Diakonie war seine Rettung

Ungeliebt und drogensüchtig: Systemsprenger findet zurück in den Alltag

Markus R. fand über die „Förderung von Teilhabe am Arbeitsmarkt“ und die Diakonie Nürnberger Land-Neumarkt zurück in ein normales Arbeitsleben. | Foto: Iris Lederer2023/03/HEB-System.jpeg

HERSBRUCK – Geschlagen vom Adoptivvater, Borderline-Syndrom, Drogensucht: Markus R.s Vita war für viele Außenstehende von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Doch es gab zum Glück Menschen, die an ihn glaubten. So wie Melanie Ketterer von der Diakonie Nürnberger Land.

Markus R., der uns seine Geschichte anonymisiert erzählt, wurde als Säugling von seiner leiblichen Mutter zur Adoption freigegeben. Sie konnte sich aufgrund ihrer Drogensucht nicht um das Neugeborene kümmern. Er wuchs in München auf und hatte bereits in der Grundschule Therapien wegen Verhaltensauffälligkeiten. Markus R. hat sich bereit erklärt, anonymisiert über sich und die Bedeutung seiner Arbeit zu reden.

In der Adoptivfamilie war er ohne Geschwister und die Eltern hatten eine unharmonische Beziehung. Markus wurde von seinem Vater geschlagen, während die Mutter alkoholsüchtig war. Bereits in der Pubertät wurde bei ihm das Borderline-Syndrom diagnostiziert, das unter anderem mit dem Wunsch einhergeht, sich selbst zu verletzen.

Früh begann er seine Symptome mit Alkohol und Marihuana zu betäuben; es folgten soziale Schwierigkeiten. In der Schule konnte er mit dem Lernstoff nicht mithalten und seine Eltern waren überfordert. Als Teenager lebte er daher in einer therapeutischen Wohngruppe.

Körper für Struktur

Nachdem er in keinem gängigen Hilfesystem wirklich aufgefangen werden konnte, kam er als Systemsprenger in ein Projekt, das Erziehungshilfe für problembelastete Jugendliche leistet. Dort wurde er individuell von einem Pädagogen begleitet. Den Pädagogen beschreibt er als „konsequent, „straight“ (direkt) und „fair“, der als Vorbild nicht nur anwies, sondern alles vorlebte: Holz hacken, Wasser aus dem Brunnen holen, putzen, kochen – die körperliche Arbeit gab Struktur und tat ihm gut. Er lernte Motorradfahren, angelte und machte seinen qualifizierten Mittelschulabschluss über die ILS Fernschule.

Im Anschluss absolvierte er ein Praktikum in einem Handwerksbetrieb und begann dort eine Ausbildung. Trotz eines Rückfalls in die Alkoholsucht schloss er die Ausbildung ab. Danach kam er durch einen „Freund“ mit Heroin in Kontakt und das Leben drehte sich nur noch um die Geldbeschaffung für den nächsten Schuss.

Nach einer Panikattacke war er drei Monate in der Psychiatrie und lernte dort seine damalige Freundin kennen, mit der er nach Nürnberg zog. In Erlangen ging er auf Entzug in die Klinik. In der Zeit wäre er fast gestorben, da die Bauchspeicheldrüse sich „verabschiedet hatte“, er an schwerer Diabetes litt und Methadon, das er zur Substitution (Ersatz) für Heroin bekam, sich nicht mit Alkohol vertrug.

Job für zwei Euro

Er überlebte, bekam seine körperlichen Probleme in den Griff und traf im Jobcenter auf eine sehr engagierte und unterstützende Mitarbeiterin, die ihn an die Diakonie Nürnberger Land-Neumarkt vermittelte. Er machte zunächst ein Praktikum in einem der Projekte und wurde dann auf Zwei-Euro-Basis übernommen.

„Markus kam zu uns mit einem ganzen Paket an Herausforderungen“, erzählt Melanie Ketterer von der Diakonie. Eine „normale“ Arbeit ist auch wegen der Substitution nicht einfach. „Es gibt viel zu wenig Ärzte, die das anbieten. Dadurch sind die Menschen gezwungen, täglich weite Wege zu fahren, Markus beispielsweise bis nach Nürnberg. Dadurch bleibt viel Zeit auf der Strecke und ein Arbeitgeber muss sehr flexibel sein.“

Nach und nach wurden aus dem großen Herausforderungspaket von Markus „kleinere Päckchen“. Inzwischen arbeitet er in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis 30 Stunden in der Woche. Hierbei übernimmt das Jobcenter die ersten zwei Jahre alle Kosten, danach jedoch nur noch 80 Prozent. Ohne diese Unterstützung nach dem Paragraphen „16i“ wäre eine Gewöhnung an ein reguläres Berufsleben nicht möglich.

„Wir hoffen sehr, dass wir eine Finanzierung durch Spenden bekommen, um Markus auch danach bei uns anzustellen“, sagt Ketterer. „Mir bedeutet es sehr viel hier zu arbeiten“, betont Markus, „es gibt mir Selbstbewusstsein, Sinn und erstmals konnte ich 2022 sogar mit meiner Freundin ein paar Tage an die Ostsee in den Urlaub fahren. Ich wünsche mir nichts mehr, als hier weiterhin bleiben zu können.“

Spendenkonto der Diakonie: Raiffeisenbank Hersbruck, IBAN: DE46 7606 1482 0000 0021 00

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren