NÜRNBERGER LAND – Eine junge Mutter verliert im Scheidungsstreit mit ihrem Mann das Sorgerecht für ihre Kinder. Ausschlaggebend für das Urteil ist ein vom Amtsgericht Hersbruck im Rahmen eines Sorgerechtsstreits in Auftrag gegebenes Gutachten, das bei näherer Betrachtung viele Fragen aufwirft.
Christa Berger (31) sei depressiv und emotional instabil. Es bestehe die Gefahr eines erweiterten Suizids, schreibt ein vom Amtsgericht beauftragter Gutachter über die junge Frau, deren Namen wir geändert haben. Sie lebt im Nürnberger Land und kämpft seit Monaten um ihre beiden Kinder, die ihr das Familiengericht in Hersbruck weggenommen hat. Dabei stützte sich das Gericht auf das Gutachten, das der 31-Jährigen die nötige Erziehungsfähigkeit abspricht. Wer ist Christa Berger? Eine lebensmüde Frau, die möglicherweise ihre Kinder mit in den Tod reißt? Davon jedenfalls musste die Richterin am Hersbrucker Amtsgericht ausgehen, als sie die Entscheidung traf, das Sorgerecht über die beiden Kinder dem Vater zu übertragen. Davon ging man auch beim Jugendamt in Lauf aus. Doch inzwischen gibt es erhebliche Zweifel.
Polizei holt Kinder ab
Rückblick: Als am 1. August 2012 am Hersbrucker Amtsgericht die Entscheidung fällt, dass Christa Berger das Sorgerecht für ihre beiden Kinder verliert, fährt sie mit dem vierjährigen Jungen und seiner siebenjährigen Schwester zu einer Freundin nach Nürnberg, um mit ihr den Ausgang des Gerichtsverfahrens zu besprechen. Mit dabei auch das jüngste Kind der 31-Jährigen, ein drei Monate altes Baby, das sie zusammen mit ihrem jetzigen Lebensgefährten hat. Am Abend steht dann plötzlich ein Sondereinsatzkommando der Polizei vor der Wohnungstür ihrer Freundin. Gefahr im Verzug, hieß es für die Beamten, deren Einsatzbefehl auch wieder auf dem Gutachten basiert, das Christa Berger als suizidgefährdet und gefährlich für die eigenen Kinder einstuft. Die werden der jungen Frau nun weggenommen. Während die beiden älteren zu ihrem Vater gebracht werden, kommt das Baby zu einer Pflegerin. Die Mutter nimmt man mit zur Wache. Zwei Stunden sitzt Christa Berger in der Polizeiinspektion Altdorf. Dort eröffnen die Beamten ihr, dass man sie ins Bezirkskrankenhaus nach Engelthal bringen muss. Dort zeigt sich das medizinische Personal nach einer ersten Untersuchung der jngen Frau überrascht. „Die Patientin wirkt bei der Aufnahme gefasst, geordnet, sehr freundlich und auskunftsbereit“, beschreibt Oberarzt Ernst Höfler die Situation. Sie habe betont, um ihre Kinder kämpfen zu wollen und sei traurig gewesen. Für die Mediziner im Bezirksklinikum ergab sich dann kein einziger Anhaltspunkt, der auf eine psychische Erkrankung der 31-Jährigen hingedeutet hätte. „Insbesondere ergab sich kein Anhalt für Suizidalität“, stellt der Oberarzt fest. Konsequenterweise entließ man die um Mitternacht angekommene Patientin schon am nächsten Tag.
Beim Jugendamt ist man unterdessen ratlos. Einerseits gibt es das auf Anordnung des Gerichts erstellte Gutachten, das Christa Berger als suizidgefährdet und erziehungsunfähig beschreibt, andererseits kommt jetzt das Signal aus Engelthal, dass die 31-Jährige offenbar geistig völlig gesund ist. Man entschließt sich jetzt ganz schnell, der jungen Frau zumindest ihr drei Monate altes Baby zurückzugeben. Die beiden älteren Kinder bleiben aber bei ihrem Vater, auf dessen Initiative erst das gerichtliche Gutachten über Christa Berger zustande kam.
