HERSBRUCK – Einen maßgeschnipselten Festakt erlebten die Besucher, die zur zweiten Runde der Scherenschnitt-Schau ins Kunstmuseum am Spitaltor kamen, mit Scherenschnittfilmen mit und ohne Ton und einem Konzert, das die fast vergessene Kunst des Moritatengesangs aufleben ließ.
„Geh doch mal mit dem Krokodil spazieren“, „Ein Messer zum Spielen“ oder „Das Nasengrab“ — die Titel von Johanna Molls Chansons lassen schon ahnen, dass sich die Inhalte, wie es sich für Moritaten gehört, zwischen unappetitlich und schauderhaft bewegen.
Meist sind es Männer, die einen vorzeitigen Tod durch Erfrierungen oder besagten Spaziergang mit dem „Haus-Krokodil“ der Sängerin erleiden. Frauen dagegen sitzen im rosa Höschen herum und drehen Däumchen, bis ein Prinz mit goldenen Achselhaaren vorbeikommt, denken sich neue Sternzeichen wie den Nachtfalter aus oder gehen wagemutig in den Wald, um den bösen Wolf zu kraulen.
Absurdes und Abgründiges gefeiert
Johanna Moll aus Erlangen feiert das Absurde, das Abgründige und das Abstruse mit trügerisch sanfter Stimme, wechselt mühelos zwischen Berlinerisch, Fake-Französisch und Zwergisch und begleitet sich selbst zu ihren Songs auf dem Akkordeon. Die Brücke zum Scherenschnitt schlägt sie mit der Koproduktion von „LilliPutt und Gulliver“, einem collagierten Scherenschnittfilm der ebenfalls anwesenden Nürnberger Künstlerin Stella Springhart.
Ihre unbekümmert inszenierte Liebesgeschichte stellte einen bemerkenswerten Gegensatz zum Stummfilm der Silhouetten-Animationsfilmerin Lotte Reiniger her. Deren „Aschenputtel“ von 1922 ließ den mühsamen Prozess früher bewegter Filme erahnen, schlug eine Brücke zu den frühesten Scherenschnitt-Arbeiten in der Ausstellung und stand Johanna Molls Moritaten in punkto drastische Bilder in nichts nach.
Die Arbeiten, die fast hundert Jahre Scherenschnitt mehrerer regionaler Künstler bis heute zeigen, sind noch bis 4. November mittwochs bis samstags von 15 bis 18 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr im Kunstmuseum in der Amberger Straße 2 zu sehen. Der Eintritt ist frei.