LAUF — Angelika Demmerschmidt referierte in Lauf über die Gefahren industrialisierter Massentierhaltung, den damit verbundenen Einsatz von Antibiotika und die daraus resultierende, steigende Zahl multiresistenter Keime. Die ehemalige Antenne-Bayern-Moderatorin ist inzwischen Referentin für Kommunikation und Medien des ÖDP-Europaabgeordneten Prof. Dr. Klaus Buchner, dessen bundesweite Kampagne „Klaus graust‘s“ sie vorstellte. Zu dem Vortrag hatte der ÖDP-Kreisverband in den Gasthof „Zur Post“ eingeladen.
Klaus Buchner, den Initiator der emotionalen Kampagne, graust es: vor der qualvollen, völlig beengten Tierhaltung in schwindelerregender Größenordnung und beim Gedanken an deren globale ökologische und soziale Folgen. Es graust ihn nicht nur so sehr, dass ihm der Appetit vergeht, ihn befällt auch die Angst: Jedes Jahr sterben weltweit – in steigendem Maße – Menschen an Infektionen, weil Antibiotika nicht mehr wirken. Wenn gegen diesen Umstand nicht schnellstens etwas unternommen wird, könnten im Jahr 2050 weltweit mehr Menschen an Antibiotikaresistenzen sterben als an Krebs. So besagt es eine Studie des Universitätsklinikums Berliner Charité. Für Buchner ist das die Rückkehr ins medizinische Mittelalter.
Antibiotika-Resistenzen entstehen durch wiederholte, falsch indizierte Verabreichung dieser Medikamente. Wenn dann bei einer Infektion ein Antibiotikum eingesetzt wird, überleben die resistenten Keime und vermehren sich rasant, „im 30-Minuten-Takt“, wie Angelika Demmerschmidt hervorhob.
Antibiotika werden – oft rein präventiv – in der Massentierhaltung eingesetzt. Bei einer artgerechten Haltung wäre dies nicht nötig, betonte Demmerschmidt und warnte: „Durch derartig umfangreichen missbräuchlichen Einsatz an gesunden Tieren kommt es zu einer rapid steigenden Zahl von multiresistenten Keimen, den sogenannten Krankenhauskeimen“, wie MRSA (Methicillin resistenter Staphylococcus aureus).
Über die Gülle ins Trinkwasser
„Multiresistente Keime aus der Landwirtschaft gelangen in Besorgnis erregendem Ausmaß über die Gülle auf Felder und ins Grundwasser und werden in vielfacher Weise auf den Menschen übertragen. Dadurch werden unsere Antibiotika zunehmend wirkungslos“, erklärte Angelika Demmerschmidt den Zuhörern in Lauf.
Zwar habe das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vor kurzem verlautbart, dass die Menge der Antibiotika in der Tiermedizin – sowohl die Medikamentenverschreibung als auch der –verkauf – in letzter Zeit halbiert worden sei, doch das hält die Referentin für Augenwischerei. Und ist damit nicht allein: Die Initiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“ betont, dass diese vermeintlich gute Nachricht gar keine ist. Im Gegenteil, sie verdecke die alarmierende Tendenz, in der Massentierhaltung zunehmend hochwirksame und für die Humanmedizin wichtige (Breitband-)Antibiotika einzusetzen, sogenannte „Reserve-Antibiotika“. Diese „Notfall-Antibiotika“ haben eine 70-fach höhere Wirksamkeit als gewöhnliche Mittel. Daher würde zwar die Menge der eingesetzten Antibiotika in der Tiermedizin reduziert, doch die gefährliche Resistenzentwicklung sogar noch gefördert, so die Ärzte-Initiative.
Billigfleisch durch TTIP und Co.
Aus aktuellem Anlass wies Demmerschmidt auch auf die Warnungen des Europaabgeordneten Buchner hin, dass durch die geplanten Freihandelsabkommen CETA und TTIP weitere Millionen „billiges Massenfleisch“ auf den europäischen Markt kämen. „Es geht darum, menschliches (und tierisches) Leben zu retten, nicht darum, mehr Hähnchen früher schlachtreif zu haben“, bringt es Dr. Gerd-Ludwig Meyer von dieser ärztlichen Initiative in einem Interview mit Demmerschmidt auf den Punkt. Und Tierarzt Professor Chris Walzer fordert: „Wir müssen uns überlegen, ob wir unsere therapeutische Speerspitze gegen Infektionen wirklich dem Profit opfern wollen. Die Resistenzen machen unsere besten Arzneien wirkungslos …“.
Der interessante, ebenso fundierte wie engagierte Vortrag Demmerschmidts ließ den leider kleinen Zuhörerkreis sehr nachdenklich zurück. In der abschließenden angeregten Diskussion kamen viele persönliche Erfahrungen aus der Erzeuger- und Verbrauchersicht zur Sprache. Nachgedacht wurde unter anderem darüber, wie Werte besser an nachfolgende Generationen vermittelt werden können und wie nachhaltige Wirtschaftsmodelle unter Berücksichtigung aller Kosten, ökologischen sowie gesellschaftlichen Folgen aussehen könnten.Hermann Hatzelmann
Näheres zum Thema unter www.klausgrausts.eu oder www.esanum.de/arzte-gegen-massentierhaltung/ im Internet.