Für Rechtsanwalt Jörg Zitzmann ergaben sich bei der Lektüre des für seine Mandantin Berger so verhängnisvollen Gutachtens eine ganze Reihe von Widersprüchen. Auf seine Anregung hat deshalb der Laufer Neurologe und Psychiater Dr. Gernot Sommer ein Nervenärztliches Gutachten über seine Mandantin erstellt. Dessen Quintessenz: Es liegt kein Hinweis auf bedeutsame seelische Störungen vor. Und es gibt auch keine Hinweise auf irgendwelche hirnorganischen Beeinträchtigungen. Er könne die vom Gerichts-Gutachter gestellten Diagnosen nicht nachvollziehen, fasst Sommerer zusammen. Eigentlich eine Ohrfeige für den vom Gericht beauftragten Sachverständigen. Nicht die einzige: Thomas Lippert, Nürnberger Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie hat das Gerichts-Gutachten unter die Lupe genommen und anschließend regelrecht zerpflückt: „Es ist völlig unklar, woher der Sachverständige seine Informationen bezogen hat, die zu seiner ausführlichen Beurteilungen führen“, so Lippert . Dieser habe bei Christa Berger zwar eine „emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom impulsiven Typ“ diagnostiziert, aus seinem Gutachten könne aber nicht abgeleitet werden, worauf sich diese Diagnose stützt. Und überhaupt: Die Schlüsse des Gerichts-Sachverständigen könnten nicht überprüft werden, da der Gang der Untersuchung in dessen Gutachten nicht nachvollziehbar dokumentiert sei.
Begegnung nur unter Kontrolle
Schwere Geschütze also gegen die Arbeit des Sachverständigen, die die Grundlage für ein Urteil gegen Christa Berger bildet. Konsequenzen allerdings gibt es nicht. Die 31-Jährige darf ihren inzwischen fünfjährigen Sohn und ihre achtjährige Tochter nur zweimal monatlich sehen – in behördlich kontrollierten Räumen unter Aufsicht. Unter denselben Bedingungen also, die auch für Eltern gelten, denen man sexuellen Missbrauch vorwirft, oder die Drogen konsumieren.
So kann es nicht weitergehen, sagt Christa Berger. Sie hat vor dem Oberlandesgericht Nürnberg Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Hersbruck eingelegt. Darüber wurde am 1. August verhandelt, wobei die Richter betonten, dass das vom Amtsgericht in Auftrag gegebene verhängnisvolle Gutachten für sie keine Rolle bei ihrer Entscheidung spiele. Jetzt liegt das Urteil des OLG vor. Alles bleibt, wie es ist. Das Sorgerecht soll weiterhin der Vater behalten, die Kinder sollen bei ihm leben, und die Mutter darf sie weiterhin nur zweimal monatlich sehen. Unter Aufsicht. Jörg Zitzmann kündigt an, dagegen in die Revision zu gehen.
Ganz offensichtlich gelingt es der bayerische Justiz nicht, sich von ihrer vermeintlichen Allmacht zu verabschieden und sich ihrer eigentlichen Bestimmung zu widmen – nämlich für Recht zu sorgen. Hier wird das grundlegende Menschrecht missachtet und einem rachesüchtigen Vater Hilfestellung bei seinem Rachefeldzug gewährleistet. Die Kinder gelten nur als Kolateralschaden. Meines Wissens sind die Kinder befragt durch die Richterschaft befragt worden, wo sie leben möchten. Sie äußerten wiederholt, auch für den Mitarbeiterin des Jugendamtes, dass sie bei der Mutter und den Geschwistern leben wollen. Doch der Willen der beiden wird einfach ignoriert. Auch die Eltern von Frau Berger durften ihre Enkel über lange Zeit nicht sehen. Erst ein Gerichtsurteil erlaubte ihnen nunmehr ein Mal monatlich einen begleiteten, also kontrollierten, Umgang mit den Kindern. Ein unglaublicher Skandal! Ich hoffe, dass die Kinder bald Unterstützer und Fürsprecher finden.
