HERSBRUCKER SCHWEIZ – Es geht aufs Abi zu und für viele ploppt damit die Frage auf, ob und was studieren. Doch was, wenn man nicht aus einer Akademikerfamilie stammt und auf keine Erfahrungswerte in Sachen Uni zurückgreifen kann? Zudem macht es die Pandemie kaum möglich, sich vor Ort an einer Hochschule zu informieren. Hier möchte die Initiative „ArbeiterKind.de Bayern“ mit drei Online-Veranstaltungen helfen. Warum, das erklärt die Ehrenamtliche Maria Heckel.
Was ist „ArbeiterKind.de“ eigentlich?
Wir sind eine Ehrenamtsorganisation, das heißt die Engagierten sind oftmals selbst die ersten in ihrer Familie, die studieren oder studiert haben. Sie wirken als Vorbilder und geben ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter. Die hohe Glaubwürdigkeit dieser Vorbilder ist dabei ein wesentlicher Erfolgs- und Vertrauensfaktor. Wir unterstützen persönlich mit offenen Treffen, Sprechstunden und individuellem Mentoringangebot. Darüber hinaus ist ein Info-Telefon montags bis donnerstags geschaltet, auch über die Website www.arbeiterkind.de und ein eigenes soziales Netzwerk http://netzwerk.arbeiterkind.de werden Informationen und Unterstützung angeboten.
Braucht es so eine Initiative heute wirklich noch, in einer Welt, in der doch jedem alle Bildungsmöglichkeiten nach dem Leistungsprinzip offenstehen und es nicht auf Geld oder Stand ankommt?
Die Statistik spricht hier leider eine deutliche Sprache. Die Bildungslaufbahn ist in Deutschland immer noch eng mit dem Elternhaus verknüpft: Von 100 Kindern aus nicht-akademischen Familien nehmen nur 27 ein Studium auf, obwohl doppelt so viele das Abitur bestehen. Von 100 Kindern aus Akademikerhaushalten studieren dagegen 79. Die gemeinnützige Organisation ArbeiterKind.de ermutigt Schülerinnen und Schüler aus Familien ohne Hochschulerfahrung, als Erste in ihrer Familie zu studieren. Es bestehen viele Unsicherheiten, wenn keine Hochschulerfahrung in der Familie oder im sozialen Umfeld vorhanden ist. Die Fragen beginnen bei der Studienorganisation, der Studienfachwahl, bis hin zur Studienfinanzierung, BAföG und Stipendien. Viele wesentliche Informationen müssen mühsam erarbeitet werden. Hinzu kommt die Unsicherheit zu Beginn. Viele Studierende der ersten Generation meinen, sie seien nicht gut genug für ein Studium, obwohl sie alle Voraussetzungen mitbringen. Der Habitus des Hochschulbetriebes ist erst einmal fremd.
Was hat Sie bewogen, sich hier ehrenamtlich zu engagieren?
Für mich ist es wichtig, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft in Firmen und Organisationen Verantwortung übernehmen. Verantwortliche Positionen in Politik und Gesellschaft können in vielen Bereichen vor allem nach einem Studium erreicht werden. Junge Erwachsene aus Familien, in den es nicht üblich ist, zu studieren trauen sich dies vielleicht nicht zu, obwohl sie alle Voraussetzungen dazu hätten. Oder aber sie kommen gar nicht auf die Idee, dass das eine Möglichkeit für sie sein könnte, weil ihnen Vorbilder fehlen. Ich denke, dass wir Menschen viel daraus lernen wie andere sich verhalten, was andere tun und erreichen. Ich habe nach dem Abi am Hersbrucker PPG selbst erlebt, wie es ist mit einem Studium zu beginnen, ohne im Umfeld Personen zu haben, die das selbst schon gemacht haben. Ungern wollte ich mich da als unwissend zu erkennen geben. Mir persönlich ging das auch dann noch so, als ich eher durch Zufall von einem Promotionsstudiengang erfahren hatte. Ich kannte wirklich niemanden, der promoviert hatte persönlich. Wahrscheinlich hätte ich manches anders gemacht, aber vor allem wäre ich nicht so eingeschüchtert und oft auch verunsichert gewesen, hätte mir jemand da mal aus seiner eigenen Erfahrung berichtet.
Können Sie kurz umreißen, wie Ihre Arbeit aussieht?
Wenn möglich, nehme ich am Stammtisch der Gruppe Nürnberg-Erlangen teil, der im Moment virtuell stattfindet – jeden zweiten und vierten Donnerstag im Monat ab 19.30 Uhr unter http://Meet.jit.si/AK-Nuernberg-Erlangen. Dort treffen sich Engagierte und Schülerinnen, Schüler und Studierende, die konkrete Fragen haben oder sich austauschen wollen. Zudem habe ich ein Auge auf das E-Mail-Postfach der Gruppe. Dort kommen Anfragen von Schülern und Studierenden, die einen Rat benötigen, von solchen, die sich gerne selbst engagieren wollen. Verschiedene Organisationen senden interessante Newsletter, die ich dann an die Mitglieder der Gruppe weiterleite. Im Moment plane ich mit vier anderen Engagierten und unter Anleitung und Unterstützung von ArbeiterKind.de Bayern eine der drei virtuellen Schulveranstaltungen, die im Mai und Juni stattfinden.
Die kommende Online-Veranstaltung des Bayern-Ablegers beschäftigt sich mit dem Thema „Von der Schulbank an die Hochschule“. Worum geht es da und für wen ist das Angebot gedacht?
Es ist ein Angebot für Schülerinnen und Schüler, die bald Abitur machen und es geht darum zu erklären, welche Voraussetzungen für ein Studium nötig sind, wie eine Finanzierung gelingt und welche Kriterien bei der Wahl eines Studiengangs eine Rolle spielen. Vor allem geht es uns darum, auch mit unseren eigenen Geschichten und Erfahrungen, die Schülerinnen und Schüler zu motivieren, sich über das Studieren informieren zu können. Wir hoffen so einen Beitrag zu leisten, dass sie gut informiert eine Wahl für ihren nächsten, spannenden Lebensabschnitt treffen können. Schüler können all ihre Fragen stellen und wir informieren sie auch, welche Unterstützung sie zukünftig bei ArbeiterKind.de finden können, wenn sie denn ein Studium beginnen.
Die Ziele der Veranstaltung sowie von „ArbeiterKind.de“ sind …?
Die Vision von ArbeiterKind.de ist, dass jedes Kind unabhängig von der sozialen Herkunft eine informierte Entscheidung über den weiteren Bildungsweg treffen kann und bei entsprechender Eignung die Chance auf einen Bildungsaufstieg hat. Wir ermutigen Schülerinnen, Schüler und Studieninteressierte zum Studium und begleiten sie auf dem Weg bis zum Studienabschluss und Berufseinstieg.
Weitere Informationen und Anmeldung zur kostenlosen Veranstaltungsreihe unter https://civi.arbeiterkind.de/InfoszumStudium_BY