HERSBRUCK/ LAUF – Wer seine Wut schlecht kontrollieren kann, explodiert schon bei einer Kleinigkeit. Ist dann noch Alkohol im Spiel, endet die Situation häufig gewaltsam. Wegen dieser Kombination musste sich ein 18-jähriger Laufer nun vor dem Amtsgericht in Hersbruck verantworten.
Die Staatsanwaltschaft legt dem 18-Jährigen zur Last, im Juli 2021 einen Polizisten angegriffen, verletzt und beleidigt zu haben. Der Laufer war damals mit seiner Freundin auf einer Party in Lauf, als die Polizei kam, um diese zu räumen. Die Feiernden seien stark alkoholisiert gewesen.
Der Angeklagte habe sich trotz mehrmaliger Aufforderung geweigert, die Party zu verlassen, sei aggressiv aufgetreten und habe herumgeschrien. Ein Polizist versuchte, ihm Handschellen anzulegen, was der Angeklagte jedoch nicht zugelassen habe. Der Beamte habe ihn daraufhin am Boden fixiert und sich dabei am Knie verletzt. Am Boden habe der junge Mann den Beamten mehrmals beschimpft.
Geständnis der Tat
Über seinen Anwalt gesteht der Angeklagte bei der Verhandlung die Tat. Er selbst liest dann aus seiner Stellungnahme vor. Darin schildert er den Abend aus seiner Sicht und gibt zu, auf der Party stark betrunken gewesen zu sein. Als die Polizei den Platzverweis ausgesprochen habe, habe er noch seinen Rucksack gesucht und auf seine Freundin warten wollen. Als er dann gesehen habe, dass zwei Jungs hinter seiner Freundin her waren, habe er die Aufforderung der Beamten erneut ignoriert, weil er sie beschützen habe wollen.
Dass er dem Polizisten die Hand weggeschlagen habe, daran könne er sich nicht mehr erinnern und entschuldigt sich im nächsten Atemzug. Als er zu Boden gedrückt worden sei, habe er sich zusammengekauert, sei verkrampft, weil er mit der Situation überfordert gewesen sei. Er habe nicht locker lassen können und durch die Schmerzen sei er verbal ausgetreten.
Entschuldigung bei den Polizisten
Als er sich beruhigt habe, habe er sich gleich entschuldigt, noch vor Ort und später im Streifenwagen. Das bestätigt auch der Bericht des Polizisten. Dass es ihm wirklich Leid tue, beteuert der Laufer auch während der Verhandlung immer wieder. Nach diesem Abend habe er sein Leben verändert: Er arbeitet nun als Pflegehelfer und hat mit Muskelaufbau begonnen, um seine überschüssige Energie loszuwerden.
Auf Nachfrage des Gerichts gibt er zu, auch Blessuren von dem Vorfall davongetragen zu haben: Schürfwunden im Gesicht, eine geschwollene Hand, eine Narbe und blutige Lippen.
„Zu viel Energie“
„Ich bin nicht aggressiv. Ich habe nur zu viel Energie, deshalb mache ich auch nach Feierabend noch viel Sport“, beteuert der 18-Jährige. Sein Verteidiger verweist auf die enorme Menge an Alkohol, die der junge Mann zu sich genommen habe. Das Blutalkoholgutachten kurz nach dem Vorfall ergab 1,35 Promille.
Im Bundeszentralregister des Angeklagten steht ein Eintrag wegen Sachbeschädigung. Wegen des Vorfalls war er über ein halbes Jahr vor der Festnahme im Juli verurteilt worden.
Zerrüttete Familie
Der 18-Jährige hat in seinem jungen Leben schon viel erlebt: Als er acht Jahre alt war, trennten sich seine Eltern, zur Mutter hat er kaum Kontakt. Wegen häuslicher Gewalt zog er nach der Scheidung erst zum Vater, dann in ein betreutes Wohnen, seit Juli hat er eine eigene Wohnung. Zudem wurde ADHS bei ihm diagnostiziert und er bekam psychiatrische Hilfe wegen der Familiengeschichte. Weil er schlecht mit seiner Wut umgehen könne, sei er oft in Raufereien verwickelt gewesen, er habe deshalb bereits Kontakt zu einem Therapeuten aufgenommen.
Zeuge erscheint nicht
Der Verteidiger wirft die Frage auf, ob es sich tatsächlich um einen tätlichen Angriff handelte, also ob der Angeklagte die Hand des Polizisten aktiv weggeschlagen habe. Diese Frage bleibt unbeantwortet, denn der betroffene Polizist, der als Zeuge geladen war, erscheint nicht.
Sorge um die Freundin
Und so lässt die Staatsanwältin den Vorwurf fallen: Der Sachverhalt als solcher habe sich zwar bestätigt, der tätliche Angriff werde jedoch in „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ umgewandelt. Zu Gunsten des Angeklagten sprächen sein Geständnis, die Reue, die Entschuldigungen schon vor Ort, die alkoholbedingte Enthemmung, dass er sich Sorgen um seine Freundin gemacht habe und selbst verletzt wurde.
Negativ sei die Sachbeschädigung vor nicht allzu langer Zeit zu werten. Daher halte sie eine freiheitsentziehende Maßnahme für notwendig und fordert zwei Freizeitarreste, außerdem einen sozialen Trainingskurs gegen die Wutattacken und die Kostenübernahme des Verfahrens. Sie richtet deutliche Worte an den jungen Mann: „Das ist kein Witz. Die Polizei macht nur ihren Job. Ein Erwachsener könnte für diese Tat locker mit mit einem Jahr Freiheitsstrafe rausmarschieren.“
Passiv geblieben
Sein Verteidiger spricht sich für eine mildere Strafzumessung aus: „Mein Mandant ist keine tickende Zeitbombe.“ Er habe nicht aktiv randaliert, sondern sich passiv gewehrt. Außerdem bringe er seine Energie in der Altenpflege ein und nutze sie so positiv. Er plädiert deshalb für eine Arbeitsleistung: „So können Sie der Pflege wirklich danken, nicht nur klatschen.“ Auch der 18-Jährige beteuert: „Das passiert nie wieder.“ Er wolle den guten Weg, den er eingeschlagen habe, weitergehen und eine Ausbildung als Pflegefachkraft beginnen.
Deutliches Stoppsignal
Richterin Lederer spricht den 18-Jährigen schuldig wegen Widerstand und Beleidigung gegen Vollstreckungsbeamte und verurteilt ihn zu einem Wochenende Freizeitarrest, einem sozialen Training und zur Kostenübernahme. Der Arrest soll ein deutliches Stoppsignal für den 18-Jährigen sein. „Dann siehst du, wie es im Gefängnis ist.“ Mit Hilfe des sozialen Trainings soll er zudem lernen, mit seiner Wut umzugehen und seine Aggressionen zu lenken. Das Urteil ist rechtskräftig.