ALTDORF – Das Wort „Barrierefreiheit“ ist seit geraumer Zeit in aller Munde. Selten werden alledings mit dem Begriff einfache Sprache und leicht leserliche Schrift assoziiert. Doch auch dies ist ein Schritt hin zu mehr Teilhabe für Menschen, die aus verschiedenen Gründen Probleme haben, kompliziertes und klein geschriebenes Deutsch zu lesen und zu verstehen. Hier setzt der neue Berliner Verlag „edition naundob“ an, der Taschenbücher herausgibt, die bewusst in simpler, leicht verständlicher Sprache geschrieben sind und sich z. B. an Menschen mit Behinderung wenden oder an solche, die die deutsche Sprache (noch) nicht perfekt beherrschen. Einer der Autoren, die in dieser Reihe ein Buch verfasst haben, ist der Altdorfer Bernd Mittenzwei, Studiendirektor am Leibniz-Gymnasium.
„Zwischenreise“ heißt sein Roman in einfacher Sprache, der in diesem Monat veröffentlicht wurde. Die Geschichte handelt von den syrischen Flüchtlingen Salim und Dima, die in der Nähe von Altdorf in einer Asylunterkunft leben und sich darum bemühen, in der neuen Heimat zurechtzukommen. Originelle Parellellität: Die beiden Protagonisten sind Menschen, die dabei sind, Deutsch zu lernen, und gleichzeitig wendet sich das Buch an genau dieses Publikum.
Die Syntax und Wortwahl der erzählten Geschichte erinnern ein bisschen an Kinderbücher, was logisch ist, denn auch Leseanfänger haben noch nichts mit Schachtelsätzen oder komplexen Metaphern am Hut, auch die Schrift ist groß und übersichtlich angeordnet. Und die Aussagen werden klar getroffen in eindeutigen Konstruktionen, das Tempus ist das Präsens, auch die Handlung ist klar aufgebaut, verzichtet auf Zweideutigkeiten, großartigen Interpretationsspielraum oder verwirrende Rückblenden. Kurze Subjekt-Prädikat-Objekt-Strukturen herrschen vor, ebenso einfache Aufzählungen. Und dennoch gelingt es dem Autor, die Gefühlslage der handelnden Personen durchaus differenziert zu schildern, eine Identifikation findet statt, die Charaktere werden keineswegs holzschnittartig gezeichnet.
So sind die einzelnen Kapitel nachvollziehbar für den Leser: die Angst vor dem Ausländeramt, die beklemmende Wohnsituation, die Beziehung zu den Unterstützern, zwischenmenschliche Probleme, Ausgrenzungserfahrungen und natürlich die traumatischen Kriegserlebnisse.
Mutmacher-Buch
Gleichzeitig ist das Büchlein aber auch eine Mutmachergeschichte. Es zeigt nicht nur Angst, Verletzungen und Wut, sondern auch Chancen, es erzählt von positiven Beispielen der Integration, von kleinen Schritten nach vorne, die beweisen, dass trotz Rückschlägen das Zusammenleben in der Extremsituation gelingen kann.
Radtour zur Zugspitze
Höhepunkt der Handlung ist die Radtour der beiden zur Zugspitze, denn Dima, die weibliche Hauptperson, möchte gern Deutschland, das Land, in dem sie nach der Anerkennung leben wird, von oben sehen. Auf diesem Trip gibt es interessante Begegnungen, die das Anderssein thematisieren, und auf dezente Weise ist auch die Liebesgeschichte der beiden in den Plot eingewoben: Sie haben sich erst auf der Flucht kennen gelernt und sind noch kaum dazu gekommen, sich mit ihrer jungen Liebe auseinanderzusetzen, denn immer stand ja die Asylgeschichte im Vordergrund. Erst während des mehrtägigen Radausflugs kommen sie sich wirklich näher…
Mit „Zwischenreise“ gelingt es dem Autor zu zeigen, wie man auch mit kurzen, verständlichen Sätzen und einfachem Vokabular eine nachvollziehbare, packende Geschichte schreiben kann, noch dazu mit einer Botschaft, wie sie aktueller nicht sein könnte.
Bernd Mittenzwei, Zwischenreise, Roman in einfacher Sprache, edition naundob, Berlin, November 2016.