NÜRNBERGER LAND – Die Ergebnisse zur 19. Stunde der Gartenvögel liegen vor: Mehr als 11.900 Naturfreunde in ganz Bayern haben für das bürgerwissenschaftliche Projekt Vögel gezählt. Im Rahmen der großen Mitmachaktion des bayerischen Naturschutzverbands LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschutz) und seinem bundesweiten Partner NABU meldeten sie über 258.000 Vögel aus etwa 9000 Gärten, Balkonen und Parks.
„Wir sind begeistert, dass sich so viele Menschen trotz des wechselhaften Wetters nicht davon haben abhalten lassen, eine Stunde lang die Vögel vor der eigenen Haustür zu beobachten und zu zählen. Jeder Teilnehmende hat wichtige Daten über die Vogelwelt im Siedlungsraum geliefert“, erklärt die LBV-Biologin Dr. Angelika Nelson.
So können die Naturschützer des LBV langfristige Trends im Bestand der bayerischen Gartenvögel erkennen. Mit durchschnittlich nur etwa 28 Vögeln beobachteten die Teilnehmenden in ihren Gärten dieses Jahr so wenige Vögel wie noch nie seit Beginn der Aktion im Jahr 2006. Wer wissen will, wie es um die Vogelwelt im eigenen Regierungsbezirk oder Landkreis steht, findet regionale Ergebnisse zur Stunde der Gartenvögel hier: www.stunde-der-gartenvoegel.lbv.de.
Drastische Abnahme vieler Vogelarten
In diesem Jahr wurden bei der Stunde der Gartenvögel acht Vögel pro Zählort weniger als noch vor 10 Jahren gemeldet. Den Naturschützern des LBV stellt sich die Frage, ob sich die wissenschaftlich belegte, drastische Abnahme vieler Vogelarten auf Wiesen und Feldern nun bei Vogelarten in Bayerns Städten und Dörfern fortsetzt. Die Gründe dafür können vielfältig sein: „Ökologisch wertvolle Lebensräume im Übergangsbereich zwischen Siedlung und Kulturland werden zunehmend bebaut. Dort verschwinden Vogelarten, wie Wendehals, Gartenrotschwanz und Grauschnäpper. Einst häufige Arten, wie Haussperling oder Mehlschwalbe, finden an glatten Hausfassaden zu wenig Nistmöglichkeiten“, erklärt Angelika Nelson.
Im Siedlungsraum gehen naturnahe, unversiegelte Grünflächen mit alten Baumbeständen und Hecken verloren. Das Nahrungsangebot, vor allem an Insekten, wird knapp für Bachstelze, Bluthänfling und Gartengrasmücke. Hinzu komme die Klimakrise, deren konkrete Auswirkungen noch nicht absehbar sind.
Um dem vermeintlich negativen Trend und Wandel im Siedlungsraum entgegenzuwirken, kann jede und jeder etwas beitragen. Von strukturreichen Gärten, mit samentragenden Wildblumen, Beerensträuchern, Hecken und Totholz profitieren viele Arten, so auch zum Beispiel der Stieglitz. Ihn beobachteten die Teilnehmenden in diesem Jahr in 16 Prozent der Gärten und damit weitaus häufiger als im vergangenen Jahr. „Eine ähnliche Entwicklung fiel uns bereits bei der Stunde der Wintervögel im Januar auf. Es könnte ein Indiz dafür sein, dass mehr Menschen den Mut zur kleinen Wildnis vor der Haustür finden und dem Stieglitz als Samenfresser somit ein passendes Buffet bieten“, sagt Angelika Nelson.
Top 10 der Gartenvögel
Der Haussperling bleibt 2023 die Nummer eins der bayerischen Gartenvögel. Hinter dem Haussperling auf Rang zwei landet die Amsel, den letzten Platz auf dem Siegertreppchen sichert sich der Star. Hinter ihnen auf Rang vier flattert in diesem Jahr die Kohlmeise. Ihr folgt der Feldsperling, der ihr bis zum Ende des Meldezeitraums dicht auf den Fersen war.
Die Blaumeise landet auf Platz sechs und verzeichnet im Gegensatz zum vergangenen Jahr einen leicht positiven Trend. Ihren Stammplatz sichert sich bereits das zwölfte Jahr in Folge die Elster (7.). Deutlich zulegen konnte in diesem Jahr der Grünfink: Reichte es vergangenes Jahr nur für Platz zehn, landet der gelb-grüne Finkenvogel dieses Jahr auf Rang 8. Er reiht sich damit noch vor Mehlschwalbe (9.) und Mauersegler (10.) ein.
Die insektenfressenden Flugakrobaten wie Mehlschwalbe, Mauersegler oder Rauchschwalbe (23.) verzeichnen heuer einen negativen Trend, der bereits am Zählwochenende sichtbar war. Ein Grund dafür sind vermutlich die vielen Regenschauer, die den Freistaat am Wochenende überquerten. „Schwalben und Mauersegler jagen Insekten in der Luft. Weil ihre Beute bei Regen nicht durch die Gärten und Parks summt und brummt, weichen sie, wenn möglich, der Schlechtwetterfront aus und jagen in sonnigen Gegenden nach Insekten“, so die LBV-Vogelexpertin.
Mittelfranken im Mittelfeld
Bayernweit haben die Teilnehmer etwas mehr als 28 Vögel pro Garten gesehen – deutlicher weniger als das langjährige Mittel von 32. Über die meisten Vögel pro Garten konnten sich Naturfreunde in Niederbayern (35,2) freuen, gefolgt von der Oberpfalz (31,7) und Oberfranken (31). In Oberbayern sahen die Teilnehmenden mit 25,1 am wenigsten Vögel pro Garten. Mittelfranken (28), Schwaben (29,6) und Unterfranken (29,9) reihen sich dazwischen ein.