NÜRNBERGER LAND – Jahrelang nahezu hilflos und rechtlos dem Betreuer ausgeliefert – der Fall Britney Spears geht durch die Medien. „Aber so einen Fall würde es bei uns nie geben, die deutschen Gesetze sind vollkommen anders“, erklärt Jürgen Baumann vom Betreuungsverein der Diakonie Nürnberger Land in Hersbruck.
„Wir handeln zum Wohle der Betreuten und sind deren rechtliche Vertreter. Wenn es irgendwie geht, werden die Wünsche unserer Betreuten umgesetzt“, so Baumann weiter. Er und sein Team werden vom Amtsgericht als Betreuer bestellt, nachdem das Gesundheitsamt, ein Arzt oder eine Person selbst eine Betreuung angeregt haben und diese durch ein ärztliches Gutachten befürwortet wurde. Derzeit werden vom Betreuungsverein zirka 100 Personen rechtlich betreut.
Dabei sind es keinesfalls nur ältere Menschen, die teilweise auch in Heimen betreut werden. 42 Prozent sind zwischen 40 und 59 Jahre alt und elf Prozent sogar unter 29 Jahre. Die meisten Menschen haben eine psychische Beeinträchtigung und/oder Suchtprobleme. Ziel der rechtlichen Betreuung ist es, dass diese nach einiger Zeit wieder aufgehoben und die Betreuten ihre Angelegenheiten selbstständig regeln können. Schon nach einigen, spätestens jedoch nach sieben Jahren, wird ein erneutes psychiatrisches Gutachten erstellt und die Situation neu bewertet.
Betreuung trotz Krise
Auch im Betreuungsverein war Corona eine große Herausforderung. Trotz Pandemie mussten die Menschen rechtlich betreut werden: „Manche holen sich ihr Geld wöchentlich in bar bei uns ab, das konnten wir ja nicht einfach stoppen“, so Baumann. Durch das offene Fenster, Spaziergänge mit Abstand, Telefonate wurde der regelmäßige Kontakt aufrechterhalten. Für jeden Fall fand das Team eine maßgeschneiderte, individuelle Lösung.
Neben dem Führen von Betreuungen gehören Beratung und Öffentlichkeitsarbeit zu den weiteren Aufgaben des Betreuungsvereins: Oft werden rechtliche Betreuungen auch von Angehörigen ehrenamtlich geführt. Die Beratung der ehrenamtlichen Betreuenden, die vielfältige Fragen und Anliegen haben, übernimmt der Betreuungsverein. Darüber hinaus hält Jürgen Baumann Vorträge zu den Themen Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. Einzelberatungen zu diesen Themen werden telefonisch, meistens jedoch im Rahmen eines persönlichen Gesprächs durchgeführt.
Notvertretung in der Ehe
Manchmal geht es darum, erst einmal einen Überblick zu vermitteln. Oft bringen Menschen aber schon ihre Unterlagen mit und bitten um konkrete Hinweise, wie und was gut wäre zu entscheiden, wenn es um die Bevollmächtigung einer Person geht. Außer im Bereich der Vertretung von Kindern durch die Eltern gibt es in der rechtlichen Vertretung keinen Automatismus: „Viele Menschen denken, meine Angehörigen dürfen automatisch für mich unterschreiben und handeln, wenn ich nicht mehr für mich sorgen kann“, sagt Baumann. „Doch stattdessen wird oft zuerst ein Betreuer vom Amtsgericht bestellt, wenn keine gültige Vorsorgevollmacht vorliegt“.
Zum Januar 2023 tritt als Ausnahme das Notvertretungsrecht in Angelegenheiten der Gesundheitssorge für Ehegatten und eingetragene Lebenspartnerschaften in Kraft, das allerdings auf sechs Monate begrenzt sein wird. Erwachsene Kinder, andere Verwandte oder Vertrauenspersonen dürfen weiterhin nichts regeln. Darum ist es für jeden wichtig, über die Themen informiert zu sein und vorzusorgen. Veranstaltungen und Vorträge können ab sofort – unter Einhaltung aller Hygienevorschriften – von Gemeinden, Seniorenheimen oder Vereinen wieder „gebucht“ werden.
Iris Lederer
Kontakt: Betreuungsverein der Diakonie im Nürnberger Land, Tel: 09151 837710, E-Mail: [email protected]