OTTENSOOS/SCHÖNBERG – Heute präsentieren wir einen ganz besonderen Wandertipp aus der Feder von Wanderautor Alexander Pavel:
Zwischen Ottensoos und Schönberg, also direkt vor der Haustür, erwartet euch ein zauberhafter Wald, in dem es sogar zwei kleine Wasserfälle zu entdecken gibt. Wir haben für euch eine kurze und, dank der wenigen Höhenmeter, angenehme Familienrunde geplant, die auch für kleinere Wanderzwerge bestens geeignet ist. Die Stille, die euch in dem teils märchenhaften Wald umfängt, ist bestens dazu angetan, den Alltag abzustreifen.
In die Nessenbachschlucht
Eure Wanderung beginnt auf dem Park-and-Ride-Parkplatz an der S-Bahn-Haltestelle Ottensoos. Gegenüber der Einfahrt hängt an einem Baum eine Wandertafel. Hier trefft ihr bereits auf euer erstes Wanderzeichen, das PP des Paul-Pfinzing-Weges, der euch auf der Bahnhofstraße nach links führt.
Paul Pfinzing aus dem Geschlecht der Nürnberger Patrizierfamilie Pfinzing von Henfenfeld war ein bedeutender Kartograf, der Ende des 16. Jahrhunderts das Nürnberger Land mithilfe eines eigens entwickelten Marschkompasses kartografierte und im Pfinzing-Atlas festhielt.

Unter der Wandertafel hängt auch ein Wegweiser zum Kulturbahnhof Ottensoos. Er wurde im Jahr 1859 von dem bedeutenden bayerischen Baumeister Georg Friedrich Bürklein entworfen. Heute ist das altehrwürdige, generalsanierte Gebäude ein Kunstmuseum und trägt den klangvollen Namen „Kulturbahnhof“.
Aussicht zum Träumen
Ihr folgt dem PP von der Bahnhofstraße nach rechts in die Gartenstraße, dann links in die Eichenhainstraße und durch eine Unterführung aus dem Ort hinaus. Entlang der S-Bahn-Schienen wandert ihr nach rechts dem Wald entgegen. Rechts von euch könnt ihr in der Ferne die beeindruckenden Mauern der fast 300 Jahre alten Festung Rothenberg und gegenüber das Felsmassiv des Glatzensteins erblicken. Ihr folgt dem PP in den Wald.
Zu Beginn scheint dieser noch ein „Durchschnittswald“ zu sein. Doch im weiteren Verlauf verändert sich das Erscheinungsbild. Der Boden wird von einem dichten, grün leuchtenden Moosteppich überzogen. Und auch die Äste der Bäume, die sich einander immer zutraulicher annähern, sind mit dichtem Moos ummantelt. Überall könnten kleine Waldelfen oder Kobolde zwischen den Bäumen umherwuseln oder tanzen. Wenn das Licht durch die Bäume hindurch den Waldboden erreicht und das Moos stellenweise erhellt, scheint die Luft darüber zu flirren.
Am Ufer des Nessenbachs
Dann führt euch das PP nach links hinab und dem Nessenbach entgegen. Vorsicht, der Weg wird hier nach Regen richtig matschig. Hier bleibt kein Schuh sauber. Weiter unten steigt ihr über ein paar Stufen hinab, überquert einen hölzernen Steg und erreicht das Ufer des Nessenbachs. Dessen sandiges Bachbett lädt im Sommer zum Waten und Planschen ein, im beginnenden Frühling zumindest zu zaghaften Wasserspielchen.Zu den Wasserfällen
Nach gut 50 Metern entlang des Nessenbachs erreicht ihr eine weitere Wandertafel. Hier wechselt ihr vom Paul-Pfinzing-Weg nach links auf die Nessenbachrunde, deren Wanderzeichen ein schwarzer Nordic Walker auf lilafarbenem Grund ist. Diesem Zeichen folgt ihr einem sanften Anstieg hinauf, durchquert den Wald und überquert den vorderen Tiefen Graben. Hier wird der Wald erneut zum wahren Zauberort.
Nach etwa 900 Metern auf der Nessenbachrunde erreicht ihr den Knöpflegraben. Nun verlasst ihr das Wanderzeichen und wandert, nachdem ihr den Bachlauf überquert habt, entlang des Knöpflegrabens nach links oben. Unser Tipp: Haltet euch erst einmal oberhalb des Grabens. Zuerst ist der Pfad noch gut erkennbar. Doch dann wird es abenteuerlich. Orientiert euch immer am Verlauf des Knöpflegrabens.
