BURGTHANN – Bildung und Nachhaltigkeit – zwei unterschiedliche Begriffe? Beim Runden Tisch Bildung im Rathaus Burgthann, der auf Einladung von Bürgermeister Heinz Meyer und unter der Moderation von Dr. Alexandra Hildebrandt, stattfand, stellte sich heraus, dass Bildung heute nur dann Sinn macht, wenn sie nachhaltig angelegt ist, viele Aspekte des Lebens einbezieht, große Herausforderungen meistert und eben nicht auf Schulwissen beschränkt ist. Denn dass mit dem Ende der Schulzeit nicht Schluss mit Bildung sein kann, stellte sich so ziemlich bei allen der namhaften Referenten aus Wirtschaft, Institutionen und anderen Gesellschaftsbereichen heraus. Die Anforderungen der Gesellschaft sind gestiegen, vielfältiger und komplizierter geworden, „lebenslanges Lernen“ ist keine sinnleere Floskel.
In seiner Begrüßung bekannte sich der Bürgermeister zu einer Trennung von Bildung, für die die Schule zuständig sein sollte, und Erziehung, die in der Verantwortung des privaten Umfelds zu geschehen hätte. Gleichwohl wisse er, dass dies in der Praxis so nicht funktioniere. Daher sei er gespannt auf die Ansätze, die die Referenten und Gäste zu diesem Thema zu sagen hätten.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Nachhaltigkeitsbeauftragte des DFB, erinnerte sich an die Burgthanner Dialoge im vergangenen Jahr, an deren Ergebnisse der Runde Tisch Bildung in gewisser Weise anschließen solle.
„Es ist wichtig, auch mal ein kleines Thema zwischen die großen zu schieben,“ meinte sie, damit die Erkenntnisse nicht wieder versickern. In diesem Zusammenhang lobte sie die Gemeinde Burgthann, die oft auf unkomplizierte Weise solche Termine möglich mache, insbesondere durch die offene Einstellung des Bürgermeisters und seiner Assistentin Elke Leser.
Großer Gesprächsbedarf
Dass das Thema allen auf den Nägeln brannte, zeigte sich darin, dass das Programm, das nach einer Kurzvorstellung der Projekte eine Diskussion der 20 Referenten bzw. Gäste vorsah, nicht einzuhalten war.
Zu engagiert berichtete man über die Vorhaben, zu eifrig wurde nachgefragt, manchmal auch widersprochen, so dass Einzelaspekte immer wieder stärker vertieft wurden, längere Dialoge aber auch gebremst werden mussten, was aber eben auch den Gesprächsbedarf widerspiegelte.
Ob dies tatsächlich als Nachteil gewertet werden muss, sei dahingestellt. Ein striktes Redeverbot hätte wohl viele spontane Gedanken abgewürgt und wichtige Fragen unterdrückt. Als Konsequenz daraus vereinbarte man sofort eine Folge-Veranstaltung in nicht allzu langer Zeit, bei der dann die erarbeiteten Ergebnisse vertieft und eventuell der Austausch noch intensiviert werden könnte.
Stark vertreten waren Referenten des DFB bzw. seiner Stiftung, was sicherlich der Funktion der Moderatorin in diesem Verband geschuldet war. Doch unabhängig davon stellte sich diese Organisation als vorbildliche außerschulische Bildungsanstalt dar, und zwar in den unterschiedlichsten Feldern. Tobias Wrzesinski von der DFB-Stiftung Egidius Braun und Sepp Herberger beschrieb den erzieherischen Wert von Fußball-Ferien-Freizeiten, wie sie seine Stiftung durchführe. Hierbei würden Kinder eben nicht nur fußballtechnisches Training erhalten, sondern auch soziale Fähigkeiten wie Rücksichtnehmen oder Teambildung erlernen, niederschwellige Dinge, wie sie aber gerade Kinder aus problematischem Umfeld nicht so ohne weiteres erfahren könnten. Ein Vorhaben, das noch in den Kinderschuhen steckt, sei unter dem Stichwort „Fußball und Inklusion“ zusammenzufassen, Behindertenfußball solle eines Tages selbstverständlich werden.
Problemfall Neue Medien
Eva Weiler vom CES-Verlag, der Software für Schulen anbietet, befasste sich mit dem Thema Neue Medien und den Schwierigkeiten, die Schulen mit der Einführung bzw. Anwendung dieser Lernmittel haben. Man habe vor einigen Jahren zwar Rechner für die Schulen angeschafft, doch niemanden, der damit umgehen könne. Dies wollte Regina Fleischer, die Schulleiterin des Altdofer Leibniz-Gymnasiums, nicht so stehen lassen. Es kämen durchaus junge Referendare an die Schule, die auch den Kollegen auf diesem Gebiet wertvolle und praktikable Hinweise geben könnten. Darin, dass die sinnvolle Anwendung der diversen Neuen Medien und eine noch bessere Ausstattung mit Software im Unterricht noch ausbaufähig sei und dass die fehlenden Finanzen dafür die wichtigste Rolle spielten, waren sich beide allerdings einig.
DFB-Referent Dr. Steffen Deutschbein berichtete über das Bildungs- und Qualifizierungssystem Fußball, das viel mit Persönlichkeitsentwicklung zu tun habe. Er verwies auf das neue DFB-Internetportal für Trainer, Lehrer und Vereinsmitarbeiter. Die klassische Situation im Juniorenfußball, in der ein Spielervater unversehens zum Betreuer und „Trainer“ wird, aber nicht weiß, wie‘s gehen soll, diente ihm als Anschauungsbeispiel. Über die Website www.dfb.de kommt man per Mausklick auf die Rubrik „Training und Wissen online“, die wertvolle und praxisnahe Tipps gibt, damit es nicht bei der reinen Fußballpraxis bleibt, sondern auch andere persönlichkeitsbildende Faktoren, wie etwa die Integration nicht vernachlässigt werden.
