NÜRNBERGER LAND – Wenn jemand mit Alkohol oder Drogen im Straßenverkehr auffällig wurde, muss die Fahrerlaubnisbehörde prüfen, ob weiterhin die Fähigkeit vorliegt, ein Fahrzeug sicher zu führen. Sind Tatsachen bekannt, die die Fahreignung einer Person in Frage stellen, kann die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) einfordern. Laut Führerscheinstelle Nürnberger Land war das 2021 in rund 200 Fällen so.
Eine Chance bei der MPU hat nur der, der sich die Hintergründe seines Führerscheinentzugs bewusst macht und sich intensiv mit dem eigenen Trinkverhalten bzw. Drogenkonsum auseinandersetzt. Die Diakonie Nürnberger Land startet im Oktober ein Gruppenangebot, das an zehn Abenden à 90 Minuten diese Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten anstößt und somit auch auf die Wiedererlangung des Führerscheins vorbereitet.
„Ich weiß nicht, warum diese Prüfung umgangssprachlich auch „Idiotentest“ lautet“, wundert sich Susanne Drese, Sozialpädagogin in der Suchtberatungsstelle in Hersbruck, die den Kurs leiten wird. „Es ist alles andere als „idiotisch einfach“, diese Prüfung zu bestehen.“ Es geht bei einer MPU nicht darum, Wissen auswendig zu lernen und zu Papier zu bringen oder in einem Multiple Choice Test wie bei der theoretischen Führerscheinprüfung Kreuzchen an der richtigen Stelle zu machen. Stattdessen besteht die MPU aus mehreren Fragebögen, Reaktionstests und psychischen Leistungstests am Computer, einer medizinischen ärztlichen Untersuchung und einem psychologischen Gespräch durch eine Verkehrspsychologin oder einen Verkehrspsychologen.
Nicht nur Stunden absitzen
Auch wenn manche Anbieter Kurse mit „Erfolgsgarantie“ offerieren und so der Eindruck erweckt wird, man könne Stunden absitzen und dann einen „Test“ bestehen – darum geht es bei der MPU nicht. Stattdessen geht es um eine nachprüfbare, glaubhafte Veränderung des Verhaltens in Bezug auf Alkohol- oder Drogenkonsum, der ja zum Führerscheinentzug geführt hat. Wenn bei Kontrollen mehr als 1,6 Promille Alkohol im Blut oder mehrmals eine geringere Promillezahl festgestellt wird, ist der Führerschein weg. Bei harten Drogen kann die Fahrerlaubnis bereits bei einmaligem Konsum oder Besitz entzogen werden. Was viele nicht wissen: Dies gilt auch auf dem Fahrrad!
Den meisten ist nicht bewusst, wie sich Alkoholkonsum auf die Promillezahl auswirkt: Drei Gläser Wein bedeuten bei einer Frau 1,5 Promille. Bei einem Mann sind es 0,9 Promille. Auch wenn nachvollziehbar ist, dass viele erst einmal mit Wut reagieren – auf die Polizei, auf die Behörden etc., führt ein Führerscheinverlust häufig auch dazu, dass Menschen über ihren eigenen Konsum nachdenken. „Es muss jedoch ein Veränderungsprozess in Gang kommen“, erklärt Drese.
Im angebotenen Kurs kommen Menschen aus unterschiedlichen Altersgruppen, gesellschaftlichen Schichten, Männer und Frauen zusammen. Die Erfolgsraten sind bei Personen, die vor der MPU-Untersuchung eine konsumbezogene Beratung oder Kurs in Anspruch genommen haben, deutlich höher als bei Menschen, die sich mit ihrer eigenen Problematik nicht auseinandersetzen (Statistik BASt-Bericht M226: 62,4 Prozent mit Beratung, 37,1 Prozent ohne).
Sack für alle Klagen
Vor Kursbeginn findet ein individuelles Vorgespräch statt. Am ersten Abend wird mit einer Vorstellungsrunde begonnen und dann folgt „der Klagesack“, das heißt jede und jeder darf erst einmal Unmut und Wut rauslassen. „Die Gruppendynamik ist sehr hilfreich da hier deutlich wird, dass ich nicht die einzige Person bin, der das passiert ist.“ Viele haben einen hohen Leidensdruck. Der Verlust des Führerscheins kann zum Jobverlust führen und bei der Suche einer Arbeitsstelle ist der Führerschein oft Voraussetzung.
Trotzdem rät Drese davon ab, zu schnell die MPU zu machen. “Zunächst muss ich meine Abstinenz durch Urin- oder Haarproben mit Labortests über einen längeren Zeitraum nachweisen. Natürlich darf ich die MPU mehrmals machen, sie kostet aber jedes Mal Geld und ist auch belastend. Wir empfehlen daher dringend, frühzeitig in einem Kurs wie unserem sich mit der Wirkungsweise von Alkohol und Drogen und deren Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit zu befassen, das eigene Konsumverhalten einschätzen zu lernen, die körperlichen und psychischen Folgeerscheinungen zu realisieren und so letztlich eine Veränderung des eigenen Verhaltens in Gang zu setzen“, sagt Drese.
Kontakt: Suchtberatung Diakonie Nürnberger Land, Tel. 09151/9087676