage und richtet sich nach dem Mondkalender. Dieser besteht im Gegensatz zu unserem Sonnenkalender nicht aus 365 Tagen, sondern ist rund elf Tage kürzer. „So verschiebt sich Ramadan jedes Jahr um mehrere Tage nach vorne“, erklärt Murat Yontar, der Besitzer eines Laufer Friseursalons.

Beleidigungen sind tabu

Ramadan ist der Letzte der „drei-heiligen-Monate“, in denen religiöse Handlungen besonders belohnt werden. Neben dem Verzicht auf Nahrung gibt es weitere Gebote, die es besonders in dieser Zeit einzuhalten gilt. Es darf über andere Menschen nicht schlecht geredet werden und Beleidigungen sollten sich die Muslime möglichst auch verkneifen.

Außerdem beschäftigen sich die Gläubigen in dieser Zeit intensiver mit dem Koran. Idealerweise wird er einmal von Anfang bis Ende durchgelesen. „Und dann muss jeder mindestens zehn Euro spenden. Ich zahle also für meine Frau, die zwei Kinder und mich mindestens 40 Euro“, erklärt Yontar. Diese Spende nennt sich „Fitre“ und geht an Bedürftige in aller Welt.

Doch woher kommt die Tradition des Ramadan? Grundsätzlich handelt es sich um eine der fünf Säulen des Islam. Die Fastenzeit wird von jedem Moslem jedoch anders interpretiert. Viele beschreiben den Monat als „Zeit des Bewusstseins“ oder „Wartezeit“. Für Yontar und seinen Mitarbeiter Cetin Yenilmez ist es eine Art „Segenszeit“. Eine eindeutige deutsche Übersetzung scheint es nicht zu geben.

Die Gebote während des Ramadans sind dagegen unmissverständlich: Sobald die Sonne aufgeht, dürfen Muslime nichts mehr zu sich nehmen. Nicht einmal ein Schluck Wasser ist laut Koran erlaubt. Kreislaufprobleme und Kopfschmerzen vorprogrammiert – müsste man meinen. Doch dem sei definitiv nicht so, meint Suzan Incili, die Schwägerin von Servet Mimaroglu bei der sich an diesem Abend die ganze Familie mit Freunden und Bekannten zum nächtlichen „Fastenbrechen“ eingefunden hat. „Das ist reine Willensstärke“, ist sich die Familie einig.

Am Tisch herrscht eine überaus herzliche und lockere Atmosphäre. Die Gastgeberin richtet die zubereiteten Speisen um Punkt 20:52 auf der festlich gedeckten Tafel an und verteilt die Suppe, die traditionell das „Fastenbrechen“ einleitet. Doch anstatt sich hungrig auf das Essen zu stürzen, bleiben alle ruhig und besonnen. Der Magen hat sich an das Fasten gewöhnt, außerdem ist es nicht üblich, sich den Bauch vollzuschlagen. Bei Familie Mimaroglu gibt es nur leichte, kalorienarme Speisen, wie mit Hackfleisch gefüllte Auberginen oder gekochten Weizen. Nicht fehlen dürfen natürlich die alkoholfreien Getränke.

Zeit, an andere zu denken

Es gehe im Ramadan nicht ums Schlemmen, man solle eine Lehre daraus ziehen, meint Cetin Yenilmez. Man lerne nichts daraus, wenn man sich nachts den Bauch vollstopfen würde. Diese Zeit sei auch dafür da, um an arme oder hungernde Menschen denken, denen es nicht so gut geht. Er denkt an diejenigen, die nach 15 Stunden im Gegensatz zu ihm immer noch nichts zu Essen haben.

Doch neben all dem leckeren Fleisch (kein Schweinefleisch!), dem gekochten Gemüse und den verschieden Saucen, steht noch etwas anderes auf dem Tisch der Mimaroglus. Ein kleines Schälchen mit getrockneten Früchten, die im Ramadan eine lange Tradition haben: Datteln. „Sie sind eine Art Himmelsfrucht“, erklärt Cetin Yenilmez. Der Prophet Mohammed, der im Übrigen alle drei heiligen Monate gefastet hat, soll im Ramadan nach Sonnenuntergang immer zuerst Datteln gegessen haben.

