Erster öffentlicher Gebetsruf in Nordbayern

„Der Gebetsruf zeigt Laufs Vielfalt“

Die Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde beim Freitagsgebet, Imam Saruhan Senol (2. v. l.) ist der Vorbeter. Im Vergleich zu den Einschränkungen in Corona-Zeiten ist die Laufer Moschee am Freitag wieder gut besucht. | Foto: Andrea Beck2021/10/Moschee-Lauf-Freitagsgebet-am-011021-Foto-Beck-scaled.jpg

LAUF – Der öffentliche Gebetsruf der Laufer Moschee ist genehmigt und das schon seit Sommer 2020. Im Vergleich zu den anfangs erhitzten Diskussionen unter Laufern haben sich die Wogen nun geglättet. Sowohl die Anwohner, als auch die Stadt, als auch die christlichen Gemeinden haben sich an den Ezan jeden Freitag gewöhnt. Dessen öffentliche Verkündung erklingt in ganz Nordbayern nur in Lauf.

Jeden Freitag um kurz nach 13 Uhr schallt für fünf Minuten ein Gesang durch die Glockengießerstraße in Lauf, den die Passanten und Anwohner noch im Frühjahr 2020 nur aus dem Fernsehen oder dem Türkeiurlaub kannten. Doch die Mitglieder der Türkisch-Islamischen Gemeinde Lauf kennen den Ruf, genannt Ezan, gut. Sie strömen aus allen Richtungen herbei und folgen dem Gesang durch das kleine Tor in die Mevlana Cami – die Moschee des Gelehrten Mevlana.

Der arabische Ruf ist das Glaubensbekenntnis der Muslime und fordert die Gläubigen auf, einer ihrer wichtigsten Pflichten nachzukommen: dem gemeinschaftlichen Freitagsgebet. Dass er in Lauf öffentlich verkündet wird, ist von großer Seltenheit. Den Vorständen der Türkisch-Islamischen Gemeinde Lauf sind nur fünf weitere Moscheen mit öffentlichem Ezan in Bayern bekannt, vier davon in München.

Aufgeregte Debatte

Der ungewohnte Klang und die Preisung Allahs als einzigen Gott begründen die Seltenheit der öffentlichen Verkündung, da sie mit der christlich geprägten Kultur oftmals als unvereinbar angesehen wird. Und wenn sie dann doch genehmigt wird, sorgt das meist für hitzige Diskussionen, wie auch im April 2020 in Lauf (Die PZ berichtete).

Damals war die Stadt unter Bürgermeister Benedikt Bisping der türkischen Gemeinde entgegengekommen, die unter der coronabedingten Schließung der Moschee während des Ramadans – dem Fest der Gemeinschaft – besonders litt. Der Vorstand bat um den öffentlichen Ezan, um den Gemeindemitgliedern Mut in schweren Zeiten zuzusprechen. Und er schlug vor, am Gebetsruf auch in Zukunft mindestens jeden Freitag festzuhalten, als Zeichen des friedlichen Miteinanders und der Religionsfreiheit. Der Ezan sei mit dem christlichen Glockenläuten gleichzusetzen.

Die empörten Briefe, die aufgrund der Genehmigung bei der Stadt Lauf – inzwischen unter dem neuen Bürgermeister Thomas Lang – eingingen, bewegten diese zu einem Stopp der Erlaubnis. Anschließend gab sie die Entscheidung ab, an das Landratsamt Nürnberger Land. Und dieses ging die Sachlage rational an: Die politischen und ethischen Diskussionen traten in den Hintergrund, einzige Bewertungsgrundlage wurde die mögliche Ruhestörung. Also besuchte ein Amtsmitarbeiter die Moschee und maß die Lautstärke. Sie durfte 70 Dezibel nicht überschreiten.

Für fünf Minuten und nur vom Band

Anschließend einigten sich Amt und Vorstand: Der Gebetsruf darf jeden Freitag für fünf Minuten ertönen, allerdings vom Band, was die Lautstärke von 70 Dezibel garantiert. Das Amt stellte die Anlage ein, die die Gemeindemitglieder manuell nicht umstellen können. Imam Saruhan Senol drückt lediglich um 13.10 Uhr auf den Knopf.

Imam Saruhan Senol schaltet jeden Freitag die Anlage ein, die den Gebetsruf über Lautsprecher abspielt. Sie ist vom Landratsamt auf 70 Dezibel gedrosselt. Foto: Andrea Beck2021/10/Moschee-Lauf-Imam-Saruhan-Senol-schaltet-die-Anlage-ein-011021-Foto-Beck-scaled.jpg

Mit der Genehmigung des Amts war auch in der Stadt Lauf die Diskussion vom Tisch. Der Ezan ertönt seit Sommer 2020 jeden Freitag, sehr zur Freude der Gemeindemitglieder. „Wir sind sehr glücklich darüber, dass jeden Freitag im näheren Umfeld der Moschee der Ezan zu hören ist“, sagt Özlem Ödemis, Vorstand der Gemeinde. Laut der Lauferin hat der Vorstand nach der Umsetzung des Gebetsrufs ausschließlich positive Rückmeldungen erhalten. „Das hat unser Zugehörigkeitsgefühl gesteigert. Der öffentliche Gebetsruf ist für uns ein Symbol der Verbundenheit und zeigt die Vielfalt in Lauf.“

Ezan ist inzwischen Normalität

Die Nachbarn der Moschee sind den Gesang inzwischen gewöhnt. Auch der Laufer Pfarrer Thomas Hofmann erhält nur noch vereinzelt empörte Schreiben von Mitgliedern der evangelischen Gemeinde in Sachen Gebetsruf. Hofmann hatte im Frühjahr 2020 seine kritische Meinung öffentlich geäußert und damit zahlreiche entrüstete Mitglieder seiner Gemeinde vertreten.

Und er sieht die Interpretation, dass der Ezan mit dem Glockenläuten gleichzusetzen ist, immer noch skeptisch. „Der Ezan ruft zum Gebet zum alleinigen Gott Allah auf, was ich als Christ nicht teile. Das Glockenläuten ist dagegen eine Erinnerung für jeden ans Gebet.“

Aber mit Sicht auf ein friedliches Miteinander der Gemeinden und die Genehmigung könne er den Gebetsruf tolerieren. „In der evangelischen Gemeinde in Lauf existieren verschiedene Meinungen zu diesem Thema. Einige Christen tun sich mit dem Ruf nach wie vor schwer, wieder andere setzen die muslimische Vorstellung von Allah mit unserem Gott gleich und fühlen sich somit auch angesprochen.“

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren