Lesung

Johann Flierl – ein Bauernbub auf Weltreise

Nach einigen Tagen in London begann die Reise nach Australien auf dem Segeldampfer Somersetshire. | Foto: privat2023/03/cae3de10032da23f3f36e55a91c1d1dda88de8a0_max1024x.jpg

FÜRNRIED – Warum die ersten schlesischen Lutheraner aus religiösen Gründen ihre Heimat verließen, erklärte Pfarrer im Ruhestand Georg Pilhofer gleich zu Beginn: um in Australien das „wahre“ Luthertum zu retten. Die Glaubensbrüder baten die Neuendettelsauer Mission um Theologen für ihre Gemeinden und die Missionierung unter den Aborigines.

So kam es, dass sich Johann Flierl nach seiner Ausbildung in Neuendettelsau berufen fühlte, als Missionar nach Australien zu gehen. Von Buchhof machte er sich auf nach Fürnried und weiter nach Hersbruck, wo er dann mit dem Zug weiterreisen konnte.

Persönliche Einblicke

So kam der Jüngling, damals gerade 20 Jahre alt, auch nach Hermannsburg in der Lüneburger Heide. Dort hatte sich eine lutherische Freikirche gerade von der lutherischen Landeskirche getrennt hatte und mit dem Bau einer eigenen Kirche begonnen hatte. Da Pfarrer Pilhofer zwei Jahre in Hermannsburg studiert hatte, konnte er die Lesung aus Fliers Lebenserinnerungen mit persönlichen Einblicken veranschaulichen.

Die ersten Schlesier mochten noch aus Glaubensgründen ausgewandert sein, doch schon bald sprach sich herum, welche Möglichkeiten Australien (wie auch schon früher die USA) bot. Pilhofer erwähnte, dass zwischen 1860 und 1885 3,5 Millionen Deutsche in die USA auszogen, die heute alle als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet werden würden.

Dann ging es mit dem Zug weiter nach Hamburg. Die große Unterkunft mit den vielen gleichen Stockwerken verwirrten Flierl und er stand einmal fälschlich vor einem Damenzimmer und wurde aufgeklärt, in welchem Stockwerk des Gebäudes sich sein Zimmer befinde.

Auf einem kleinen Dampfer reiste Flierl weiter nach London. Als er nach der Elbmündung die „hohe“ See erreichte, schaukelte es fürchterlich und der Buchhofer Bub wurde schrecklich seekrank. Auch beängstigten ihn einige saufende und raufende Matrosen, die mit ihm auf Deck waren. Nach einigen Tagen in London begann dann die Weltreise nach Australien auf dem Segeldampfer Somersetshire.

Bier zu jeder Mahlzeit

Ausführlich schildert der angehende Missionar das Leben auf dem Schiff, die Verpflegung – zu jeder Hauptmahlzeit ein großer Becher Bier – und die Mitreisenden. Begeistert beschreibt er das Meeresleuchten, das er bei späteren Schiffsreisen nie mehr sah. Als sie den Äquator kreuzten, tagträumte er von der großen Insel Neuguinea und stellte sich vor, dorthin als Missionar zu reisen, was Jahre später Wirklichkeit werden sollte.

Außer einigen Inseln sahen sie während der ganzen Reise kein Land. Der Kapitän steuerte sein Schiff weit nach Süden, um die berühmt-berüchtigten „Roaring Fourties“ (starke Westwinde, die ab dem 40. Breitengrad auftreten) zu erreichen, die die Reise beschleunigten sollten. Dort erlebte Flierl seinen letzten Schneesturm.

Die meisten Reisenden, wie auch Flierl, froren furchtbar – waren sie doch ausgerüstet, um in ein warmes Land zu reisen. Es gelang, die starken Winde zu erreichen; die Dampfmaschine konnte abgestellt werden und mit Windkraft ging es zügig gen Osten, wo das Schiff sicher in Melbourne in den Hafen einlief.

Die Lesung wurde durch Gedichte, die Flierl auf seiner Reise verfasst hatte und die Gerda Stollner vorlas, aufgelockert.

Melbourne war nicht das endgültige Ziel. Es sollte nach Adelaide weiter gehen, aber die Reisekasse war leer. Zum Glück half Flierl ein lutherischer Pastor aus der Patsche. Weil die Eisenbahn zwischen diesen beiden Metropolen noch nicht gebaut war, musste ein kleiner Dampfer nach Adelaide bestiegen werden. Dort wurden sie bereits erwartet.

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