Freizeit fast nur für die Bergwacht

Die Verleihung des „EhrenWert“-Preises an Jürgen Schmieder (vorne) fand im Hersbrucker Tor in Lauf statt, dem Sitz der Bergwacht. Gratulanten waren Hans-Joachim Psotta (Universa, links) sowie Uli Glaser (hinten) und Bernd Arnold für die Stadt Nürnberg. Foto: Scholz
Die Verleihung des „EhrenWert“-Preises an Jürgen Schmieder (vorne) fand im Hersbrucker Tor in Lauf statt, dem Sitz der Bergwacht. Gratulanten waren Hans-Joachim Psotta (Universa, links) sowie Uli Glaser (hinten) und Bernd Arnold für die Stadt Nürnberg. Foto: Scholz2011/08/28499_New_1314365463.jpg

LAUF — Die Bergwacht prägt das Leben von Jürgen Schmieder. Seit Jahren verbringt er seine Freizeit damit, andere zu retten oder im Retten auszubilden. Für sein besonderes Engament bekam der 58-jährige Laufer jetzt den Preis der „Aktion EhrenWert“ des Monats August verliehen. Seit April 2009 kürt die Stadt Nürnberg zusammen mit den Universa-Versicherungen und den Nürnberger Nachrichten so den „Ehrenamtlichen des Monats“ in Stadt und Region. Dies soll auch ein Ansporn für jedermann sein, anderen unentgeltlich Zeit und Energie zu schenken.

„Hier ist die Leitstelle. Einsatz für die Bergwacht.“ Wenn diese Worte aus dem kleinen Meldeempfänger in seiner Tasche kommen, gibt es für Jürgen Schmieder kein Halten mehr. Und kein Zögern. Dann lässt er alles stehen und liegen und zieht los, um Menschen zu retten. Menschen, die sich beim Wandern bis zur Erschöpfung verlaufen haben. Die beim Klettern einen Unfall hatten und nicht mehr weiter können. Oder die in einer Höhle vermisst werden.

1975 trat Jürgen Schmieder der Bergwacht Lauf bei. Seit 1998 ist er deren Bereitschaftsleiter. Seit drei Jahren ist er außerdem Regionalleiter der Region Frankenjura, die von Kronach bis Dollnstein reicht und mehrere Klettergebiete wie die Fränkische Schweiz und das Altmühltal umfasst. Mindestens ein bis zwei Stunden investiert der 58-Jährige täglich in sein Ehrenamt. Dazu kommen zahlreiche Wochenenden. „Fast 100 Prozent meiner Freizeit haben etwas mit der Bergwacht zu tun“, sagt er.

Eingestiegen ist Schmieder ins Retten, nachdem er selbst gerettet worden war: Er war mit einem Freund im Blaueis-Gebiet in den Berchtesgadener Alpen geklettert. Eigentlich waren sie schon so gut wie am Gipfel, hatten sich bereits vom Seil losgemacht, mussten nur noch ein kurzes Stück geradeaus gehen. Da fiel der Freund hin und stürzte ab. Er starb.

Die Bergwacht-Leute konnten nichts mehr für ihn tun, als sie zur Unglücksstelle kamen. Dennoch war Schmieder ihnen dankbar. Ein Jahr lang ließ er das Klettern nach dem Unfall sein. Dann aber zog er wieder los. Und trat der Bergwacht seiner Heimatstadt Lauf bei.

52 Mitglieder gehören der Gruppe zurzeit an, davon sind 19 aktive Retter und acht Anwärter, die noch in der Ausbildung zum Bergretter stecken. Außerdem gibt es 480 registrierte Förderer, ohne die sich die moderne Rettungsausrüstung samt der Fahrzeuge nicht finanzieren ließe. Vereinsbeiträge verlangt die Bergwacht – die nicht, wie viele glauben, zum Alpenverein, sondern zum Roten Kreuz gehört – von ihren Angehörigen keine. Dafür aber einen hohen persönlichen Einsatz.

Allein die Ausbildung dauert zwei Jahre. Nur wer körperlich und psychisch fit ist, darf sie überhaupt beginnen. Fünf Prüfungen gilt es danach zu bestehen: in Sommerrettung, in Naturschutz, in Winterrettung, in Notfallmedizin und in Luftrettung.

Jürgen Schmieder schätzt die hohe Professionalität seiner Organisation. Aber auch den geselligen Teil des Vereinslebens. Zu Hause ist die Bergwacht Lauf im Hersbrucker Turm am Marktplatz. Wer die knarzenden Treppen bis nach oben in den Versammlungsraum ohne Zwischenstopp schafft, beweist Kondition. Hier oben wird geschult, beraten, aber auch schon mal gefeiert. Was Schmieder besonders freut: Sein 28-jähriger Sohn, der früher wenig Interesse für das Hobby seines Vaters zeigte, trat der Bergwacht vor drei Jahren ebenfalls bei; und brachte gleich noch fünf Freunde mit.

Seinen Lebensunterhalt verdient Schmieder als technischer Angestellter in der Entwicklungsabteilung bei „CeramTec“. „Ich habe eine sehr verständnisvollen Chef“, sagt er. Einen, der nicht sauer ist, wenn sein Mitarbeiter plötzlich alles stehen und liegen lässt und zum Einsatz verschwindet.

Immer öfter ist das nämlich der Fall. Zu zwölf Einsätzen im Jahr war die Bergwacht Laufvor 20 Jahren geholt worden. 2010 waren es 50 Einsätze. „Heuer werden wir sicher auf 60 kommen.“ Das liegt, so Schmieder, zum einen am neuen Bayerischen Rettungsdienstgesetz, das eine Alarmierung der Bergwacht in bestimmten Fällen vorschreibt. „Aber es liegt auch daran, dass es sich herumgesprochen hat, wie kompetent wir in unwegsamem Gelände sind.“

Seiner hohen Verantwortung ist er sich dabei jedes Mal bewusst. „In den ersten zehn Minuten geht das Adrenalin schon hoch“, sagt er. „Bis man weiß, was ist überhaupt los, wer kommt alles, dann aber setzt die Routine ein.“

Meist ist Schmieders Können in der Region Frankenjura gefragt. Gelegentlich aber hilft er auch in anderen Regionen aus. Neulich zum Beispiel am Neckar. Da steckten Kletterer im Felsen fest. Um ihnen zu helfen, wurde ein Rettungshubschrauber mit Außenwinde gebraucht. Da es davon nicht viele gibt, wurde der hiesige, der in Nürnberg steht, angefordert – und Jürgen Schmieder gleich mit. Klar, dass er mit dabei war. Und für sein Hobby mal wieder alles andere stehen und liegen ließ.

Der Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Die sieben Jury-Mitglieder stammen aus vielfältigen Bereichen. Alle weiteren Informationen stehen im Internet unter www.universa.de/ehrenwert. Porträts aller 32 bisherigen Preisträger sind zu finden auf der Homepage www.nn-online.de unter dem Suchbegriff „EhrenWert“.

Nichts Neues verpassen! - Newsletter abonnieren