DGB-Feier zum 1. Mai

„Rente ist kein Almosen

Prof. Dr. Thomas Beyer forderte: „Im immer reicheren Deutschland muss die Armut ein Ende haben. “ Foto: D. Seitz2014/05/5_2_1_2_20140503_MAI.jpg

HENFENFELD – Mindestlohn, Rente, Ukraine: Bei der Maifeier des DGB in Henfenfeld spannten die Redner den Bogen vom heimischen Kindergarten bis zur Ukraine-Krise. Für Hauptredner Prof. Dr. Thomas Beyer stand fest: Kundgebungen am Tag der Arbeit sind keine Folklore-Veranstaltungen, denn für die Situation der Arbeitnehmer gibt es immer noch eine Menge zu tun.

Wenn der Henfenfelder Bürgermeister Gerhard Kubek an den heimischen Kindergarten denkt, schlagen zwei Herzen in seiner Brust, wie er in der übervollen Awo-Begegnungsstätte durchblicken ließ. Als Gewerkschaftsmitglied steht er voll hinter dem Tarifabschluss im öffentlichen Dienst und bekennt: „Erzieherinnen sind trotzdem noch unterbezahlt“. Als Arbeitgeber der Erzieherinnen sieht er die finanzielle Situation aus einem anderen Blickwinkel: Wenn die Konjunktur wieder in ein Loch fällt, braucht seine Gemeinde eine höhere Personalkostenbeteiligung des Bezirks, „sonst werden wir Schiffbruch erleiden“, so Kubek.

Wie schnell die Weltpolitik den heimischen Arbeitnehmer betreffen kann, schilderte die Gewerkschaftssekretärin der IG Bau, Kathrin Winkler. Durch das Freihandelsabkommen mit den USA könnten fehlende Arbeitnehmerrechte nach Deutschland schwappen. Winkler forderte einen Stopp der Freihandelsverhandlungen. „Mit einem sozialen Europa geht das nicht“, erklärte die Gewerkschafterin. Auch mit der heimischen Baubranche haben die Arbeitnehmervertreter derzeit ihre Probleme, so Winkler. Die Auftragsbücher sind voll, der Nachwuchs für den Knochenjob fehlt. Dennoch wolle die Baubranche kein Weihnachtsgeld zahlen und wäre zwar bereit, Betriebsrenten einzuführen – aber auf Kosten des Urlaubsgeldes, so Winkler. Die Zeichen stehen auf Streik.

Für Hauptredner Prof. Dr. Thomas Beyer war es ein Heimspiel. „Wie soll das gehen, wenn die Rente mal nur noch bei 43 Prozent liegt?“, fragte er provokant in die Runde und erntete großen Applaus für sein Statement: „Rente soll kein Almosen sein, sondern eine verdiente Anerkennung für die Lebensleistung.“

Auch mit der EU ging der ehemalige Landtagsabgeordnete ins Gericht. Viele Themen der EU seien früher zu abstrakt für die Bürger gewesen, sie fühlten sich von Europa nicht wahrgenommen. Die Auswirkungen der einst abstrakten Beschlüsse treffen heute jedoch die Menschen: Hausschlachtungen können kaum mehr durchgeführt werden, mittelständische Schlosserbetriebe stehen wegen neuer Richtlinien vor dem Aus. Auch die Europäische Diplomatie in der Ukraine-Krise überzeugt den Awo-Chef nicht. Sein Fazit: „Europa muss sich wieder den großen Themen widmen und sollte weniger darauf schauen, ob der heimische Schlosser, der das Friedhofstor reparieren möchte, ins richtige Register eingetragen ist.“ Er rief dazu auf, zur Europa-Wahl zu gehen, sonst könnten sich die extremen und europakritischen Parteien organisieren.

Mit Blick auf die heimische Politik rechnete der SPD-Politiker kurz seine Sicht der Dinge vor. Die öffentlichen Schulden lägen bei zwei Billionen Euro, das private Vermögen bei fünf Billionen – ein sattes Plus. Dabei verfüge das reichste Zehntel der Bürger über 60 Prozent des Vermögens. Beyer: „Deutschland ist reich wie nie zuvor, aber die Vermögensverteilung ist auch so falsch wie nie zuvor.“ „Eine Schande“ sei es, dass die Bekämpfung der Kinderarmut nicht einmal im Koalitionsvertrag der Bundesregierung auftauche, so Beyer, und er stellte unter Applaus fest: „Im immer reicheren Deutschland muss die Armut ein Ende haben.“

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