ECKENTAL. Auf den ersten Blick fast schon ein bisschen verrückt in der Corona-Zeit, aber doch wahr: Das fränkische „Tennis-Mekka“ Eckental erlebte bereits vor dem ersten Aufschlag am heutigen Samstag (Qualifikationsturnier, ab Montag startet dann das Hauptfeld) ein kleines Tennis-Wunder oder einen weiteren „Ritterschlag“. Die Internationalen Deutschen Hallenmeisterschaften wurden seitens der ATP in die „Kategorie 100“ (statt 80) hochgestuft, was im Klartext bedeutet, dass in Eckental ein Rekordpreisgeld von exakt 88 520 Euro ausgespielt wird, also fast doppelt so viel 2019.
Das „Unmögliche möglich machen“ im House of Sports, lautet das Motto bei der 24. Auflage dieses Tennis-Events. „Die Auflagen der ATP und der Behörden mit den geltenden Corona-Schutzmaßnahmen erfordern ein außerordentlich hohes Maß an Kreativität, Achtsamkeit und Organisationsgeschick“, davon weiß der unermüdliche Turnierdirektor Marcus Slany ein Lied zu singen. „Immer wieder haben wir uns im Kreis gedreht, Pläne verworfen, neue Konzepte eingereicht. Irgendwann haben wir uns gesagt: Jetzt erst recht! Ganz nach dem Motto „For the Players!“.
Livestream statt Live-Erlebnis
Einziger, aber doch ein sehr großer Wermutstropfen: Die zahlreichen Fans, die seit über 20 Jahren in den Ortsteil Brand pilgern und dieses gewisse Eckental-Flair ausmachen – mit der Möglichkeit ganz dicht an den Profis sein zu können – werden heuer dieses Live-Erlebnis missen. Lediglich 80 Partner und Sponsoren mit Sicherheitsabstand und Maskenpflicht finden abseits des hellblauen Teppichbodens Platz. Wer dennoch nicht auf Weltklasse-Tennis verzichten möchte, kann alle Partien zuhause im Internet über den Livestream der ATP verfolgen.
Dass eine derart immense Preisgelderhöhung ein hochkarätiges Teilnehmerfeld anzieht, ist nicht verwunderlich. Gleich drei Top-100-Spieler reisen nach Franken an: Ricardas Berankis (ATP-Ranglistenplatz 65, 30 Jahre, 13 bisher gewonnene Titel) steht dabei auf der Top-Position, gefolgt vom Österreicher Dennis Novak (ATP 94) und als Dritter im Bunde Finne Emil Ruusuvuori (ATP 98, vier Titel 2019).
Die Nr. 1 aus Litauen ist seit 13 Jahren im Profigeschäft, erspielte sich dabei ein Preisgeld von über 3 000 000 Euro und hatte sein bisheriges Karriere-Hoch auf Position 50. Beim vor kurzem ausgetragenen Grand Slam Turnier, den French Open in Paris, wollte es der Spielplan so, dass er bereits in der zweiten auf den übermächtigen Novak Djokovic traf und nach drei glatten Sätzen die Koffer packen musste.
Kamil Majchrzak (ATP 105), Alexei Popyrin (ATP 108) und Evgeny Donskoy (ATP 121) gehörten ebenfalls bereits dem „Hunderter“-Club an und wollen dahin wieder zurück. Mit dabei ist auch der Eckental-Gewinner von vor zwei Jahren, der Franzose Antoine Hoang (ATP 130).
Vom Namen her sticht der US-Amerikaner Sebastian Korda (ATP 131) ins Auge. Der Sohn des früheren tschechischen Australian-Open-Siegers Petr Korda spielte sich vor kurzem bei den French Open bis in Runde vier (Achtelfinale), ehe er an Nadal scheiterte. Ein Geheimtipp für Eckental 2020?
Publikumsliebling am Start
Aber auch deutsche Asse können ein gewichtiges Wort beim Kampf um das hohe Preisgeld mitreden: Peter Gojowczyk (ATP 132, fünf Challenger-Siege, Highlight 2017 Turniersieger in Metz bei einem 250er-Turnier), Oscar Otte (ATP 142), Yannick Maden (ATP 161) und Publikumsliebling Dustin Brown (ATP 163), der 2014 und 2015 zweimal Rafael Nadal bezwang. Brown ist Stammgast in Eckental, der extrovertierte 35-Jährige mit der markanten Rastafrisur hat hier eine große Fan-Gemeinde, die ihm heuer nur online die Daumen drücken kann.
Insgesamt 27 Siege (Einzel und Doppel) auf der Challenger-Tour sprechen eine deutliche Sprache. Der verdiente Lohn: Knapp unter 3 000 000 Euro liegt seine Preisgeldsumme. Ein Einzel-Turniererfolg im House of Sports fehlt ihm noch in seiner umfangreichen Sammlung; 2013 gewann er mit Philipp Marx die Doppelkonkurrenz.
Bleibt die Tennis-Frage der kommenden Woche: Gibt es nach Maximilian Marterer 2017 wieder einen deutschen Titelträger oder behält zum dritten Mal in Folge die starke ausländische Konkurrenz die Oberhand?
Bertram Wagner