Mit einem ganz anderen Ansatz näherte sich die Berliner Künstlerin Kitty Kahane dem Bereich nachhaltige Bildung. Sie sprach über ein Demokratie-Projekt an Schulen, das sie bis nach Israel führte, wo sie mit einem Team einen kleinen Film zum Thema entwickelte, der demokratische Praxis an deutschen und israelischen Schulen verglich, gewichtige Themen wie Kinderrechte, Missbrauch und andere anpackte und eine interessante Wanderausstellung entwickelte. Allein durch ihre typische künstlerische Ausgestaltung gelang es ihr, dem Projekt das Trockene und allzu Nüchterne zu nehmen, was ihr auch wichtig war: „In der Ausstellung gibt‘s viel zu lesen, aber so, dass die Schüler Spaß dabei haben.“
Netzwerke wichtig
Renate Ott-Schwander, Grundschul-Rektorin in Burgthann, lobte zunächst die Gemeinde, die als Sachaufwandsträger vorbildlich für die Belange der Schulen eintrete. Andererseits kritisierte sie das Kultusministerium, das Geld für Dinge ausgebe, die man nicht brauche, und für solche, die nötig seien, keines habe. Trotzdem bemühe man sich, mündige und verantwortungsbewusste Bürger heranzuziehen, und dazu sei ein großes Netzwerk wichtig, das über den Stoff des Lehrplans hinausweise. In diesem Zusammenhang nannte sie die Eltern-Computer-Kurse, die Zusammenarbeit im sportlichen und musischen Bereich, kurz das Bemühen alle Sinne anzusprechen und auch darauf zu achten, dass die angestoßenen Projekte fortgeführt werden könnten. Denn schließlich verstehe man das unter Nachhaltigkeit.
Ihr Projekt zukundo stellten Stefanie Rall und ihre Kollege Christoph Ullmer von Creating Sustainability, ein gemeinnütziger Verein junger Leute, vor. zukundo ist eine Innovationsplattform, die einen aktiven Dialog zum Thema Nachhaltigkeit anregt, wobei das Prinzip sein soll, dass der Schüler im Mittelpunkt steht. Über dieses besondere Produkt aus der Gruppe der social media führten sie einen professionell gemachten animierten Film vor, der Kindern und Jugendlichen spielerisch nahebringen möchte, was Nachhaltigkeit ist.
Die Unternehmerin Gisela Rehm, die Handtaschen für den Business-Bereich entwickelt, stellte fest, dass sie zwar keinen Lehrauftrag besitzt, sich aber dennoch verpflichtet fühlt, ihre Know-How weiterzugeben und jungen Menschen Starthilfen zu geben, sei es in Form von Tipps für Jungunternehmer, sei es indem sie jungen Menschen hilft, ihre Talente zu entdecken und ihren Weg zu gehen. „Auch das kann man unter Nachhaltigkeit verstehen“, meinte Rehm.
Friederike von der Marwitz von der Marwitz-Akademie, Business-Coach und Trainerin für Kommunikation und Führung, provozierte ungewollt die Hauptschulrektorinnen, indem sie meinte, die Lehrer müssten den Kindern doch Grenzen setzen und ihnen zeigen, dass sie nicht allein auf der Welt sind. Dies rief Sabine Bodenmeier, Rektorin der Grund- und Mittelschule Postbauer-Heng, auf den Plan, die zu verstehen gab, dass man als Lehrer den ganzen Tag nichts anderes mache.
Abschließend referierte Klaus-G. Gotthard vom Haus der Athleten in Nürnberg über das Bildungsprogramm „Future Days“. Das Zentrum kümmert sich einerseits um junge Sporttalente, fördert sie und sorgt dafür, dass eine Karriere nicht am Geld scheitert, andererseits betreibt man auch Nachsorge, damit auch Profis nach dem Ende ihrer Karriere nicht in ein Loch fallen, sondern eine Zukunft vor sich haben. Hierzu wird mit vielen verschiedenen Institutionen und Organisationen zusammengearbeitet.
Viel Übereinstimmung
Karin Gätschenberger-Bahler, stellvertretende Leiterin des Bildungszentrums für Blinde und Sehbehinderte, fasste die Ergebnisse der Informationsfülle zusammen. Es seien auffällige Übereinstimmungen festzustellen darüber, was Bildung ist. So hätten viele der Redner von einem lebenslangen Prozess gesprochen, von Persönlichkeitsentwicklung, Selbstverantwortung, hätten den gesellschaftlichen Kontext herausgestellt, den Zusammenhang von Bildung und Sport, Kunst und Kreativität. Besonders wichtig hätte sie auch gefunden, dass das Thema Inklusion als wichtig erkannt wurde. „Daran können wir alle arbeiten“, stellte sie fest und sprach von Netzwerken, von Barrierefreiheit, die einfach selbstverständlich sein müsse.
Dabei nahm sie die Schulen in Schutz, die schon so viel zu leisten hätten und nicht auch noch diese Herausforderung auf sich nehmen könnten.
Als letzten Denkanstoß gab sie den Referenten mit auf den Weg, auch im Auge zu behalten, dass immer mehr jungen Menschen psychisch erkranken, was auch bei der Entwicklung der einzelnen Projekte mitbedacht werden solle. Diese jungen Leute mit Hilfe verantwortungsbewusster Bildungsarbeit wieder in die Mitte der Gesellschaft zu holen, könne eine weitere wichtige Aufgabe sein. GISA SPANDLER
