Von wegen Fachkräftemangel

Wenn der Integrationsmotor stottert

Ramsi (hinten rechts) an seiner Arbeitsstelle im Kindergarten, den Ulrike Jahn (hinten Mitte) leitet. Sie würde ihn gern dauerhaft als Kinderpfleger anstellen. Mit auf dem Bild ist Dieter Murau vom Asylhelferkreis. | Foto: Gisa Spandler2020/04/Ezelsdorf-Ramsi2-scaled.jpg

EZELSDORF – Unflexibel ausgelegte Vorschriften und ein Behördendickicht werfen dem syrischen Lehrer Ramsi Ali bei seiner Ausbildung zum Kinderpfleger Knüppel zwischen die Beine. Dabei würde man ihn dringend brauchen. Eine Stelle hätte er schon, aber jetzt muss er einen weiteren Anlauf nehmen.

„Probleme am Arbeitsmarkt“ – das ist fast ein Synonym für Fachkräftemangel. Hinlänglich bekannt sind die Branchen, die darunter zu leiden haben, die Kinderbetreuung ist eine von ihnen. Das war vor Corona so und wird danach kaum anders sein. Da sollten die Verantwortlichen erfahrene, qualifizierte und willige Arbeitnehmer mit Kusshand nehmen. Sollte man meinen. Doch nicht selten vereiteln Vorschriften und steile Hierarchien schnelle Lösungen. Ein Beispiel.

Der Syrer Ramsi Ali ist 2015 aus seiner Heimat vor dem IS geflohen, wo er einen Abschluss in Literaturwissenschaften an der Universität Aleppo gemacht und als Lehrer gearbeitet hatte. Nach seiner Odyssee über die Balkanroute landete er in einer Asylunterkunft in Oberferrieden und entwickelte sich nach seiner Anerkennung als Asylberechtigter schnell zu einem Musterfall an Integration: Er lernte schnell Deutsch, nutzte jede Gelegenheit, Geld zu verdienen, um von den Sozialsystemen unabhängig zu sein, und bezog – auch durch die tatkräftige Unterstützung eines fähigen Ayslhelferkreises – schon bald seine eigene kleine Wohnung. Neben Jobs in der Gastronomie und als Dolmetscher bei Behörden verstärkte er den Kindergarten Ezelsdorf „Die Ezelmäuse“ in Teilzeit als Hilfskraft.

Beglaubigte Abschrichten reichen nicht aus

Der Träger der Kindertagesstätte ermöglichte ihm diese Ausbildung zum Kinderpfleger in Nürnberg, und der 34-Jährige widmete sich ihr mit Eifer und arbeitete nebenher weiterhin in Teilzeit im Kindergarten. Als er sich nun für die Prüfung an der zuständigen Berufsschule anmelden wollte, musste er erfahren, dass seine syrischen Zeugnisse, die er nur in beglaubigter Abschrift hat, nicht anerkannt würden. Für den jungen Syrer war es nicht leicht, sich schriftlich mit den in die Entscheidung zur Prüfung involvierten Stellen auseinanderzusetzen. In erster Linie Nici Bieber und Dieter Murau vom Helferkreis versuchten, ihn durch den Dschungel an zuständigen Behörden und den umfänglichen Schriftwechsel in Amtsdeutsch zu lotsen. Am Ende war klar: Er darf nicht antreten.

Die Zeugnisanerkennungsstelle in Gunzenhausen teilte wiederholt mit, dass nur die Originale gültig seien, es sei denn, die Schule erkenne die Kopien an. Karin Vedder, Direktorin des Landesamtes für Schule, an dem die Zeugnisanerkennungsstelle angesiedelt ist, teilt auf Nachfrage mit, dass grundsätzlich die jeweilige Schulleitung entscheidet, wer an der Schule aufgenommen beziehungsweise zu einer Prüfung zugelassen wird. In Zweifelsfällen werde jedoch die Zeugnisanerkennungsstelle des Landesamtes hinzugezogen. Zum Einzelfall Alis möchte sie aus datenschutzrechtlichen Gründen keine Stellung nehmen. Generell lässt sie aber wissen: „Für den Fall, dass die Zeugnisse nicht im Original vorgelegt werden können, nimmt die Zeugnisanerkennungsstelle aber eine Einstufung des ausländischen Bildungsnachweises in das bayerische Bildungssystem vor.“

Basierend darauf entscheidet die Schulleitung, ob ein Bewerber in die Schule aufgenommen oder zur Prüfung zugelassen wird. Dieses Vorgehen hat schließlich zur Ablehnung geführt. Michael Kölbl, der Schulleiter der zuständigen Berufsschule in Nürnberg, schreibt ebenfalls an den Boten, dass man aus Datenschutzgründen keine personenbezogenen Auskünfte erteilt. Entscheidungen wie die vorliegende würden aber „selbstverständlich entsprechend den Vorgaben der Schulordnung (BFSO) und der Schulaufsichtsbehörde getroffen“. Die Tatsache, dass Ramsi Ali sich schon über Jahre hinweg im Kindergarten bewährt hat, dass er dringend gebraucht wird, dass die Zeugnisse – darunter sein Abiturzeugnis und auch sein Bachelor-Abschluss – ja immerhin in Kopie vorhanden sind, zählt offensichtlich nicht. Zum Glück sieht man das nicht überall so: Ulrike Jahn hat Ali bereits zugesichert, dass er seine Stelle im Kindergarten nicht verlieren wird. Nur irgendwann muss er seinen Abschluss natürlich schon vorweisen können.

4000 Euro und Kommunikationsprobleme

Besonders ärgerlich: Als Ramsi Ali sich in Begleitung von Nici Bieber vor gut einem Jahr für den Kurs anmeldete, wurde ihm von Günther Heil vom Bildungszentrum für Pflege, Gesundheit und Soziales in Nürnberg mitgeteilt, dass er davon ausgehen könne, dass sein B1-Sprachdiplom in Deutsch und die beglaubigten Kopien für die Teilnahme an der Prüfung, die nun diesen Mai stattfinden soll, ausreichen würden. Hätte man dem jungen Syrer damals schon gesagt, dass dies längst nicht entschieden sei, dann hätte er sich wohl anders orientiert. Nun in diesem Februar, einen Tag bevor die Anmeldefrist für die Prüfung ablief, bekam er die abschlägige Antwort. Auch andere Gründe wie sein fehlender Mittelschulabschluss oder ein nicht vorgelegtes ärztliches Zeugnis wurden moniert. Da war das Kursgeld von 4000 Euro, das zu 80 Prozent der Diakonieverein und zu 20 Prozent Ramsi Ali selbst übernommen haben, längst bezahlt.

Nachdem sich der Bote an alle involvierten Stellen mit Bitten um Stellungnahmen gewandt hat, traf Anfang der Woche ein Schreiben bei Ramsi Ali ein, in dem ihm nun unerwarteterweise die Mitteilung gemacht wird, am 26. März, also nur wenige Tage später, könne er ersatzweise für das fehlendes B2-Diplom einen Test der Schule ablegen. Würde er den bestehen, würde der das geforderte Sprachzeugnis ersetzen. Doch was wie eine gute Nachricht klingt, kommt zu spät. Ali hätte von dieser Chance zeitnah wissen müssen, dann hätte er auch die Schule noch bis zu Ende besucht und den Stoff üben können. So aber hat er lieber auf die Teilnahme der bekannt schweren Prüfung verzichtet und stattdessen gleich eine Prüfung zum B2-Diplom abgelegt. Im Mündlichen hat er die Eins, auf das schriftliche Ergebnis wartet er noch …

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