Eine Mutter auf zehn Väter So ungefähr sieht die Verteilungsquote aus, wenn die Zuteilung von Kindern an Elternteilen nach Gutachten vorgenommen wird. Mir liegt es fern hier ein „Bätsch, nun hat´s auch mal ne Mutter getroffen“ abzusetzen, möchte jedoch anmerken, dass es mir auffällt, wenn ein Redaktuer hier hilfreich zur Seite springt und die Angelegenheit noch garniert mit Klopfern, zum begleiteten Umgang, wie: „…die auch für Eltern gelten, denen man sexuellen Missbrauch vorwirft, oder die Drogen konsumieren.“ Gschmäckle? Keinesfalls, solange es Kerle betrifft, die mit Vorwürfen überzogen werden. Und wenn die Vorwürfe mal nicht verfangen, dann hat der böse Vater eben das Gutachten „initiiert“. Oder dem Wunsch der Kinder wurde nicht entsprochen, als ob das Kindeswohl dem Kindeswille entspräche. Anstatt sich an solchen verfahrenen Situationen abzuarbeiten, wäre es angebracht, sich grundlegend mit dem Thema zu befassen und sich Fragen zu stellen, wie: „Warum gehören Kinder eigentlich EINEM Elternteil?“ „Welche Alternativen sind denkbar?“ „Wie können parnterschaftliche Konflikte zukünftig so beigelegt werden, dass die Verluste so gering wie möglich ausfallen und keine Partei alleine trifft?“ „Wie können die Kinder aus den Konflikten so weit wie möglich herausgehalten werden?“ Wechselmodell: Psychologie – Recht – Praxis (H. Sünderhauf)
@Partisan Prinzipiell ist klarzustellen, dass die Kinder keinem „gehören“. Denn dieser Besitzanspruch ist Nährboden für Konflikte. Es geht auch nicht darum, ob es sich um einen Vater oder eine Mutter handelt. In dem obigen Fall geht es darum, dass zwei Kinder mit Unterstützung der Justiz gegen ihren Willen bei einem Elternteil zwangsverbracht wurden und sie seit einem Jahr grundlos von ihrem sozialen Umfeld isoliert werden. Die psychischen Folgen werden von den Verursacher billigend in Kauf genommen.
@pianofilm,
es ging mir in meinem ersten Kommentar nicht darum die Zugehörigkeit von Kindern zu klären. Diese Frage kann man auch gemäß Jesper Juul beantworten und u.a. mit SGB VIII, § 8a und den sich hieraus belegten Entwicklungen betreffend Sorgerechtsübertragungen begründen.
Mein Ziel ist es erkennbar auch nicht einen Elternteil über sein Geschlecht als besseren zu etablieren. Im Gegenteil.
Bezüglich psychische Folgen ist in den meisten Fällen anzuraten den Kindern beide Elternteile (ET) auch nach deren Trennung zu erhalten. Aus dem Grund mein Hinweis auf die Monografie, von Hildegund Sünderhauf.
Nur ist es bisher so, dass 1. die Bundesgesetze lediglich einen ET als betreuenden und den jeweils anderen als Geld beschaffenden vorsehen (gemäß Residenzmodell) und Familienrichter/innen auf dieser Grundlage Gutachter/innen bestellen, um herauszufinden welcher ET denn welche Aufgabe zukünftig erfüllen möge. Schon hier ist die Frage der Zugehörigkeit der Kinder beantwortet, wenn der Staat die Judikative entscheiden lässt.
Das Resultat solcher zuordnenden Gutachten wird von daher fast ausschließlich sein, ETe zu Gewinnern und Verlierern zu machen. Gesetze, Gutachten, Beschlüsse zur Residenz – das ist der Irrweg.
Wenn insbesondere Mütter unter den zwei am häufigsten genutzten Vorwänden (neuer Partner, bessere berufliche Perspektive) mit ihren ganz eigenen Kindern innerhalb Deutschlands das Weite suchen, kräht kein Hahn danach. Da greift keine an das Haager Übereinkommen angelehnte nationale Vereinbarung wirklich und eine EA bewirkt selten mehr, als die Verzögerung des Projekts „Umzug, mit Topfpflanze, aka Kind“.
Aus dem Artikel geht nicht hervor, ob die vorgestellte Protagonistin anders motiviert ist als der Vater der gemeinsamen Kinder. Wie sollte ich davon davon ausgehen können, dass sie `der bessere ET´ wäre?
Zielführend wäre eine Überarbeitung der Gesetzgebung mit der Erkenntnis, dass beiden Elternteile Verantwortung übernehmen – als Recht und Pflicht. Die gängige Praxis ist, dass Kinder sich zwischen einem ET entscheiden müssen. Falls diese Willensäußerung nicht in das subjektive Bild der MA des Jugendamts oder Richter passt, wird eben mal schnell der Willen der Kinder ignoriert. Dann ist ausschlaggebend, wie gut es dem einen ET gelungen ist, sich zu präsentieren – egal ob die Kinder bei ihm fremdbetreut werden müssen, da er von sieben bis neunzehn Uhr außer Haus ist, und der andere ET eine Rundumdieuhrbetreuung gewährleisten kann. Ich glaube wir sind uns einig – hier gibt es ganz viel zu tun!
Vielen Dank, dass ein weiterer Missstand in Deutschland/Bayern öffentlicht wurde. Deutschland steht in Punkto Kinderfeindlichkeit, laut einer Studie der Hamburger Stiftung für Zukunftsfragen, welche europaweit erhoben wurde, an erster Stelle.
In familienrechtlichen Verfahren werden Kinder, besonders in Bayern, immer wieder außen vor gelassen. Es spielt keine Rolle, ob Kinder ihren Willen kundtun, sie erhalten kein rechtliches Gehör. Oft sind elterliche Streitigkeiten so „laut“, dass die Bedürnisse der Kinder überhört werden.
Ich begrüße, dass die Rechte der Väter im Fall einer Trennung von der Mutter der gemeinsamen Kinder gestärkt wurden. Dieser gutgemeinte Ansatz ist offensichtlich noch nicht ausgereift und derart praxistauglich, dass es dem Kindeswohl dient. Zum einen wurden die elternliche Rechte auf beide Elternteile verteilt, wodurch die Rechte der Mütter geschmälert wurden, zum anderen werden die Rechte der Kinder nicht im adäquatem Maße berücksichtigt. Wenn ein Kind sich weigern sollte, Umgang mit den getrennt lebenden Elternteil zu haben, wird dieser ihm notfalls mit Gewalt auferlegt. Da hilft es dem Kind nicht, dass in Deutschland solche Praktiken rechtswidrig sind. Es fehlt in diesem Lande an einer starken und tatkräftigen Lobby für Kinder!
Fatal ist es auch, wenn Kinder in familienrechtlichen Verfahren eine Verfahrensbeistandsschaft erhalten, die in ihrer Außenwirkung positiv erscheint, jedoch durch mangelnde Vertretung der Kindeswünsche und -bedürnisse diese konterkariert. Ist ein Elternteil von falschen und v.a. rufschädigenden gutachterlichen Tätigkeiten betroffen, werden diese von öffentlichen Stellen (Verfahrensvertretung, Richterschaft, Jugendamt, etc.) unreflektiert übernommen.
Die Arbeit von Gutachtern wird als der Weisheit letzter Schluss gehandelt. Es gibt viele Mitglieder dieses Standes, die ihre Aufgabe gewissenhaft erfüllen. Jedoch arbeiten auch Menschen in diesem Bereich, die andere Interessen, insbesondere unredliche, verfolgen.
Den letzten „gutachterlichen Skandal“ mussten wir im „Fall Mollath“ zur Kenntnis nehmen. In diesem Bereich fehlt es dringlichst an einem Kontrollorgan!
Die regensburger Richterschaft selbst forderte vor Mollaths Entlassung aus der „Anstalt“ mit Nachdruck ihre Autonomie ein. Das ist in einer Demokratie auch unabdingbar und steht außer Frage. Ebenso zwingend ist jedoch in einer Demokratie die Gleichheit bei der Anwendung und Einhaltung von Gesetzen notwendig – auch für Kinder. Ich denke es gibt in unserem Land noch sehr viel zu tun.
Im von Ihnen berichteten Skandal bleibt zu wünschen, dass die Kinder rechtliches Gehör erhalten und sie dorthin zurückkehren, wo sie vier und sieben Jahre lebten. Offensichtlich ist ihr Wunsch bei ihrer psychisch gesunden Mutter zu leben!
Es ist gut, dass es Journalisten gibt, die sich auch unbequemen Themen widmen und ich hoffe auf weitere Berichte über diesen Fall, der uns alle etwas angeht!
Leider ist das kein Einzelfall.
Wir kennen derzeit mehrere dieser Entschiedungen und haben uns zusammengetan, das öffentlich zu machen und dagegen vorzugehen.
Auch ich bin betroffene Mutter.
von Beruf sozialpädagogin wurde mir mein 8jähriger Sohn genommen, um ihn von seinem alkoholkranken Vater betreuen zu lassen. dieser ist nicht in der Lage das an Zliakie erkrankte Kind richtig zu ernähren. Ich fand meinen Sohn total abgemagert im Krankenhaus wieder.
Bitte setzen Sie sich mit mir in verbundung. wir können uns gegenseitig helfen