Nichts für den Winter
Nach gut 200 Metern erreicht ihr den ersten von zwei Wasserfällen. Munter und quirlig fällt das Wasser des Baches über die Felsenkante und platscht auf die darunter liegende Steinplatte. Leider ist der Hang an dieser Stelle recht steil, sodass es, besonders in den Wintermonaten, kaum möglich ist, sich dem Wasserfällchen gefahrlos zu nähern. Doch auch von oben ist es wirklich hübsch anzusehen.
Ihr folgt weiterhin dem Knöpflegraben und steigt nach etwa 30 Metern hinunter, um den Bach zu überqueren und diesem auf der anderen Seite weiter zu folgen. Kurz darauf empfangen euch die beeindruckenden Sandsteinwände eines alten Steinbruchs und am Ende des Grabens der zweite, geheimnisvoll und romantisch inmitten der Felsen hinabstürzende Wasserfall. Fast wie das Tor in eine andere Welt öffnet sich dieser magische Ort vor euch und schmiegt sich sanft in den gewaltigen Fels. Ein Kraftort, der zum Verweilen und Genießen einlädt.
Besonders schöner Blick
Vom Wasserfall führt linker Hand ein erkennbarer Pfad nach oben, vorbei an einem Hochsitz und am Waldrand entlang geht ihr nach rechts hinüber zur Straße. Diese überquert ihr und folgt ohne Wegzeichen geradeaus dem Schotterweg, der euch bald aufs freie Feld und an einem weiteren, diesmal eisernen Hochsitz vorbeiführt. Besonders schön ist der Blick nach rechts hinüber Richtung Schönberg und zum Moritzberg.
Der Schotterweg macht bald eine Rechtskurve und scheint sich dann im Grün der Wiese zu verlieren. Doch keine Angst, euer Weg geht über die Wiese nach links weiter und mündet nach 400 Metern erneut in den geschotterten Paul-Pfinzing-Weg, dem ihr nach links hinüber zur Straße folgt. Hier stoßt ihr auf euer letztes Wanderzeichen, den Roten Punkt des Christian-Woesch-Wegs. Dieser führt euch ein wenig geradeaus Richtung Kohlschlag an der Straße entlang, um nach 200 Metern nach links in einen Feldweg abzubiegen.
Nun trägt euch der Rote Punkt über die Fläche und durch den Wald zurück nach Ottensoos und zum Parkplatz. Kurz bevor ihr diesen erreicht, passiert ihr noch einen kleinen Spielplatz.
Ein wenig Geschichte(n)
Die evangelische Kirche St. Veit in Ottensoos mit ihrem Kirchturm samt seinem leicht in sich gedrehten Ziegeldach ist weithin sichtbar. Gewidmet ist die Kirche dem Heiligen Sankt Veit, der zur Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian lebte. Obwohl Veit sogar den von bösen Geistern besessenen Sohn des Kaisers heilte, wurde er als Christ zum Tode verurteilt. Doch weder die Löwen in der Arena noch siedendes Öl konnten Veit etwas anhaben. Schließlich rettete ihn ein Engel und brachte ihn zurück nach Hause.
Hinter den hohen Mauern der Wehrkirche suchten die Bewohner des Ortes früher bei Gefahr Schutz. Man bezeichnet solche mit einer befestigten Mauer gesicherten Gotteshäuser deshalb auch als Kirchenburgen. Doch im Dreißigjährigen Krieg wurde Ottensoos mitsamt seiner Kirche überrannt, gebrandschatzt und geplündert und musste danach mühsam wieder aufgebaut werden.
Im Zuge dieser Arbeiten wurde im Jahr 1685 schließlich auch der Kirchturm von St. Veit fertiggestellt. Das Besondere an diesem Turm sind seine Dachziegel, genauer gesagt einer davon. Denn dieser eine Dachziegel stellt den Kirchenschatz von St. Veit dar. Nie wieder sollte jemand den Kirchenschatz rauben können. So schmolzen die Bürger von Ottensoos das Gold ein, gossen es in eine Ziegelform, strichen den goldenen Ziegel rot an und setzten ihn, zusammen mit all den anderen Ziegeln auf das Dach ihres Kirchturms.
Im Lauf der Jahre geriet das Versteck in Vergessenheit. Und so wurde der Kirchenschatz erst bei Renovierungsarbeiten, aufgrund seines höheren Gewichts, wiederentdeckt. Heute schmückt den Kirchturm ein einzelner goldener Ziegel. Ob es sich dabei um echtes oder falsches Gold handelt, bleibt ein wohl gehütetes Geheimnis.