LILLINGHOF — „Todespilot von Lillinghof“, so nennt die Boulevardpresse den 68-Jährigen, der am Sonntag auf dem kleinen Flugplatz bei Schnaittach mit seinem Doppeldecker in die Zuschauer gerast ist. Fakt ist: Der Mann hatte zuvor mindestens einen Unfall mit einem Flugzeug. Fakt ist aber auch: Daraus kann man laut Experten nicht auf die Ereignisse in Lillinghof schließen.
Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, soll der Mann aus dem hessischen Gelnhausen bereits 2002 und 2000 zwei schwere Flugunfälle gehabt haben. In einem Fall, nämlich im Januar 2002, sei er dabei mit einer „Tiger Moth“ unterwegs gewesen – also einem Flugzeug, das baugleich mit der rund siebzig Jahre alten Maschine ist, die in Lillinghof eine Frau getötet und 38 Menschen verletzt hat. Über diesen Unfall schreibt die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU), deren Experten auch jetzt vor Ort waren, um das Wrack zu untersuchen: „Kurz nach dem Abheben trat eine Triebwerkstörung auf. Der Pilot flog eine Umkehrkurve und und landete auf einer nicht mehr genutzten Bahn mit weichem Boden. Das Flugzeug überschlug sich.“
Flieger mit Vorgeschichte
Gegenüber der Pegnitz-Zeitung bestätigt die BFU in Braunschweig, dass der 68-Jährige der Pilot der 2002 in seinem Heimatort Gelnhausen verunglückten „Tiger Moth“ war. Von einem zweiten Unfall ist bei der Behörde derzeit nichts bekannt, ausschließen kann sie ihn aber nicht.
Ist der Mann vielleicht doch nicht der erfahrene Pilot, als den ihn die Mitglieder des Laufer Segelflugclubs beschreiben? „Vom Ablauf her hat der Unfall in Gelnhausen nichts mit dem in Lillinghof zu tun“, sagt Andreas Wilke von der BFU. Damals sei die Ursache eine Triebwerkstörung gewesen. Dafür, dass das Flugzeug am Sonntag in die Zuschauermenge gerast sei, gebe es auf jeden Fall „nicht nur einen Grund – leider Gottes ist das nicht so einfach“.
Allerdings, das gibt Wilke zu, müsse man die Vorgeschichte des 68-Jährigen „schon in die Waagschale werfen“. Er verspricht: „Wir schauen uns jetzt die Unfälle noch einmal an.“ Die BFU beleuchtet aber auch noch viele andere Aspekte des Unglücks in Lillinghof, von den Wetterbedingungen zum Zeitpunkt des Starts bis hin zur Platzierung der Zuschauer.
Auch dem Luftamt in Nürnberg, das die Veranstaltung erlaubt und vor Ort mit drei Mitarbeitern überprüft hat, mag Wilke noch keine Absolution erteilen: „Ob die Genehmigung in Ordnung war, steht noch nicht fest“, sagt er ausdrücklich – in einigen Medien war das nämlich berichtet worden. „Sie wird geprüft.“
Ein Verein unter Schock
Beim Laufer Segelflugclub, dem Veranstalter der Flugvorführung, steht man nach der Tragödie immer noch unter Schock und hat wenig Verständnis für wilde Spekulationen. Die Flieger in Lillinghof hätten schlicht nicht gewusst, dass der Pilot der „Tiger Moth“ bereits mindestens einen Unfall gehabt habe, betont Horst Zuber. Der Schnaittacher, der am Sonntag die Flugleitung innehatte und deshalb Zeuge der Ereignisse wurde, charakterisiert den 68-Jährigen als „tollen Kameraden“, der schon häufig bei Veranstaltungen in Lillinghof dabei gewesen sei.
„Wir sitzen fast jede Nacht zusammen“, erzählt Zuber von der Stimmung unter den Vereinsmitgliedern. Aus Respekt vor der Toten und den Verletzten bleibt der Flugplatz an diesem Wochenende gesperrt, obwohl ihn Staatsanwaltschaft und Polizei längst wieder für den Flugverkehr freigegeben haben. Wie es danach weitergeht, ist noch nicht geklärt.
Bereits seit Sonntag wird der Verein durch einen Anwalt aus München vertreten, auch wenn die Organisatoren laut Aussage der Polizei vermutlich keine Schuld trifft. Der Bayerische Luftsportverband als Dachorganisation hat den Juristen nach Lillinghof geschickt; er soll sich um die Interessen der Flieger kümmern.
Zuber beschäftigt nicht nur das Unglück selbst. Ihn hat auch die Reaktion vieler Zuschauer am Sonntag erschreckt. Manche von ihnen hätten ihre kleinen Kinder über die Absperrung der Feuerwehr gehoben, um ihnen eine bessere Sicht auf die kaputte Maschine zu geben – trotz der vielen Verletzten, die zu diesem Zeitpunkt noch rund um das Wrack behandelt wurden. „Da verliert man einfach den Glauben an die Menschheit“, sagt er.