IG Bau fordert übergeordnete Kontrollbehörde

Kein Mindestlohn? Viele Baufirmen im Landkreis stehen in der Kritik

Im Baugewerbe verstoßen laut IG Bau noch immer viele Firmen gegen die Regeln – vor allem, wenn’s um den Lohn geht. | Foto: IG Bau/Tobias Seifert2022/01/IGBauTobiasSeifert.jpeg

NÜRNBERGER LAND – Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) kritisiert auch im Landkreis die hohe Zahl an Baufirmen, die gegen Mindestlöhne verstoßen würden. Die IG Bau beruft sich dabei auf Angaben des Hauptzollamtes Nürnberg, das im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 636 Arbeitgeber in der Region kontrolliert hat. In 238 Fällen wurden Verfahren eingeleitet.

Unsaubere Praktiken auch im Nürnberger Land im Visier: Das Hauptzollamt Nürnberg hat im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 636 Arbeitgeber in der Region kontrolliert. Im Fokus der Fahnder dabei: illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und Verstöße gegen geltende Mindestlöhne.

Allein Baufirmen bekamen 145 Mal Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, wie die IG Bau mitteilt. Die Industriegewerkschaft beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Grüne).

238 Verfahren eingeleitet

Demnach hatten es die Nürnberger Zöllner häufig mit Tricksereien beim Lohn zu tun: In der ersten Jahreshälfte des vergangenen Jahres leiteten die Beamten in der gesamten Region 238 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten ein – etwa weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt worden seien. Hierbei seien Bußgelder in Höhe von rund 145 000 Euro verhängt worden – davon 48 200 Euro gegen Bauunternehmen, heißt es in der Pressemeldung der IG Bau.

Mehr Personal für das Zollamt

„Die Zahlen zeigen, dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen. Sowohl bei den speziellen Branchenmindestlöhnen wie auf dem Bau als auch beim gesetzlichen Mindestlohn“, kritisiert Iris Santoro, Bezirksvorsitzende der IG Bau Mittelfranken. Die Gewerkschafterin begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition in Berlin, das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro pro Stunde anzuheben.

Allerdings müsse der Staat sicherstellen, dass sich die Firmen auch an die Vorschriften hielten – und für einen „höheren Kontroll-Druck“ sorgen. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beim Hauptzollamt Nürnberg personell erheblich aufgestockt werde.

Geringe Erfolgsquote

„Klettert der gesetzliche Mindestlohn auf zwölf Euro und bleibt es gleichzeitig bei der bisherigen Kontrollquote, ist die Gefahr für Arbeitgeber, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, verschwindend gering“, so Santoro. Nach Angaben des Statistischen Bundesamts würden in Deutschland 7,2 Millionen Beschäftigte von einer Mindestlohn-Erhöhung auf zwölf Euro profitieren. „Das sind 7,2 Millionen Lohntüten, auf die der Staat zusätzlich einen Blick werfen muss“, betont Santoro.

„Wirrwarr“ der Zuständigkeiten

Die IG Bau kritisiert in ihrer Meldung zudem ein „staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr“ bei den Kontrollen. Das führe häufig dazu, dass Missstände ungeahndet blieben. So seien etwa die Arbeitsschutzbehörden, die über die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften und Standards bei Unterkünften ausländischer Beschäftigter wachen, personell unterbesetzt.

Selbst kümmern

Außerdem hätten sie im Zuge der Pandemie weitere Aufgaben – wie die Kontrolle der Homeoffice-Verordnung – bekommen. Die FKS des Zolls hingegen kümmere sich um die Prüfung von Lohn- oder Steuerabrechnungen. Bei Verstößen verhänge die FKS zwar Sanktionen gegen die Firmen. Bauarbeiter müssten sich dann aber um den Lohn, um den sie geprellt wurden, selbst kümmern.

„Perspektivisch brauchen wir eine staatliche Arbeitsinspektion, die als übergeordnete Behörde die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und Sozialvorschriften sicherstellt“, fordert Santoro. Eine solche „Arbeitskontrolle aus einer Hand“ habe sich etwa in Frankreich und Spanien bewährt.

Entscheidend sei hierbei, die Tarifpartner zu beteiligen: „Wenn Gewerkschaften oder Betriebsräte Hinweise an die Arbeitsinspektion herantragen, muss dies ebenfalls zu Ermittlungen führen“, so Santoro weiter. Außerdem müsse die Behörde etwa bei Mindestlohnverstößen Nachzahlungen an Beschäftigte veranlassen dürfen.

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