HERSBRUCK – Am vorletzten Abend des Hersbrucker Gitarrenfestivals haben in der Stadtkirche zwei Meister der klassischen Gitarre zum rasanten Endspurt angesetzt. Der Tscheche Pavel Steidl und der Spanier Rafael Aguirre verzichteten dabei auf jegliche Verstärkung und spielten – dank der akustischen Gegebenheiten in der voll besetzten Kirche – „unplugged“. Das Publikum genoss den puren Gitarrenklang.
Gleich die ersten leisen Töne, die Pavel Steidl seinem Instrument, gebaut 1926 in Barcelona, entlockte, zwangen zum intensiven Zuhören. Mit Filip Hyacint Lobkovics barocker „Allemande“ stimmte der Ausnahmegitarrist sein Publikum ein auf sein hoch differenziertes Spiel und auf ein mittlerweile eher ungewohntes Lautstärkenniveau. Mucksmäuschenstill war es im Kirchenschiff, als der vielfach ausgezeichnete Künstler sechs Menuette von Ferdinand Sor (op. 11) auf packende Weise interpretierte. Mit seinem Körper, seiner Mimik, seinem Atem und einem steten leisen Singen unterstützte er jede Schwingung der Saiten, was ihn auf magische Weise mit seinem Instrument verschmelzen ließ.
Sieben klassische facettenreiche Stücke im „italienischen Stil“, komponiert vom Spanier Pedro Jimenez de Abril Tirado, erklangen samtig weich, unglaublich schnell, aber nie virtuos um der Virtuosität willen. Jede Akzentuierung, die mal verhaltene, dann wieder explosive Dynamik, unterwarf er der Intention des Komponisten.
Mit einem eigenen Stück, das er der Komponistin und Lehrerin Jana Obrovska gewidmet hat, machte er einen Sprung zur zeitgenössischen Gitarrenmusik. Es entfaltete eine schier unglaubliche Sogwirkung; mit dem kleinen Finger auf dem Gitarrenkorpus tippend, machte er die verrinnende Zeit hörbar, setzte darüber sich rhythmisch wiederholende Riffs und ließ dazu seine Stimme erklingen. Seine ausgefeilte Gitarrentechnik brachte selbst die Gitarren-Profis unter den Zuhörern zum Staunen und Bravo-Rufe und nicht enden wollender Beifall veranlassten Steidl zu mehreren Zugaben.
Standen bei Pavel Steidl Barock und Klassik im Mittelpunkt, so waren es im zweiten Teil des Konzerts Werke spanischer und katalanischer Komponisten, die Rafael Aguirre auf höchstem Niveau interpretierte. Romantisch-schwelgerisch und reich an Klangfarben spielte der Gewinner zahlreicher internationaler Gitarrenwettbewerbe Issac Albéniz‘ „Cordoba“, nachdem er bei den „Tres piezas españolas“ von E. Pujol bereits unglaubliche Fingerfertigkeit bewiesen hatte. Mit der Tárrega-Bearbeitung von Mendelssohns „Barcarolla veneziana“ beeindruckte er vollends. Auch er setzte auf die leisen Töne, ganz besonders bei Eric Saties Gnossiennes 1 und 3 – zarter kann man Gitarre wohl nicht spielen.
Vier Zugaben musste Aguirre geben, bevor das Publikum sich zufriedengab. Da legte er dann noch einmal an Tempo, Spielwitz und Dynamik zu: Aus der Titelmusik von „Star Wars“ entstand unter seinen gewandten Fingern ein variantenreiches Stück, das eine zuvor nicht geahnte Verbindung des Filmklassikers mit Flamenco herstellte. Mit einer leisen, melodiösen Zugabe entließ Aguirre die hingerissenen Zuhörer in den warmen Sommerabend nach einem Konzert, das für die Liebhaber der klassischen Gitarre sicher einer der Glanzpunkte der Festivalwoche war.