NÜRNBERGER LAND — Bio-Produkte gibt es längst im Discounter. Immer mehr Hersteller setzen auf Massenware – und prompt beginnt die Diskussion um artgerechte Tierhaltung auch in der Branche mit dem sauberen Image. Bio-Bauern aus dem Nürnberger Land halten mit Transparenz dagegen und suchen ihre Nische im regionalen Vertrieb. Das verspricht Wachstum: Nirgendwo in Mittelfranken existieren so viele ökologisch bewirtschaftete Höfe wie im Landkreis.
Markus Winkelmann spricht Klartext: „Auch in meinem Stall ist einmal ein Huhn dabei, das keine Federn hat.“ Unter den Tieren gebe es eine Hackordnung, da sei das nicht zu vermeiden. Trotzdem ist der 31-jährige Bauer aus Götzlesberg bei Schnaittach, der nach den Richtlinien des Demeter-Verbands arbeitet, überzeugt, dass es dem Geflügel auf seinem Hof gut geht. „Wir müssen uns nicht verstecken“, sagt er.
Demeter hat besonders strenge Regularien: Ein lediglich mit dem Bio-Siegel der Europäischen Union ausgezeichneter Hof darf 230 Legehennen pro Hektar Betriebsgröße halten, der Verband erlaubt nur 140. Konventionell hergestelltes Futter verwendet Winkelmann nicht. Bei ihm teilen sich etwa viereinhalb Hühner einen Quadratmeter, die EU-Vorschrift gestattet bis zu sechs Tiere auf der gleichen Fläche. Der Götzlesberger Stall hat einen großen Auslauf.
Der 31-Jährige, der den Hof im März 2011 von seinem Vater, einem Demeter-Pionier, übernommen hat, versorgt aktuell 3000 Tiere. Ein zweiter Stall mit gleichem Fassungsvermögen ist schon fertig gebaut. Die Nachfrage nach Demeter-Eiern wächst. Winkelmann: „Wir sind in der glücklichen Lage, dass die Läden inzwischen auf uns zukommen.“
Knapp 50 Cent pro Ei
Das war nicht immer so: Der Vater, der 1986 vollständig auf ökologische Landwirtschaft umgestiegen ist, musste noch einen Händler nach dem anderen abklappern, um seine Ware loszuwerden. Erst jetzt ist der Verbraucher bereit, die knapp 50 Cent pro Ei zu bezahlen, die der Götzlesberger Bauer verlangen muss, um von seiner Arbeit leben zu können.
Für Winkelmann eine spannende Phase: Expansion ja, aber nicht um jeden Preis, das ist sein Credo. „Ich möchte mich von Aldi- oder Lidl-Bio abheben“, sagt er. Deswegen beliefert er seine Kunden – dabei handelt es sich vor allem um Supermärkte in der Metropolregion und einige Bioläden – selbst, „so bekomme ich Feedback“. Nur sei sein Betrieb erst ab einer gewissen Größe wirtschaftlich, so der 31-Jährige. Das Bild vom Bauern, der ein paar glückliche Hühner auf der Wiese hinter seinem Stall hält und die Eier selbst aus den Nestern sucht, gehört der Vergangenheit an.
Die Zahlen bestätigen das: Von den 1053 Höfen im Nürnberger Land wirtschaften aktuell 58 nach ökologischen Kriterien, haben also mindestens das staatliche Bio-Siegel. Das sind 5,5 Prozent aller Bauern, ob im Voll- oder im Nebenerwerb, denen aber 8,8 Prozent der Nutzfläche im Landkreis gehört. „Das zeigt: Auch hinter ökologischen Betrieben steht eine große Hektarzahl“, sagt Werner Wolf, der Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Mit 5,5 Prozent Bio-Anteil ist das Nürnberger Land Spitzenreiter in Mittelfranken. Wolf wundert das gar nicht: Traditionell werde in der Region extensiv gewirtschaftet, also mit geringem Eingriff in den Bodenhaushalt. Viele konventionelle Betriebe würden beinahe die Bio-Kriterien erfüllen, nur selten Mineraldünger einsetzen.
Dass die Discounter mehr und mehr ins Geschäft einsteigen, sieht der Behördenleiter kritisch: „Betriebe, die auf ökologische Landwirtschaft umstellen, erwarten, die geringere Produktion und den höheren Arbeitsaufwand über den Preis auszugleichen.“ Wenn im Bio-Bereich bald auch Preisschlachten stattfinden, dann wird es eng für die heimischen Bauern. Regionale Vermarktung ist für Wolf ein Ausweg aus diesem Dilemma.
Erika Vogel, die den Bio-Markt in Lauf betreibt, ist eine Anhängerin dieser Idee: Produkte von 40 Lieferanten aus der Umgebung stehen bei ihr in den Regalen. Vogel geht es um kurze Wege – Tomaten aus dem Knoblauchsland haben einfach eine bessere Umweltbilanz als solche, die aus Spanien im Lastwagen kommen.
Hohe Importquote bei Tomaten
Allerdings: So manches Gemüse wächst im Winter nicht in Franken, gekauft wird es zu dieser Jahreszeit trotzdem. Im Bio-Bereich kommen 82 Prozent der Tomaten aus dem Ausland, zumeist aus Spanien, weiß der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), der Dachverband der Branche.
„Alles im Sortiment regional und bio, das wäre schon schwierig“, gibt Vogel zu, die vor 19 Jahren mit 60 Quadratmetern Verkaufsfläche angefangen hat. Von rund 6000 Produkten, die sie inzwischen auf 600 Quadratmetern anbietet, sind etwa 1000 aus der Region, darunter die Eier vom Winkelmann-Hof, aber auch Kartoffeln oder das Urgetreide Emmer.
Die Unternehmerin hofft einfach auf den mündigen Kunden, der sich im Winter bewusst gegen Erdbeeren entscheidet. Für sie hat bei den Verbrauchern längst ein Lernprozess begonnen – der Einstieg der Discounter in das Bio-Geschäft sei nur ein Anzeichen dafür. Vogel: „Gäbe es keinen Bewusstseinswandel, wären wir jetzt nicht auf dieser Verkaufsfläche.“
Allerdings ist sie auch überzeugt: „Die Metropolregion könnte noch mehr Bio-Anbieter haben.“ Im Landkreis stellen nach Auskunft des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zwei bis drei Bauernhöfe im Jahr auf ökologische Produktion um. Um das Angebot in Zukunft besser vermarkten zu können, machen sich Vogel und ihre Mitstreiter für ein regionales Bio-Siegel stark, das dem Verbraucher beim Einkauf helfen soll.
Winkelmann, der Bauer aus Götzlesberg, hat eine andere Entscheidungshilfe für Verbraucher parat: Transparenz. Wer sich fragt, wie seine Lebensmittel produziert werden, kann nicht einfach nach Spanien fahren, um sich dort umzusehen. Der Weg nach Götzlesberg ist nicht weit.
War selbst schon beim Winkelmann. Das Bild ist etwas unglücklich gewählt. Würde man in die entgegengesetzte Richtung fotografieren, sähe man, welche riesigen Grünflächen den Hühnern (Wiese!) zur Verfügung steht!
Gruß
Walter G.
Alles Bio, oder was? Natürlich!
Ich kenne den Hof schon lange und es gibt keinen bessern Platz für Tiere wie die Hühner und Rinder vom Hof Winkelmann selbst sagen würden.
Kann jedem nur empfehlen die Biohöfe im Nürnberger Land zu kontaktieren bzw. zu besuchen. es lohnt sich wirklich