HERSBRUCKER SCHWEIZ – Vier Hektar Streuobstflächen mit 300 Hochstammbäumen, 30 Hektar Obstwiesen mit über 1000 Hochstammobstbäumen und mehr als 300 Obstsorten – das sind nur einige Ergebnisse aus 20 Jahren Streuobstinitiative Hersbrucker Alb.
Ottmar Fischer wollte schon immer aufs Land. Vor allem die Obstbäume hatten es ihm angetan, die er schon im Garten seiner Großeltern bewunderte: rund 100 der grünen Riesen standen dort. Schließlich kaufte er sich mit seiner Frau einen alten Bauernhof im Weiler Appelsberg bei Pommelsbrunn – und zog von Unterfranken in die Einöde.
„Keiner hat sich damals für die alten Bäume dort interessiert, sie sind irgendwann einfach umgefallen und verrottet“, erzählt Fischer, immer noch verärgert. Zusammen mit dem Obst- und Gartenbauverein organisierte er schließlich einen Experten, der in einem Vortrag über bedrohte Lebensräume informierte. Die Veranstaltung kam an, kurz danach gründete sich ein Arbeitskreis, die „Obstbauminitiative“. Unterstützung kam vom heutigen Naturschutzzentrum Wengleinpark.
Von 30 zu 300
Startschuss für den eigentlichen Erfolg der Idee, heimische Streuobstwiesen und Obstgärten zu erhalten und zu schützen, war der erste Tag der Regionen in Unterkrumbach 1999. „Wir waren sehr stolz auf unsere ausgestellten 30 Sorten“, sagt Fischer – Jahre später sollten es 300 sein. Kurz darauf wurde in Fischers Wohnzimmer ein Verein mit sieben Mitgliedern gegründet. Heute zählt er über 150.
Schon ein Jahr später konnte der Verein seinen ersten Obstsaft herstellen – mit einer mobilen Obstpresse, die drei Biobauern privat angeschafft hatten. Es folgten die ersten Führungen und Kurse zum Dengeln und Sensen und irgendwann kam die Frage auf, wie das Thema breiter unter die Bevölkerung gebracht werden könnte. Ein Mustergarten sollte her.
Nach einer Suche über die Zeitung nahm der Verein schließlich ein Angebot der Stadt Hersbruck an: Er pachtete ein dreieinhalb Hektar großes Grundstück der Elisabeth-Spital-Stiftung im Buchgebiet, den heutigen Obstsortengarten. 2004 kam dort der erste Baum in die Erde. Mittlerweile ist es nicht mehr nur ein Mustergarten, sondern auch Ausbildungsort und Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten.
Als Meilenstein bezeichnet Fischer die ersten Kurse für Obstbaumpflege, die Gartenbaumeister Josef Weimer 2005 begann, anzubieten. Noch heute seien sie regelmäßig ausgebucht. Ein weiterer Erfolgsfaktor sei die Infoscheune, die 2008 im Obstsortengarten eröffnet wurde.
Es folgten weitere Veranstaltungen und Projekte, die die Streuobstinitiative immer bekannter machten: Birnentage im Hirtenmuseum, bei denen die Ausstellung mit über 200 Birnensorten eine der größten im deutschsprachigen Raum gewesen sei, die Kartierung von rund 2000 Bäumen im Landkreis, aus der das Vermehrungsprojekt „1000 Bäume für die Frankenalb“ hervorging, Schulbesuche sowie ein jährlicher Frühschoppen unter Obstbäumen.
Der richtige Schnitt
Seit 2012 bietet der Verein zudem einen Kurs zum zertifizierten Landschaftsobstbaumpfleger an. „Wir sind mit den Triesdorfer Lehranstalten in Kontakt, um die Ausbildung eventuell mit der zum staatlich anerkannten Baumwart zu verbinden“, erzählt zweiter Vorsitzender Roland Heldrich. Er freut sich besonders, dass die Kurse Wirkung zu zeigen scheinen: Immer öfter fielen ihm richtig zurückgeschnittene Bäume in der Umgebung auf.
Über die Jahre kam Baum um Baum hinzu, nicht nur im Sortengarten, auch in denen der immer mehr werdenden Vereinsmitglieder, die ihre biozertifizierten Flächen allesamt nach ökologischen Grundsätzen bewirtschaften. So reichte die vereinseigene Obstpresse bald nicht mehr aus, um die vielen Äpfel zu verarbeiten. 2017 wurde deshalb die Vermarktungsgesellschaft Siha gegründet und die Marke „Pomme200“ für die Apfelschorlen eingeführt.
Erdkeller geplant
Seitdem kauft die Gesellschaft auch Bio-Mostobst an. Neben dem bestehenden Verkauf in Biomärkten und über die Gastronomie sollen die vier Schorlen noch stärker vertrieben werden. „Heimat auf’m Teller“ sei da eine Idee, sagt der Geschäftsführer. Um mehr Saft herstellen zu können, suche man weiterhin nach Anbauflächen.
Ottmar Fischer schwebt außerdem vor, auch das Obst zu vermarkten, nicht nur den Saft. Dafür sei ein Erdkeller im Sortengarten geplant, in dem die Äpfel bis ins Folgejahr lagern könnten. Gerade müsse die Finanzierung auf den Weg gebracht werden, mit einem Bau könne frühestens im kommenden Jahr begonnen werden.
Aber viel Erfolg macht auch Arbeit und für die braucht die Initiative noch Helfer: „Es freut uns, auch jüngere Leute anzusprechen. Aber berufsbedingt haben die meist während des Tages kaum Zeit, sich um Pflegearbeiten zu kümmern“, sagt Fischer. Der Verein brauche also auch fitte Senioren, die mit anpacken. Trotz allem Erreichten sind die Initiatoren noch nicht zufrieden: „Es muss weiter nachgepflanzt und vor allem gepflegt werden, sonst ist in 20 Jahren kein Baum mehr da“, so Fischer.
Frühschoppen am 2. Juni
Zum 20-jährigen Bestehen ist am 2. Juni ab 10 Uhr wieder ein Frühschoppen im Sortengarten geplant. Die Klezmergruppe „Schlamasseltov“ spielt auf. Nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen, um 11 und um 14 Uhr gibt der Geograph Leo Anwander einen Einblick in die Welt der Holz bewohnenden Insekten und Käfer alter Obstbäume und um 16 Uhr findet eine Führung über die Streuobstwiese statt.