Dass diese „heilige Frucht“ zur Zeit besonders gern gekauft wird, merkt auch Hakan Yilmaz. Er steht hinter der Kasse seines Obst- und Gemüseladens am Laufer Marktplatz und wartet zurzeit vergeblich auf muslimische Kundschaft. „Viele sind auch im Urlaub“, meint Yilmaz. Nichtsdestotrotz bemerkt er, dass die Nachfrage nach Datteln zur Fastenzeit steigt. Auch Fladenbrot und Süßigkeiten für die Kinder sind beliebt. Er selbst ist seit halb sechs auf den Beinen, erst um 19 Uhr schließt er seinen Laden. Und genau das mache ihm das Fasten nahezu unmöglich, erzählt er. Die letzten drei Jahre habe er es durchgestanden, heuer aber war Schluss.

Es ist keine Sünde als Moslem nicht zu Fasten. Viele streng gläubige Moslems haben den Ramadan auch schon abgebrochen, unter ihnen Özer Huseyin, der Imam (Vorbeter) der Moschee in Röthenbach. Er sitzt neben dem zweiten Vorsitzenden der türkisch-islamischen Gemeinde Mahmut Boz, und erzählt, dass er einmal erkältet war und deswegen nicht mehr weiterfasten konnte. Das sei keineswegs schlimm. Im Gegenteil: Geht es jemandem schlecht, gilt es sogar als Sünde weiter zu fasten. Schwangere Frauen, Kinder oder Kranke seien ohnehin von der Fastenzeit ausgenommen, erklärt Boz.

Die Tür geht auf und zwei Jugendliche betreten den Raum. Auch sie fasten schon seit sie 13 sind. „Es ist ganz normal“, erzählen die beiden. Die ganze Familie fastet. Man werde sozusagen „hineingeboren“.

Zurück zu den Mimaroglus: An der reich gedeckten Tafel sind alle Generationen vertreten. Gemeinsam wird gebetet, gelacht, über den Alltag und natürlich auch über das Essen gesprochen. Alle erzählen von persönlichen Erlebnissen, die sie mit dem Ramadan verbinden. Servet Mimaroglu konnte nur ein einziges Mal nicht fasten. „Da war ich schwanger“, meint sie. Vor allem die Jugendlichen können sich noch gut an ihre Kindheit erinnern. „Als Kind will man auch fasten und zu den Erwachsenen gehören. Man freut sich auf den Ramadan“. Viele Kinder fasten deshalb ein oder zwei Tage, weil sie unbedingt dazugehören wollen.

Doch wie ist es mit dem Gemeinschaftsgefühl in Deutschland? Ist das Fasten nicht schöner, wenn alle gemeinsam den Ramdan begehen und nicht nur ein kleiner Teil der Gesellschaft? Während Mahmut Boz hier vollkommen zustimmt, ist Yasemin Tasci, die ehemalige Nachbarin von Servet Mimaroglu anderer Meinung. Das Schöne daran, Ramadan in Deutschland zu feiern, sei, dass man Nicht-Muslimen die Bedeutung der Fastenzeit und ihrer Religion erklären könne. Außerdem sei es in der Türkei wahnsinnig heiß, was das Fasten zusätzlich erschwere.

Nicht-Muslime sind willkommen

Den krönenden Abschluss des Fastenmonats bildet das dreitägige Ramadan- oder Zuckerfest. Dieses Jahr findet es vom 28. August bis 1. September statt. Die Muslime werden für ihr Durchhaltevermögen mit einem großen Festmahl belohnt und feiern mit allen Verwandten und Freunden. Für die Kinder gibt es kleine Geschenke und Süßigkeiten. „Im Islam gibt es keinen Zwang, auch nicht beim Fasten“, betont Yasemin Tasci. Auch Nicht-Faster und Nicht-Muslime seien jederzeit willkommen. Dass es sich bei dem Islam um eine überaus tolerante Religion handele sei vielen nicht bewusst, meint sie.

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