Neue Ausstellung

Ein Naturereignis im Hersbrucker Stadthaus

Gerade sehr kontrovers diskutiert in und von Melanie Hehlinger mit gestischem Pinselstrich in Szene gesetzt: „Wölfe“. | Foto: U. Scharrer2021/04/h.jpg

HERSBRUCK – Erfrischend, aufgewühlt, nah an ihren Motiven und ganz nah an der Natur, ja geradezu mit ihr verwoben: Die Ausstellung der Ellenbacher Malerin Melanie Hehlinger im Stadthaus am Schlossplatz bietet mutige Farbkombinationen in kraftvollen, oft vor Farbe triefenden Pinselstrichen. Tiere, Pflanzen und mittendrin eine junge Frau, die ein vielen bekanntes Dilemma leidenschaftlich auf die Leinwand bringt.

Das Dilemma ist das Schwanken zwischen tiefer Naturverbundenheit, dem Naturgenuss – und den aufgewühlten Gefühlen zwischen Empörung und Resignation über die scheinbar unaufhaltsame Zerstörung der Schöpfung. Diese Durchdringung von Natur und Mensch zeigen vor allem Melanie Hehlingers überlagerte Fotografiearbeiten, wo auf raffinierte Weise das Gesicht einer jungen Frau von Fell bedeckt ist oder der Körper eines Pferdes ästhetisch von Schilf durchdrungen.

Auch „Wiman“, eine Wortverschmelzung von „Woman“ (englisch für Frau) und „Widder“, zeigt in der behörnten Frauengestalt ein Mischwesen zwischen Mensch und Tier. „Was ist menschlich? Was ist tierisch? Wo verlaufen die Grenzen, wo bilden sie eine Einheit? Diese Dinge beschäftigen mich“, sagt die Künstlerin. Vielleicht deswegen wirken die Porträts einiger Tiere wie ebenbürtige Gegenüber, laden ein, in Resonanz zu gehen.

Persönliche Note

Durch ihre Persönlichkeit lösen die Tierdarstellungen auch Betroffenheit aus, wie die Faultiere mit dem flehenden Blick in „Too slow for Bolsonaro“. Die gemalten Faultiere sind ein Mahnmal für ihre lebenden Artgenossen, die immer wieder der Brandrodungspolitik des brasilianischen Präsidenten zum Opfer fallen.

Der Humor ist Melanie Hehlinger dennoch nicht abhanden gekommen: dreist, wie ein vorwitziger Schlittenhund der traditionell gemalten Alpenlandschaft ein völlig neues Gepräge gibt, eine grantige Katze aus einem bierdeckelgroßen Rundformat den Betrachter anfunkelt.

Punk in Pink

Nicht ohne Bildwitz auch die auf satt pinkem Hintergrund aus allen Läufen feuernde Gebärmutter, die in „Uterus Riot“ auf sich aufmerksam macht – das Bild ist laut Hehlinger als Kritik an Sexismus und patriarchalen und androzentrischen Strukturen zu verstehen. Die im Titel versteckte Anspielung auf die russischen Punkaktivistinnen von „Pussy Riot“ ist beabsichtigt. Aber ein „wider“ beinhaltet bei Melanie Hehlinger immer auch ein „für“: für Frauenrechte, für Selbstbestimmung.

Melanie Hehlinger gelingt die delikate Balance, Anliegen zu haben und diese ausdrücken zu wollen und dabei ihre Malerei nicht „für die gute Sache“ leiden zu lassen. Die süffigen Farben, die spontanen Pinselstriche, die mystischen Motive und die vergnügte Einladung an den Zufall in ihrer Malerei machen Freude, rühren an.

Grünes Bett

Nur schade, dass für den spontanen Besucher im Stadthaus manche Räume der Ausstellung nicht zugänglich sind. Auf das einzige Objekt der Ausstellung, das einladende „Moosbett“ mit grünem Pflanzenpolster im Dachgeschoß, kann man nur sehnsüchtig durch die Glasfenster linsen und im Erdgeschoß entgehen dem Kunstfreund möglicherweise fünf Gemälde. Das luftige und nicht gerade überlaufene Stadthaus könnte es sich leisten, alle Ausstellungsflächen auch zugänglich zu machen.

Auf insgesamt bessere Zeiten für Kunstgenuss hofft die Künstlerin, die ihre eindrucksvolle Schau am 5. Juli mit einer Finissage beschließen möchte. Bis dahin ist die Ausstellung momentan Montag bis Donnerstag von 8 bis 18 Uhr und Freitag von 8 bis 16 Uhr geöffnet.

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